Frankfurt am Main/Rhein-Neckar, 10. September 2014. (red/ld) Je mobiler internetfähige Geräte werden, desto häufiger sind die Menschen online. Rund 79 Prozent der Bürger/innen über 14 Jahre in Deutschland greifen mittlerweile im Internet auf Daten zu oder kommunizieren darüber miteinander – sei es mit dem fest installierten PCs zuhause oder handlichen Smartphones unterwegs. Dabei wird das Internet vor allem für Dinge genutzt, die man früher offline erledigt hat. [Weiterlesen…]
79 Prozent der Deutschen über 14 Jahre online
Internet ist Leitmedium bei Jugendlichen
Stuttgart/Rhein-Neckar, 20. Juni 2014. (red/ld) Kommunikations- und Unterhaltungsmedium, Informationsquelle oder Statussymbol: Das Internet ist für Jugendliche das Medium Nummer eins und liegt damit noch vor dem Fernsehen und dem Radio. Weniger nutzen dagegen Printmedien wie Zeitung oder Bücher. Das ist das Ergebnis einer Studie des medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest. [Weiterlesen…]
Die Medien, die Macht und die Moral

Joachim Gauck soll der 11. Bundespräsident werden. Es gibt Kritik an ihm, aber auch Hoffnung. Jeder entscheidet sich selbst über seine Meinung aufgrund von Informationen. Bild: J. Patrick Fischer. BY-SA CC 3.0 Wikipedia
Rhein-Neckar, 23. Februar 2012. (red) Neben der Debatte um Wulff und Gauck wird auch eine über die Rolle der Medien geführt. Wie viel Macht haben sie? Wie viel Moral? Was dürfen Medien, was nicht? Diese Fragen und das Suchen von Antworten begleiten die Debatte um „den“ Bundespräsidenten und das ist gut so. Medien sollen kontrollieren und meinungsfördernd sein – aber sie müssen auch kontrolliert werden: Man darf sich durch sie eine Meinung bilden und eine Meinung zu ihnen haben.
Von Hardy Prothmann
Was rauschte der Blätterwalt, was wurde nicht alles gepostet – zu Wulff und Gauck? Zum zurückgetretenen 10. und zum designierten 11. Bundespräsidenten.
Und parallel zum unwürdigen Verhalten des Vorteilspräsidenten Wulff wurde das Verhalten der Medien diskutiert. Gut oder schlecht? Mächtig oder überschätzt?
Und mit der Entscheidung für Gauck kam der angebliche „shitstorm“ in den sozialen Netzwerken, falsche oder verfälschte Quellen und Zitate bei elektronischen Medien. Behaupten vor allem „traditionelle“ Medien.
Kritik vs. Kritik
Kritik folgte auf Kritik. Aber nicht vorurteilsfrei, sondern verurteilungsfreudig. Meinungsmache vs. „Meinung haben“. Standpunkt vs. Polemik – je nachdem, aus welcher Perspektive man die Debatten über den zurückgetretenen und vermutlich künftigen Bundespräsidenten eben hat, haben kann, haben will.

Hardy Prothmann, verantwortlich für dieses Blog, tritt für subjektiv-objektiven Journalismus ein: Seine Meinung auf Basis von Fakten finden und äußern.
Diese Debatten sind sehr erstaunlich: Während viele Bürger die Macht der Meinungsmacher, also der (traditionellen) Medien thematisieren, thematisieren (traditionelle) Medien die Äußerungen von Bürgerinnen und Bürgern als unzulässig, unprofessionell und als „shitstorm“.
Und „schuld“ daran ist dieses Internet: Ein Medium ohne zentrale Struktur, ohne Redaktionsschluss, ohne Redaktionslinie, ohne Seilschaften, ohne Parteibuch, ohne jede Abhängigkeit, bis auf die, ob man einen Online-Zugang hat oder nicht.
Informationsfreiheit
Ohne auf Einzelheiten zu Wulff oder Gauck eingehen zu wollen: Jeder hat die Möglichkeit, sich ungehindert über das Internet zu informieren und zu kommentieren. Jeder hat die Möglichkeit, eine Information, die er hier findet, mit anderen Informationen zu vergleichen.
Und zwar auch unabhängig von Öffnungszeiten von Kiosken, Zustellzeiten von Zeitungen, Sendungszeiten von Hörfunk oder Fernsehen.
Das Internet ermöglicht allen Bürgerinnen und Bürgern, sich ungehinderter denn je ihre Meinungen zu bilden und ebenso ungehinderter denn je, ihre Meinungen zu äußern. Nicht nur zu äußern, sondern sogar zu verbreiten.
Irritationen
Das irritiert die „Torwächter“ (Gatekeeper), die traditionelle Medien lange waren. Die Politiker, die mit traditionellen Medien lange gemeinsame Sache gemacht haben wie auch alle anderen, die „die Medien“ als das genutzt haben, was „die Medien“ aus sich selbst gemacht haben – eine Meinungsverkaufstheke.
Bei den konservativen Medien gabs Schwarzbrot, bei den linken Medien Habssattbrot und bei der Bild gibts seit jeher Brot und Spiele.
Kein anderes Medium beherrscht den Kosmos von Blut und Sperma, Moral und Empörung, Star und gefallener Engel, Teufel und Hoffnungsträger so gut, wie das Springerblatt.
Tiere – Titten – Tote
Die einfache Formel TTT – Tiere, Titten, Tote – zieht seit Jahrzehnten.

Mit der Bild nach oben und dann ab in den Keller: Das Ehepaar Wulff. Bild: Franz Richter, BY-SA CC 3.0, Wikipedia
Die Bild-Zeitung ist ein Drecksblatt, skrupellos und habgierig. Es bemächtigt sich allem und jedem, womit man Aufmerksamkeit erzielen und diese verkaufen kann.
