Samstag, 17. Oktober 2020

Hirschberger Informationsbroschüre soll auf den Bürgerentscheid zur Gemeinschaftsschule vorbereiten

Entwicklung oder Abwicklung? Das ist hier die Frage

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foto broschuere

Das Titelblatt der Informationsbroschüre. Aufmerksam lesen und Meinung bilden!

 

Hirschberg, 22. August 2013. (red/aw) Die Gemeinde hat in der vergangenen Woche die Informationsbroschüre (hier herunterladen) zum Bürgerentscheid am 22. September herausgegeben und so ihren Teil zur öffentlichen Meinungsbildung erst einmal pflichtgemäß erfüllt. Jetzt sind Sie dran! Treffen Sie eine Entscheidung. Sie sind noch unentschlossen? Kein Wunder, denn seit Monaten werden die Vor- und Nachteile einer Gemeinschaftsschule  auseinander genommen, diskutiert und Umsetzungsmöglichkeiten abgewägt. Wie Bürgermeister Manuel Just in seinem Vorwort der Broschüre selbst schreibt, ist diese „sehr umfangreich“. Doch die Zeit bis zum Wahltag läuft. Wir haben Ihnen daher die Fakten und die einzelnen Stellungnahmen der Befürworter und Gegner einmal zusammengefasst. 

Von Alexandra Weichbrodt

In genau vier Wochen ist es soweit: Die Hirschberger entscheiden über ihre künftige Schullandschaft. Sie haben in der Hand, ob es in Hirschberg auch in Zukunft eine weiterführende Schule gibt. Gemeinsam mit Heddesheim besteht die Möglichkeit im Rahmen des bereits bestehenden Schulzweckverbandes die Werkrealschule in eine Gemeinschaftsschule umzuwandeln. Ginge es nach der Nachbargemeinde, „wäre der Drops bereits gelutscht“. Der Heddesheimer Gemeinderat sprach sich für eine Gemeinschaftsschule mit Hirschberg aus. Der Gemeinderat Hirschberg und allem voran Bürgermeister Manuel Just jedoch kneiften. Mehrheitlich, mit 13 zu 6 Stimmen, legten Sie die Verantwortung auf die Schultern der Bürgerinnen und Bürger:

Soll die Gemeinde Hirschberg in der Verbandsversammlung des Schulzweckverbandes Hirschberg/Heddesheim für die Karl-Drais-Schule der Antragstellung zur Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule für das Schuljahr 2014/2015 zustimmen mit der Folge, dass der Gemeinde Investitionen für die Sanierung, Erweiterung und eine teilweise Neuausstattung des Schulgebäudes in Leutershausen entstehen?

Worum es wirklich geht? Geld!

Schon bei der Fragestellung dieses Bürgerentscheids wird deutlich: Es geht vor allem ums Geld! Bürgermeister Just ziert sich, die nötigen Mittel für eine Realisierung einer Gemeinschaftsschule in die Hand zu nehmen. Die CDU und FDP hält davon auch gar nichts. Der GLH und der SPD wäre es das viele Geld wert. Die Freien Wähler sind sich nicht einig. Da kann der Wähler schon mal den Durchblick verlieren. Kann sich die Gemeinde denn die Gemeinschaftsschule leisten?

Ja, sie kann. Auch, wenn dadurch die Pro-Kopf-Verschuldung von 431,85 Euro pro Einwohner auf 676,00 Euro steigen würde. Hirschberg läge damit im guten Durchschnitt der baden-württembergischen Gemeinden mit einer Einwohneranzahl von bis zu 10.000. Momentan liegt sie deutlich darunter und gilt somit als wohlhabend. Die Kostendarstellung und Argumentation in der Informationsbroschüre kann erschrecken. Muss sie aber nicht, wenn man genau hinschaut und nachrechnet.

Sollten sich die Hirschberger beim Bürgerentscheid gegen eine Realisierung der Gemeinschaftsschule aussprechen und die bestehende Werkrealschule aufgrund der Schülerzahlen nicht mehr gehalten werden können, „bliebe die Karl-Drais-Schule natürlich als reine Grundschule erhalten“, heißt es in der Informationsbroschüre. Daher scheint aus heutiger Sicht die Gemeinschaftsschule „die einzige langfristige mögliche Schulform zu sein, um eine weiterführende Schule hier am Ort halten zu können“.

Wie viel ist Ihnen Schulbildung in Hirschberg wert?

Die Gesamtkosten für die Umsetzung der Gemeinschaftsschule belaufen sich nach den Schätzungen von Verwaltung und Planungsbüro auf 2,5 bis 3 Millionen Euro. Bei der Kostendarstellung wird allerdings nicht ausreichend darauf hingewiesen, dass die Sanierungskosten für das bestehende Schulgebäude unabhängig von der Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule ohnehin innerhalb der nächsten Jahre auf die Gemeinde zukommt. Rund 1,3 Millionen Euro müssen für den Erhalt des Gebäudes in die Hand genommen werden, auch wenn die Entwicklung zu einer reinen Grundschule führt. Ein Argument, dass die Befürworter der Gemeinschaftsschule gern und häufig erwähnen, die Gegner jedoch gerne mal verschweigen.

Die beim Bürgerentscheid gestellte Frage ist entschieden, wenn die Mehrheit der gültigen Stimmen diese beantwortet hat und die Mehrheit mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten ausmacht. Abstimmungsberechtigt sind alle Bürger der Gemeinde, die mindestens 16 Jahre alt sind. Geht man von 7.500 Stimmberechtigten aus (Einwohnerzahl der Gemeinde Hirschberg am 31.12.2011: 9124, Quelle: Statistisches Bundesamt), müssten mindestens 1.875 gültige Wahlzettel abgegeben werden, damit die Wahl anerkannt wird (darunter rund 150 stimmberechtige ab 16 Jahren, die erstmals in Baden-Württemberg kommunal „wählen“ dürfen). Kommt diese notwendige Mehrheit nicht zu Stande, entscheidet erneut der Gemeinderat über das weitere Verfahren. Wie bleibt allerdings fragwürdig, denn mit dem Bürgerentscheid wollte man sich dieser Pflicht ja eigentlich entledigen.

Für und Wider, immer wieder!

Um die notwendige öffentliche Meinungsbildung zu fördern, veröffentlichte die Gemeinde Hirschberg nun die Informationsbroschüre zum Bürgerentscheid. Auf 32 Seiten werden das pädagogische Konzept, Kostenrechnungen, Machbarkeitsstudien und Stellungnahmen geboten. Wir haben uns für Sie mal durch das Informationsangebot gelesen und die Positionen der Beteiligten kurz und knapp zusammengefasst.

Das Kollegium und das Schulleitungsteam der Karl-Drais-Schule:

Alle am Schulleben Beteiligten haben sich für die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule entscheiden! Wir möchten für Hirschberg, gemeinsam mit Ihnen, den Bürgern, Vereinen, Institutionen und unseren Kooperationspartnern, eine zukunftsfähige weiterführende Schule mit einem guten pädagogischen Konzept realisieren. Bitte unterstützen Sie unsere Schule dabei durch Ihr „JA“ bei der Bürgerbefragung.

Kyra Herrmann-Bläß, Rektorin der Grundschule Großsachsen:

Vielfalt macht schlauer! Mit der Einführung einer Gemeinschaftsschule am Schulstandort Leutershausen schafft die Gemeinde Hirschberg beste Bildungschancen für alle Kinder und Jugendliche. Schülerinnen und Schüler werden, über die Grundschulzeit hinaus, in ihrer Verschiedenheit gefördert und sie erhalten die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten optimal zu entfalten.

 

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Die Anzeige der Elterninitiative „Pro-Schule-Hirschberg“.

 

Gemeinderatsfraktion „Freie Wähler“:

Die Freien Wähler halten den „Bürgerentscheid für die richtige Vorgehensweise“. Die Bürgerschaft müsse entscheiden, ob sie tatsächlich in Zukunft auf eine weiterführende Schule verzichten wolle, oder ob sie eine höhere Verschuldung und eventuell auch die Verschiebung anderer Projekte in Kauf nehmen würde, damit die weiterführende Schule am Standort Hirschberg bleibt. Die Fraktion selbst konnte zu keinem einstimmigen Entschluss kommen.