Und jeder, der sich auf die Bild einlässt, muss wissen, dass man mit ihr „nach oben fährt, aber auch nach unten“ (Anm. d. Red.: Es gibt einen „Pater noster“ im Axel-Springer-Hochhaus“, der unaufhörlich nach oben und nach unten wandert.)
Aber die Bild-Zeitung ist das professionellste Blatt in ganz Europa. Sie beschäftigt sich mit Schmutz und wenn keiner da ist, dann erfindet sie welchen. Die Rechtsabteilung ist groß, Schadensersatz ins Produkt „Bild“ mit einkalkuliert.
Leidmedium Bild
Und die meisten anderen Medien folgen der Bild – die wird im Kanzleramt wie auf der Schicht wie in den Redaktionen zuallerst gelesen.
Hat sie deshalb Macht? Missbraucht sie diese? Sind alle Personen, die in Bild auftauchen nur Opfer?
Keineswegs und ganz klar ja.
Der Skandalbundespräsident Christan Wulff wurde von der Bild nicht gezwungen, sich von einem befreundeten Unternehmer einen Kredit geben zu lassen. Auch nicht, von anderen Unternehmern Vorteile zu erlangen.
Er wurde nicht Home-Stories gezwungen, zu Urlaubsstories und was sonst noch privat alles so interessant am Glück der Wulffs war.
Sündenfälle
Die Bild zwingt niemanden ins Bett mit Sekretärinnen und Geliebten. Sie veranstaltet keine Drogen- und/oder Prostituiertenparties, sie stiftet nicht zur Steuerflucht an, sie ist nicht verantwortlich für Gammelfleisch, einen „Wir sind Papst“, für Korruption und Vorteilsnahme und schon gar nicht für Mord und Totschlag, der immer gerne genommen wird.
Und die Bild hat die Staatsanwaltschaft Hannover nicht gezwungen, um Aufhebung der Immunität von Wulff zu bitten, um zu Verdachtsmomenten ermitteln zu können.
Die „Macht der Medien“ basiert auf Artikel 5 Grundgesetz:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Die Bild nutzt dieses Bürgerrecht gnadenlos aus. Das muss man ihr genauso vorwerfen, wie jedem, der nur „Scheiße“ loswerden will bei einem Shitstorm im Internet.
Haltung
Jede journalistische Redaktion muss prüfen, welche Linie sie vertreten will, was wichtig und was nicht wichtig ist. Worauf man Wert legt und worauf nicht. Das ist eine Stilfrage – aber auch eine, die über Aufmerksamkeit entscheidet.

Wird Jochim Gauck ein "guter" Bundespräsident werden? Darüber darf und sollte man sich seine eigene Meinung bilden. Bild: J. Patrick Fischer. BY-SA CC 3.0 Wikipedia
Die Nutzer dieses Produkts „Meinungsbildung“, haben das Recht und die Pflicht, sich ebenso verantwortlich zu verhalten. Dreck als Dreck zu identifizieren und ihre Macht durch ihre Aufmerksamkeit und was sie dafür „bezahlen“ auszuspielen.
Christian Wulff hat durch sein Verhalten das Amt des Bundespräsidenten beschädigt – diese Meinung teilen viele, aber nicht alle.
Joachim Gauck wird kein einfacher Bundespräsident werden und ob er geeignet ist, wird die Zukunft zeigen.
Der „shitstorm“ ist gut, denn Herr Gauck wird über- und geprüft. Das ist ein großer Vorteil, denn alles, was er vor der Amtsübernahme gesagt hat, kann er nun selbst prüfen, sich eine neue Meinung bilden und dann als Bundespräsident dafür einstehen, was er im Amt tut oder sagt.
Meinungsfreiheit
Darüber urteilen werden alle die, die interessieren und sich interessieren – mit der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit.
Die Menschen, die Medien und die Moral der daraus resultierenden Gesellschaft.
Faktencheck: RNF zeigte nicht nur einmal Leichenbilder als „Rohmaterial“
Mannheim/Rhein-Neckar, 12. September 2011. (red) Am Freitag haben wir das Rhein-Neckar-Fernsehen kritisiert, weil der- Regionalsender unbearbeitete Aufnahmen von einer Leichenbergung nach einem Unfall auf der A5 im Online-Portal rnf.de veröffentlicht hat. RNF-Projektleiter Ralph Kühnl hat sich umfassend durch Kommentare dazu geäußert und behauptet, es handle sich um einen Fehler. Unsere Recherche zeigt, dass es wohl kein Fehler war. Die Veröffentlichung wurde sogar angekündigt. Und es ist kein Einzelfall.
Von Hardy Prothmann
Am Donnerstag hat der Regionalsender Rhein-Neckar-Fernsehen „Rohmaterial“ von fast 12 Minuten Länge im Internet veröffentlicht. Also die Bilder, die ein Kameramann vor Ort nach einem Unfall auf der A5 aufgenommen hat.
In einer Szene, die fast zwei Minuten dauert, sieht man, wie die Bestatter die Leiche eines Unfallopfers in einen Sarg hieven. Der nachrichtliche Aussagegehalt ist gleich Null – kein seriöser Sender würde eine solche Szene in dieser Länge ausstrahlen, wenn überhaupt nur ein „Schnittbild“ von ein paar Sekunden Länge.
Wir haben daraufhin einen kritischen Kommentar geschrieben und diesen Vorgang als eine Art Trash-TV bezeichnet – weil es gegen jeden journalistischen Standard verstößt, unbearbeitetes Material, egal, ob Ton, Text oder (Bewegt-)Bild zu veröffentlichen.
Erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Darstellung
Für den Sender hat Projektleiter Ralph Kühnl den Vorgang umfangreich kommentiert (siehe Kommentare hier am Ende des Artikels) und hat uns wiederum vorgeworfen, wir hätten unzureichend journalistisch gearbeitet – eine einfache Rückfrage hätte die Vermutung entkräftet, dass das Rhein-Neckar-Fernsehen das „rohe“ Material absichtlich ins Netz gestellt hätte. Es liege ein Fehler vor. Ein nicht-redaktioneller Mitarbeiter habe eine „Nummer“ vertauscht, dadurch sei das Material ohne Absicht veröffentlicht worden und zudem nur für rund 2,5 Stunden sichtbar gewesen.
Wir haben erhebliche Zweifel an dieser Darstellung, denn die von uns recherchierten Fakten ergeben ein anderes Bild.
Rekonstruktion des Ablaufs:
Wir schildern den Ablauf, soweit wir diesen rekonstruieren können:
Am 08. September kommt es gegen 05:00 Uhr auf der A5 zu einem Unfall (siehe Bericht auf unserem Rheinneckarblog.de). Irgendwann später treffen Reporter ein. Auch das RNF ist vor Ort und macht Aufnahmen. Der Kameramann kehrt in den Sender nach Mannheim zurück und überspielt die Aufnahmen von der Kamera ins Redaktionssystem.
Am 08. September 2011 „sendet“ RNF eine erste Meldung auf Facebook:

Erste Hinweis auf das "Rohmaterial" auf der Facebook-Seite vom RNF.
Ein knappe Stunde später schreibt Ralph Kühnl selbst, erkennbar am Kürzel ^rk, einen Beitrag, mit dem Hinweis:
„Die Fakten vom Unfall- auf der A5 haben wir bereits auf rnf.de gestellt.“

"Fakten zum Unfall"?
Die „Fakten“ zum Unfall also. Was meint er damit wohl? Hat er nichts von den „ersten Bildern bei rnf.de“ gewusst? Soll man ihm das glauben?

Hatte die Redaktion keine Kenntnis von dem Rohmaterial?
Um 12:46 Uhr schreibt Andreas Etzold, wie Kühnl „Projektleiter“ und zudem Jugendschutzbeauftragter (sic!) einen Hinweis auf den „Sendebeitrag“, der in der Abendsendung ausgestrahlt werden soll. Hat auch er übersehen, dass das Rohmaterial online auch für Kinder und Jugendliche (es ist Ferienzeit) einsehbar ist?
Ralph Kühnel kommentiert später unseren Bericht, am 10. September 2011 um 00:30 Uhr:
„Das Material, das im obigen Artikel beschrieben ist, stand am Donnerstag Morgen für ca. zweieinhalb Stunden auf der Startseite von rnf.de. Das hätte nicht passieren dürfen.“
Diese Information konnten wir nicht überprüfen. Denn wir erfahren erst am Abend des 08. September 2011 durch einen Hinweis vom „Rohmaterial“, klicken auf den Link und sehen uns das Material an.
Die Bilder sprechen eine deutliche Sprache: Redaktionell unbearbeitetes Material wird uns gezeigt – wir sehen die Leichenszenen, prüfen die Erreichbarkeit und gehen von der Homepage auf das Videoportal bei rnf.de und können den Beitrag dort aufrufen. Wir leeren den Cache unseres Computer und machen den Versuch an einem zweiten Computer – tatsächlich lässt sich der Beitrag hier wie dort abrufen.
Stellt sich eine Recherchefrage wie Herr Kühnl das einfordert? Und ob wir gegen 21:00 Uhr abends noch jemandem im Sender erreicht hätten, wissen wir nicht. Wir meinen nicht, dass eine „Recherche“ notwendig ist – der Vorgang ist eindeutig, wir stellen diesen dar und ordnen ihn als das ein, was er ist, skandalös. Am 9. September 2011, um 00:21 Uhr geht unser Text online.
Unser Artikel zu den „Leichenbildern“ bei RNF findet immer mehr Interesse
Am folgenden Tag wird unser Beitrag von Bildblog.de verlinkt – die Zugriffe steigen rasant an. Bundesweit lesen medieninteressierte Menschen unseren Artikel. Am Vormittag ist das „Rohmaterial“ immer noch bei rnf.de zu finden, auch am Nachmittag. Wir wundern uns über die Kaltblütigkeit des Senders. Später bestätigen uns Leserinnen und Leser, dass der Film auch noch am frühen Freitagabend an diesem 09. September zu sehen war, ein Leser sah ihn auf seinem Handy.
Am 10. September, um 12:02 Uhr kommentiert Herr Kühnl: „Hätten wir, wie uns in dem Hauptartikel vorgeworfen wird, mit dem langen Video einen Effekt erzielen wollen, dann hätten wir es entsprechend promoted und es nicht im Video-Portal versteckt. Dann hätten wir vielleicht in Hauptsendung “RNF Life-€ in der Moderation gesagt: “Wenn Sie mehr spektakuläre Bilder von dem Unfall bei Heppenheim sehen wollen, dann klicken Sie jetzt ins Video-Portal auf rnf.de. Dort haben wir den gesamten Rohschnitt für Sie hinterlegt.-€ Das haben wir aber nicht.“
RNF weist Sensationslust zurück
Anscheinend weiß Herr Kühnl nicht mehr, was er selbst noch vor Fertigstellung des „Sendebeitrags“ in Facebook gepostet hat: „Die Fakten zum Unfall haben wir bereits auf rnf.de gestellt. ^rk“
Herr Kühnl erklärt weiter irgendwas von „im Cache-Speicher“ und anderes Zeugs. Tatsache ist, dass wir und alle unsere Kontakte den Film nicht bei youtube oder über Google gesehen haben, sondern direkt über die rnf.de-Seite.