Wir Freien Wähler haben hierzu unterschiedliche Meinungen. Während unsere Gemeinderäte Alexander May und Werner Volk zumindest aus finanziellen Gründen sich für einen Verzicht auf die Gemeinschaftsschule aussprechen, halten die Gemeinderäte Fritz Bletzer, Peter Johe und Thomas Thünker die Fortführung der Werkrealschule als Gemeinschaftsschule für angebracht. Es handelt sich ihrer Ansicht nacht um ein pädagogisches Konzept, das heutigen und zukünftigen Anforderungen entspricht und das Hirschberg eine weiterführende Schule mit einem vollwertigen Realschulabschluss auf Jahre sichern und daher auch besondere finanzielle Anstrengungen rechtfertigen würde.

Gemeinderatsfraktion „CDU“:

Die CDU hält die Bildungspolitik der grün-roten Landesregierung und ihre Pläne bezüglich der Umwandlung von Werkrealschulen in Gemeinschaftsschulen für „bislang unausgereift“. Die finanziellen Aufwendungen der Gemeinde bei Realisierung der Gemeinschaftsschule würden Hirschberg davon abhalten, die in der Zukunft nötigen und von der CDU bereits länger geforderten Investitionen im Bereich der Ortsmitte von Leutershausen oder der Kanalisierung durchzuführen.

Für das Projekt Gemeinschaftsschule im Ortsteil Leutershausen müssten von der Gemeinde Hirschberg in vollem Umfang neue Schulden aufgenommen werden. Hiervon sind alle Einwohnerinnen und Einwohner betroffen. Der Aufwand entsteht für tatsächlich nur wenige Kinder aus Hirschberg und für ein umstrittenes pädagogisches Konzept. Mit finanzieller Umsetzung der Gemeinschaftsschule würde die Erfüllung zahlreicher anderer wichtiger Aufgaben für alle Bürgerinnen und Bürger in den nächsten Jahren unmöglich. Die CDU Hirschberg wird dies oder eine hierdurch verursachte Schuldenpolitik nicht mitverantworten. Sie stimmt deshalb im Bürgerentscheid mit: Nein.

Gemeinderatsfraktion „Grüne Liste Hirschberg“:

Die GLH steht der Gemeinschaftsschule positiv gegenüber. Es gehe um Zukunft, um Schule im Ort, um Ihre Kinder und die anderer Leute, um Ihr Geld und ein bisschen auch um Bürgerbeteiligung. Es bestehe „jetzt die einmalige Gelegenheit in Hirschberg […], einen attraktiven Bildungsstandort jenseits des Gymnasiums zu schaffen“. Die GLH glaubt, dass die Gemeinschaftsschule eine „moderne und vor allem eine zukunftsfähige Schulform ist“.

Wenn wir also wollen, dass in Hirschberg weiterhin Kinder nach der vierten Klasse unterrichtet werden, dann müssen wir bereit sein, in den nächsten Jahren Geld zu investieren. Diese Investition in die kommende Generation ist sinnvoll und gut angelegt, wenn wir eine Gemeinschaftsschule einrichten. Genau das sollten wir uns leisten! Bitte nehmen Sie an der Abstimmung teil und stimmen Sie mit „JA“.

Gemeinderatsfraktion „SPD“:

Die SPD begrüßt die Anstrengungen und den bisherigen Einsatz für eine pädagogische Weiterentwicklung der Karl-Drais-Schule. Es gebe eine klare Botschaft von Schülern, Eltern, Lehrern und Schulleitung: Sie befürworten die Gemeinschaftsschule. Auch verweist sie darauf, dass das Konzept einer Gemeinschaftsschule bereits eine lange entwickelte, anerkannte und bewährte Schulform in Baden-Württemberg sei.

Hirschberg ist gut aufgestellt. Allein finazielle Argumente können nicht das Kriterium für Ihre Entscheidung sein. Hirschberg als Schulstandort einer weiterführenden Schule bietet Vorteile für Gewerbe und Vereine. Stimmen Sie für eine die Kinder fordernde und fördernde Schule und wenn Sie noch Zweifel haben: fragen Sie Eltern, Kinder und Lehrer die Erfahrungen mit Gemeinschatsschulen oder der Karl-Drais-Schule haben! Liebe Mitbürgerinnen und liebe Mitbürger, stimmen Sie am 22.9. mit JA für die Weiterentwicklung der Karl-Drais-Schule zur Gemeinschaftsschule und für ein zukunftfähiges Hirschberg!