Es entwickelt sich eine lange Debatte mit vielen Kommentaren zu unserem Artikel.
Behauptungen werden aufgestellt
Darin behauptet Ralph Kühnl erst einen technischen Fehler, dann soll ein „nicht-redaktioneller Mitarbeiter“ im Übereifer das „Rohmaterial“ online gestellt haben. Sehr schnell versucht sich Herr Kühnl darin, unsere Arbeit zu kritisieren, um vom eigentlichen Thema, dem skandalösen Zur-Schau-Stellung eines Unfalltoten abzulenken.
Auch auf direkten Weg nimmt er Kontakt zu uns auf und teilt uns mit, dass ein Mitarbeiter den Fehler gemacht hat. Die sehr lange email, in der es auch um andere Dinge geht, sollen wir aber „vertraulich“ behandeln.
Wir sichern keine Vertraulichkeit zu, beantworten die email und damit war der Fall für uns erledigt.
Am folgenden Tag, den 11. September 2011, erhebt Herr Kühnl wieder massive Vorwürfe gegen unsere Arbeit. Wir antworten entsprechend.
Rohes Material: Beiträge mit „(no comment)“ sind Originalaufnahmen
Dann surfen wir nochmals auf der Seite von rnf.de, um eine Information zu überprüfen.
Wir trauen unseren Augen nicht. Im Videoportal von rnf.de stehen zwei weitere Beiträge direkt untereinander, wieder ist einer mit „(no comment)“ gekennzeichnet. Der erste Beitrag ist ein Sendebeitrag vom 07. September 2011, wenn auch durch Amateurvideoaufnahmen von schlechter Qualität.

Für jeden Geschmack etwas: Sendebeitrag und "Rohmaterial" stehen untereinander.
Der zweite Film zeigt wiederum in der Länge von 01:34 Minuten nichts anderes als Bestatter, die in ein Haus gehen, mit der Leiche wieder herauskommen, diese verfrachten und davonfahren. Man hört vermutlich den Kameramann, der vermutlich telefoniert, als die Leiche aus dem Haus getragen wird: „Moment, jetzt kommen sie gerade. Ich kann nicht.“
„Moment, jetzt kommen sie gerade. Ich kann nicht.“
Angeblich dient dieses „Rohmaterial“ als Angebot an andere Sender, die dem Rhein-Neckar-Fernsehen die Bilder abkaufen können. Tatsächlich verwendet das RNF im Beitrag zu dem tödlichen Schusswechsel im Mannheimer Stadtteil Neckarau selbst gerade mal zehn Sekunden. Und auch diese wohl entweder in Ermangelung anderen Bildmaterials oder eben in vollem Bewusstsein, so etwas der Öffentlichkeit zeigen zu wollen. Beides ist journalistisch eine Bankrotterklärung.
(Siehe unseren Beitrag dazu hier.)
Angeblich kann man dieses „Rohmaterial“ nicht sehen – vermutlich, folgt man Herrn Kühnl, hat der „nicht-redaktionelle Mitarbeiter“ auch hier eine „Zahl verwechselt“. Eventuell hat sich auch dieser Beitrag in irgendeinem „Cache“ (Zwischenspeicher) verfangen und ist nun in den unendlichen Untiefen des Internet noch erreichbar. Ob Herrn Kühnl wohl noch eine andere Erklärung einfällt?
Für unseren Geschmack ist das ein wenig viel „angeblich, vermutlich, eventuell“.
„Das versendet sich.“ – Aber nicht mehr in Zeiten des Internet
Früher, also vor dem Internet, sagten TV- und Radio-Journalisten bei solchen „Fehlern“: „Das versendet sich.“ Man rechnete damit, dass nur wenige Menschen einen Beitrag speichern konnten, am nächsten Tag neue Themen das Interesse bestimmten und man somit fein raus war, weil die fehlerbehaftete Arbeit vergessen wurde.
Das Internet bietet aber gute Kontrollmöglichkeiten. Und die werden Herrn Kühnl und seinen Aussagen nun zum Verhängnis – denn durch unsere Recherche gibt es begründete Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Behauptungen.
Mal untertellt, dass der Sender diese Beiträge nicht absichtlich veröffentlicht, dann ist es ein Schlamperladen, dem zu viele Fehler passieren. Tatsächlich muss man davon ausgehen, dass es absichtlich „passiert“ – wieso sonst würden die Redakteure „Bilder und Fakten“ anpreisen, bevor der Sendebeitrag fertig ist?
Wir werden den Sender wiederum nicht dazu befragen – wir sparen uns die Mühe, denn wir gehen davon aus, dass wir keine vertrauenswürdigen Antworten erhalten.
Die Verwendung der Leichenbilder im Beitrag über die Schießerei in Neckarau zeigt, dass der Sender selbst keine Skrupel hat, solches „Material“ zu verwenden und auch im Fernsehen in ungebührlicher Länge über die absolut notwendige „Dokumentation“ hinaus zu zeigen. Einen Nachrichtenwert haben solche Bilder nicht. In der länge auch keinen dokumentarischen. Sie dienen einzig und allein dazu, die Sensationsgier zu stillen.
Bedauerlich ist, dass das Rhein-Neckar-Fernsehen vermutlich davon ausgeht, dass dessen Zuschauerinnen und Zuschauer solche Bilder sehen wollen.
Was das Rhein-Neckar-Fernsehen vom eigenen Publikum denkt – darüber kann sich jeder selbst seine Meinung bilden.
Das Rhein-Neckar-Fernsehen zeigt ungeschnittene Opferbilder und diskreditiert sich damit zum Trash-TV

Fast zwei Minuten lang zeigt das Rhein-Neckar-Fernsehen, wie Bestatter einen Sarg bereitstellen, die Leiche des Opfers hineinwuchten, den Sarg schließen und Rausstehendes reinstopfen. Muss das sein? Quelle: RNF
Mannheim/Heppenheim/Rhein-Neckar, 09. September 2011. (red) Ein schwerer Unfall auf der A5 bei Heppenheim fordert ein Todesopfer. Medien berichten. Die Öffentlichkeit will wissen, was passiert. Das Rhein-Neckar-Fernsehen (RNF) zeigt fast zwölf Minuten lang ungeschnittenes Videomaterial – darunter fast zwei Minuten die Leiche, die von Bestattern in einen Sarg gewuchtet wird. Ist das noch „Journalismus“ oder nur noch voyeuristischer Trash? Die Frage muss man nicht stellen – wer so verantwortungslos handelt, hat mit verantwortlichem Journalismus längst nichts mehr zu tun. Noch nicht einmal der Anschein wird noch gewahrt. Man hält ohne Sinn und Verstand drauf und hofft auf „Quote“.
Ergänzung:
Der RNF-Mitarbeiter Ralph Kühnl hat gegenüber unserer Redaktion den Vorgang folgendermaßen erklärt: „Mit dem Einstellen des Rohschnitts ins Netz ist einem nicht-redaktionellen Mitarbeiter der Gaul durchgegangen. Darüber gab es hier im Sender bereits gestern Diskussionen, die sicherlich dazu führen, dass ein solcher Fall nicht mehr eintritt.“ Weiter hat Herr Kühnl erklärt, man habe nach Kenntnis des Fehlers das „Rohmaterial“ um einen ausführlichen Text ergänzt und damit bestätigt, dass die Redaktion auch nach Kenntnis der Veröffentlichung das Rohmaterial nicht sofort gelöscht hat. Es bleibt jedem selbst überlassen, welche Meinung man sich aus diesen Informationen bilden mag.
Der Sender hat mittlerweile (wie von uns vorgeschlagen, siehe Kommentar 10. September 2011 um 16:56 Uhr) eine Entschuldigung unter dem Sendebeitrag veröffentlicht.
In den Kommentaren finden Sie weitere Informationen.
Von Hardy Prothmann
Als ich die Bilder vom Unfall auf der A5 vom Donnerstag auf dem Internet-Portal von RNF sehe, bin ich fassungslos. Nicht darüber, dass ich eine Leiche sehe. Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich viel Leid sehe, Zerstörung und auch den Tod sehen muss. Hinschauen muss. Auch Polizisten, Ärzte, Sanitäter, Feuerwehrleute, Gutachter sind damit leider immer wieder konfrontiert.
Aber wir arbeiten professionell, jeder tut, was er tun muss. Und als Journalist berichtet man für die Öffentlichkeit darüber, was passiert ist. Aber als verantwortlicher Journalist achtet man darauf, zwischen dem öffentlichen und dem privaten Interesse zu unterscheiden.
Es ist absolut zulässig, in Bild, Ton oder Schrift über Opfer zu berichten. Es ist aber geboten, dies im Zweifel mit dem gebührenden Abstand zu tun. Auch wir haben über den Unfall auf der A5 berichtet, bei dem ein Mann ums Leben gekommen ist. Auch auf unseren Bildern sieht man, dass eine Leiche am Boden liegt und von einem Tuch abgedeckt wird. Unser Bilder sind aus der Distanz aufgenommen und dokumentieren den tragischen Unfall, das „Ereignis“.
Die Bewegtbilder, die beim RNF zu sehen sind, zeigen, wie Bestatter einen Sarg herbeitragen und das Opfer versuchen, ihn dahin zu hieven. Das klappt nicht beim ersten Mal. Der Leichnam stößt an den Sarg, die Anstrengung der Bestatter ist deutlich zu sehen. Als es endlich gelingt, die Leiche in den Sarg zu hieven, lässt sich der Deckel nicht schließen. Der Leichensack wird reingestopft. Die Männer transportieren Sarg und Leiche ab.
Man könnte nun aus Sicht des RNF argumentieren: „Wir zeigen, wie es ist.“ Aber ist das ein Argument? Was ist mit der Würde des Toten? Was mit den Gefühlen der Familie?
„Vollkommen egal“, könnte man als Hardcore-Dokumentarfilmer sagen: „Wir zeigen, wie es ist.“

Zeigen, was man vor die Linse bekommt. Was sagt dieses Bild aus? Quelle: RNF
Aber auch die härtesten Hardcore-Dokumentarfilmer stellen sich immer die Frage, ob das, was sie zeigen, gezeigt werden „muss“. Was ist der Erkenntnisgewinn? Was tragen die Bilder zur Aufklärung der Öffentlichkeit bei? Warum sind sie wichtig? Tragen sie zur Förderung der Meinungsfreiheit bei?
Die Bilder des RNF sind erschütternd. Sie zeigen, dass der Sender überhaupt keinen Wert auf journalistische Selbstkontrolle legt. Hier wird nur Voyeurismus bedient, irgendwelche redaktionell-journalistische Gedanken oder auch nur ein Rest von Anstand sind auch im Ansatz nicht zu erkennen.
Das ist Trash-TV in Reinkultur – mit der Kamera auf alles draufhalten, was die Häarchen auf den Armen aufstellen lässt. Klar – RNF ist ein dröger Provinzsender, der eher nicht durch guten, kritischen Journalismus auffällt. Aber mit diesem Film zeigt der Sender eine Verantwortungslosigkeit, die die zuständige Lizenzbehörde auf den Plan rufen muss.