 

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Wenn es nach der Schulleitung, den Schülern und Eltern geht, bleibt die Schule im Dorf.

 

Gemeinderatsfraktion „FDP“:

Die FDP ist der Meinung, dass die „Zukunft dieser Schulart mit Blick auf weitere politische Entwicklungen in Baden-Württemberg alles andere als sicher ist“ und sich der finanzielle Aufwand daher nicht vertreten lasse. Sie kritisiert die mangelnde wissenschaftliche Auswertung der, mit einer Gemeinschaftsschule einhergehenden und zwingend verbundenen Unterrichtsmethoden: „Für Experimente sollten uns unsere Kinder zu schade sein“.

Unsere Werkrealschulen leisten gute Arbeit und bereiten ihre Schüler auf ein praktisches Berufsleben vor. Die Realschulen entwickeln Fähigkeiten sowohl für eine praktische als auch theoretische Weiterbildung. Aus unseren Gymnasien wird mit dem Ziel „Studierfähigkeit“ unterrichtet. Die neue Gemeinschaftsschule ist eine Variante der Gesamtschule und Einheitsschule mit innerer Differenzierung. Leistungsunterschiede sollen die Schüler klassenintern bewältigen. Nun sind die Ortsbürger aufgefordert eine Generationen übergreifende Entscheidung mitzutragen und damit auch Zeichen für künftiges Haushaltsgebaren der Gemeinde Hirschberg zu setzen. Wir empfehlen ein NEIN zur Umwandlung der Werkrealschule zu stimmen.

Jetzt liegt es an Ihnen!

Das Fazit der Informationsbroschüre fällt verhältnismäßig knapp aus. Sinngemäß empfiehlt die Broschüre: „Jetzt sind Sie informiert, bilden Sie sich eine Meinung.“ Und das ist okay. Je nach Blickwinkel, sind viele Argumente beider Seiten nachzuvollziehen. Es heißt im Fazit: „Der Gemeinderat hat der Bürgerschaft eine schwierige Entscheidung übertragen.“ Allerdings. Es seien „Weitblick, Verantwortungsbewusstsein und sachliche Auseinandersetzung“ bei der Entscheidung zu berücksichtigen.

So positiv eine Bürgerbeteiligung von Vielen wahrgenommen wird, so ist diese erste in der Geschichte Hirschbergs jedoch eigentlich ein Armutszeugnis für die Gemeindeverwaltung. Denn die Bürgerschaft wählte demokratisch ein politisches Organ, welches diese Entscheidungen stellvertretend für sie treffen sollte. Der Gemeinderat, mit all seinem politischem Know-How, der nötigen Erfahrung und ausreichend Weitsicht. Doch weit gefehlt, denn bekanntlich schob der Gemeinderat unter dem Vorsitz von Bürgermeister Manuel Just die Last der Entscheidung von sich ab – und damit zu den Bürgerinnen und Bürger, die am 22. September dafür verantwortlich gemacht werden. Egal, wie die Entscheidung ausgeht.

Meinungsbildung kurz vor knapp

Sollte Ihnen die Informationsbroschüre nicht ausreichen, um sich eine endgültige Meinung zu bilden, haben Sie bei zwei Veranstaltungen noch einmal die Möglichkeit zur Information. Die erste Veranstaltung ist am Donnerstag, 12. September, ab 19 Uhr in der Aula der Karl-Drais-Schule, Johann-Sebastian-Bach-Straße 7-9. Neben Bürgermeister Manuel Just sitzt auch Schulleiter Jens Drescher auf dem Podium.

Die zweite Veranstaltung ist eine Podiumsdiskussion. Sie findet am Dienstag, 17. September, ab 19 Uhr in der Alten Turnhalle in Großsachsen statt. Neben Verwaltungschef Just und Schulleiter Drescher sitzen auch die fünf Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktionen Dr. Jörg Boulanger (CDU), Peter Johe (Freie Wähler Hirschberg), Jürgen Steinle (Grüne Liste Hirschberg), Eva-Marie Pfefferle (SPD) und Hartmut Kowalinski (FDP) am Tisch.