Selbst die Spritze muss groß im Bild erscheinen - warum? Quelle: RNF
Auch Privatsender haben Standards der Berichterstattung zu erfüllen und müssen die Lizenz verlieren, wenn sie diese nicht einhalten. Ein Privatsender, der ungeschnittenes Videomaterial über eine menschliche Tragödie über zwölf Minuten Länge einfach so ins Internet stellt, ist dafür ein Kandidat.
Ob Herr Bert Siegelmann die Größe hat, sich im regulären Programm für diese Verfehlung zu entschuldigen und dafür zu sorgen, dass der Sender journalistische Standards einzuhalten, darf getrost bezweifelt werden.

Muss man die Arbeit der Bestatter in voller Länge zeigen? Quelle: RNF
Einen später zusammen geschnittenen „Beitrag“ spricht der lispelnde Senderchef selbst ein – wieder sind Bilder zu sehen, die man nicht zeigen muss, außer, wenn man es „nötig“ hat.
Was das RNF hier zeigt, macht mich fassungslos. Als Mensch. Als Journalist macht es mich wütend, weil diese miese Form von „Journalismus (No comment)“ auch mich und andere Kollegen beschädigt, die ihren Beruf mit der gebotenen Verantwortung ausüben.
Mir geht es wie jedem anständigen Menschen. Für eine solche „Arbeit“ empfinde ich nur Verachtung – die einzig richtige Reaktion, weil man keine Spur von Achtung bei diesem „Bericht“ des RNF feststellen kann.
Es ist beschämend, wie das RNF im Wunsch nach Aufmerksamkeit jegliche Selbstkontrolle verliert. Tatsächlich habe ich kein Mitleid mit diesen „Kollegen“ – die müssen selbst in den Spiegel schauen und man darf nur hoffen, dass sie bei dem, was sie sehen, eventuell noch eine Spur von Scham empfinden.
In eigener Sache: Reaktionen auf den Beitrag im ARD-Morgenmagazin

Hardy Prothmann ist seit 20 Jahren Journalist und hat für viele große Tageszeitungen, Magazine sowie Hörfunk und Fernsehen von ARD und ZDF gearbeitet. Seit 2009 berichtet er wieder als Lokaljournalist in Nordbaden. Bildquelle: ARD-Morgenmagazin/SWR
Rhein-Neckar, 02. August 2011. (red) Heute hat das ARD-Morgenmagazin einen Beitrag ausgestrahlt, in dem Hardy Prothmann als verantwortlicher Redakteur für heddesheimblog.de im Interview zu sehen war. Im Bericht geht es um den Tarifstreit zwischen Gewerkschaften und Verlegern. Gestern wurde in Lampertheim demonstriert. Ein ARD-Team hat uns dazu befragt. Herzlichen Dank für die (trotz Ferien) bundesweiten Reaktionen per email, Chat oder Telefon. Wir fassen unsere Antworten zusammen.
Beitrag aus dem ARD-Morgenmagazin vom 02. August 2011, nachzuschauen bei tagesschau.de
Warum seid Ihr so kritisch mit der Zeitung?
Weil die Berichterstattung oft ungenügend ist. Die meisten Mitarbeiter haben früher selbst für Zeitungen gearbeitet – es tut weh, wenn man sieht, wie das Produkt verkommt. Statt zu lamentieren, haben wir uns entschlossen, selbst eine Redaktion aufzubauen. Und wir stellen uns jeder inhaltlichen Kritik – was man von den Zeitungen leider nicht erwarten kann.
Bedroht das Internet „die Zeitung“?
Nein. Journalistische Angebote im Internet zeigen nur, dass es „Alternativen“ zur Zeitung gibt. „Alternative“ hat dabei nichts mit „grün“, „links“, „Apo“ oder dergleichen zu tun. Journalistische Internetseiten bewegen sich wie die Zeitungen, das Radio, das Fernsehen auf dem Markt der Aufmerksamkeit über angebotene Informationen.
Die Zeitungen müssen sich wie andere Medien vergleichen lassen. Der Vergleich fällt leider immer häufiger nicht gut aus. Teure Abos bei gleichzeitig mangelhaftem Inhalt sind vermutlich kein „Zukunftsmodell“. Deswegen werden alle Lokalzeitungen, die nicht an der Qualität arbeiten, mittel- bis langfristig große Probleme bekommen. Zeitungen mit guter Qualität haben auch eine Zukunft.
Können Blogs eine Zeitung ersetzen?
Warum nicht? Es geht um zutreffende Informationen, kritische Berichterstattung, einordnende Kommentierung, „Enthüllungen“, Unterhaltung. All das können Blogs oder „Internet-Zeitungen“ bieten. Aktueller und umfangreicher als eine aufs Medium Papier begrenzte Zeitung.
Wir empfehlen gerne auch sehr gute Angebote, beispielsweise das DeutschlandRadio, Arte oder 3Sat, um elektronische Medien zu nennen. Das sind ganz hervorragende Angebote. Das Problem: Es sind keine „Lokalmedien“. Wenn man wissen will, was um einen herum „los“ ist, dann braucht man sehr gute Lokalmedien. Zeitungen hatten bis vor kurzem hier ein Monopol – das brökelt zunehmend.
Die meisten neuen journalistischen Internetportale sind noch sehr „jung“ – leisten aber wie das heddesheimblog.de enorm viel für die Leserinnen und Leser und decken teils schon mehr Themen ab, als in der Zeitung stehen. Da es so gut wie keine „Verfilzung“ gibt und keine müden Monopolstrukturen sind die Angebote meist frischer und meinungsfreudiger. Sie bedienen sich zudem einer Technik, die überall verfügbar und zunehmend „selbstverständlicher“ auch für ältere Generationen wird. Die junge Generation liest sowieso so gut wie keine Zeitung mehr.
Wie steht es um die objektive Berichterstattung?
Dazu muss man erstmal definieren, was „objektiv“ ist und ob dies erstrebenswert ist. Die Fakten müssen stimmen. Das allein reicht aber nicht, sie müssen interpretiert und eingeordnet werden. Viele Dinge kann man so oder so sehen.
Ein klassisches Beispiel: War Che Guevara ein Terrorist oder ein Freiheitskämpfer? Ein aktuelles Beispiel: Ist Anders Breivik ein „Amokläufer“ oder ein rechtsextremer Terrorist?
Und lokal geht es um Fragen wie: „Können oder wollen wir uns das Hallenbad noch leisten?“ „Wie viel Betreuung muss, kann, soll, will eine Gemeinde für Kinder anbieten?“ Dazu lassen sich Fakten zusammentragen, aber auch sehr viele Meinungen.
Unsere Redaktion bietet bewusst einen „subjektiven“ Journalismus an. Unsere Inhalte werden nicht von Maschinen gemacht, sondern von Menschen, die sind nunmal „Subjekte“ und keine Objekte.
Wir arbeiten mit professionellen, journalistisch-handwerklichen Methoden. Wir hinterfragen kritisch und genau und dokumentieren den größten Teil unserer Quellen – bis auf die, die wir wegen vermuteter Nachteile schützen. Unsere Leserinnen und Leser können unsere Informationen überprüfen, wir helfen sogar dabei, weil wir das förderlich für die „subjektive“ Meinungsbildung halten.
Objektiv heißt für uns, transparent und ehrlich zu berichten. Die Leserinnen und Leser erweitern das mit Kommentaren und Links. Artikel 5 spricht nicht von einer „objektiven“ Meinungsfreiheit, sondern von der Freiheit, sich auch öffentlich zugänglichen Quellen eine Meinung bilden und diese äußern zu dürfen. Daran wirken wir mit.
Sehen Sie eine Lösung für die Zeitungen?
Für die allermeisten leider nicht. Das Produkt Zeitung muss mit einem exklusiven Inhalt überzeugen. Sobald das nicht mehr der Fall ist, wird die Zeitung beliebig und hat keinen Nutzen mehr. Da die Entwicklung seit gut zwei Jahrzehnten negativ ist und das Internet viele neue Möglichkeiten bietet, hat die Zeitung nur eine Chance – wenn sie sich auf guten Journalismus, exklusive Inhalte und Respekt vor der Leserschaft besinnt.
Natürlich müssen Zeitungen auch die Bedürfnisse ihrer Werbekunden möglichst gut bedienen. Da Zeitungen heute aber wie Konservenfabriken von Betriebswirten ohne journalistischen Ehrgeiz geführt werden, ist eine Lösung nicht in Sicht. Der Einfluss der Werbewirtschaft auf die redaktionelle Berichterstattung beschädigt zudem die Glaubwürdigkeit der redaktionellen Inhalte und der werbenden Unternehmen. Ein Verständnis dieser Wechselwirkungen ist heute leider in Zeitungshäusern kaum noch anzutreffen.
Warum argumentieren Sie für die Kollegen bei der Zeitung?
Aus Solidarität. Das „Angebot“ der Verleger ist sittenwidrig. Die Verlagshäuser haben über Jahre hinweg Geld gescheffelt. Renditen von über 20 Prozent waren keine Seltenheit. Auf das neue Medium Internet wurde arrogant reagiert und deshalb hat man heute große Probleme.
Bei vielen Zeitungen gibt es nach wie vor gute Leute und es gibt junge Menschen mit viel Enthusiusmus, die diesen wunderbaren Beruf ergreifen wollen. Wenn man, um sich Renditen zu erhalten, die eigenen Leute kaputt spart, ist das der falsche Weg. Zudem nehmen immer mehr ökonomische Interessen Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung. Am Beispiel der Fehl- oder Nichtleistungen der Stuttgarter Zeitung in Sachen Stuttgart21 kann man gut erkennen, wie wenig von der „vierten Gewalt“ übrig geblieben ist. Häufig sind die Zeitungen nur nur Steigbügelhalter für Lobbyisten, Interessenverbände, Werbekunden oder die jeweils herrschenden Klassen. Mit kritischer Kontrolle hat das wenig zu tun und das ist schädlich für die Demokratie.
Nicht jeder Journalist ist ein Revolutionär und packt seine Sachen, wenn er nicht so berichten darf, wie er sollte. „Wes Brot ich ess, dess Lied ich sing“ gilt auch für diesen Beruf. In der Verantwortungskette stehen die Verleger, Chefredakteure und Redaktionsleiter ganz vorne.
Eine Demokratie braucht aber eine kritische Öffentlichkeit und es ist sicher von Vorteil, wenn viele Leser an die Verlage schreiben und mehr Journalismus fordern. Verleger sind Kaufleute – und wenn die Kunden rebellieren, überlegen die sich sicher sehr genau, wie sie sich besser nicht verhalten sollten.
Warum sind Radio und Fernsehen nicht so sehr betroffen?
Sind sie. Sowohl Radio als auch Fernsehen sind bereits vom Internet umschlungen worden. In einigen Jahren werden viele Menschen ein Gerät an der Stelle haben, an der der „Fernseher“ stand. Darüber kann genauso Radio gehört werden. Das Radio kann aber über sehr einfache Geräte überall, vor allem im Auto, als „Nebenbei-Medium“, empfangen werden. Diese Einfachheit wird das Radio als Radio überleben lassen. Das Fernsehen als Inhaltelieferant fürs Internet(fernsehen) bleibt auch erhalten. Ob man Fernsehen auf einem Fernsehgerät oder einem Computerbild schaut, ist mehr oder weniger dasselbe.
Die Papierzeitung hat aber ein Problem: Es ist teuer, sie herzustellen, man muss sie teuer transportieren und bis sie beim Leser ist, vergeht zu viel Zeit. Zudem ist sie im Umfang begrenzt. Man kann sie schlecht archivieren und schon gar nicht verlinken. Die Zeitung ist ein Einbahnstraßenmedium. Das sind echte Nachteile, die zu einer deutlichen Reduzierung der Zeitungswelt in der Zukunft führen werden. Nur wirklich exklusive, sehr gute Inhalte werden das abwenden können.
Können Blogs nur von Journalisten gemacht werden?
Gut gemachte Informationsportale sind irgendwann von selbst „journalistisch“. Natürlich können auch Bürger oder Interessengruppen publizistisch tätig werden – es ist aber eine verantwortungsvolle und anstrengende Arbeit und wenn man eine gewisse Aufmerksamkeit erreichen möchte, muss man am Ball bleiben. Es sind zudem sehr viele „rechtliche“ Dinge zu beachten.
Insofern sind hauptberufliche Journalisten, die ihr Handwerk beherrschen, eher in der Lage, ein solches Angebot aufzubauen. Das gilt sowohl für große Nachrichtenportale wie für kleine lokale Angebote. Die Qualität muss überzeugen. Ob die von „Journalisten“ oder „Bloggern“ kommt, ist egal. In Amerika heißen Redakteure „editors“, in der Schweiz Redaktoren – das sind Begrifflichkeiten. Die Inhalte sind entscheidend.
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Weil wir aber davon überzeugt sind, dass sich Kooperationen lohnen, haben wir mit Kollegen das Netzwerk http://istlokal.de gegründet. Der Verein wird in Kürze angemeldet und hat zum Ziel lokal- und regionaljournalistische Internetangebote zu fördern. Die deutschlandweit rund 50 Mitglieder und Interessenten tauschen sich schon heute zu den Themenfeldern Journalismus, Vermarktung, Technik und Recht auf der Basis von Solidarität aus. Man hilft sich gegenseitig, um das eigene Angebot und das anderer zu verbessern.
Wenn Sie also selbst ein Angebot planen oder als Initiative ein Angebot von jemandem aufbauen lassen wollen, finden Sie hier Ansprechpartner. Wir bieten auch technische, inhaltliche und organisatorische Beratung gegen Honorar an und machen Ihnen gerne ein Angebot.
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Skandal oder Service? Facebook schaltet automatische Gesichtserkennung frei
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Rhein-Neckar, 09. Juni 2011 (red) Facebook geistert als Datenschutz-Problemfall mal wieder durch die Presse. Nicht ganz zu unrecht, aber wie so häufig endlos übertrieben. Was in keiner Zeitungsmeldung steht: Facebook wird von Zeitungen als Bedrohung wahrgenommen – zu recht. Das größte soziale Netzwerk der Welt wächst rasant, während Zeitungsauflagen schrumpfen. Aktuell wird die automatische Gesichtererkennung kritisiert – Sie erfahren von uns, ob diese problematisch ist und wie Sie diese abschalten können.
Von Hardy Prothmann
Die Süddeutsche Zeitung schreibt:
„Facebook setzt Software zum Gesichtsscan ein, um Freunde auf Fotos einfacher zu identifizieren. Das weckt viele Ängste… Gesichtserkennung: Kein Wort verstört Internetnutzer mehr, hört sich so sehr nach der Komplettüberwachung und Demaskierung an.“
Unbelegte Gefahren
Einen Beleg bleibt die Zeitung schuldig. Welche Ängste? Bei wem? Vor was? Warum?
Facebook-Nutzer stellen bestimmt keine Bilder in das Netzwerk ein, damit diese nicht gesehen werden. Facebook heißt auf deutsch „Gesichtsbuch“ – die Funktion der Gesichtserkennung ist also eher eine folgerichtige Erweiterung der Software.
Die Gesichtsmarkierung ist nicht neu
Schon in der Vergangenheit konnte man auf Fotos Personen markieren und Facebook-Namen zuweisen. Die neue Funktion ermöglicht nun eine „automatische“ Zuordnung.
Das kann man nun als Skandal verstehen oder einfach als Service, der in jedem guten Fotoverwaltungsprogramm enthalten ist. Ganz sicher ist es ärgerlich, dass Facebook diese Funktion einfach eingeschaltet hat ohne die Nutzer zu fragen. Man könnte sich in der autonomen Verwaltung gestört fühlen oder aber auch sagen: Hey, netter Service.
Ganz so „unerwartet“ macht Facebook das aber nicht. Die neue Funktion wurde bereits im Dezember 2010 angekündigt. Und ganz so automatisch ist der Ablauf auch nicht – die Sofware „scant“ die Bilder. Findet sie Gesichter, die auf anderen Bildern schon mit einem Namen versehen worden sind, macht Facebook einen Vorschlag, eine Markierung vorzunehmen.
Achten Sie auf Ihre Informationen
Und hier sollten grundsätzliche Überlegungen anfangen, ob die Nutzer das wollen oder nicht. Insbesondere bei Kindern sollten die Eltern darauf achten, dass diese nicht „zu viele“ Informationen preisgeben oder „problematische Bilder“ einstellen.
Erwachsene selbst sind gut beraten, dass sie nur veröffentlichen, was sie auch vertreten können. Privatpersonen sind gut beraten, wenn sie Kontaktdaten nicht zugänglich machen – auch nicht Freunden. Die haben in aller Regel email, Adresse und Telefonnummer. Wenn nicht, können diese Daten per email schnell nachgefragt werden. Dann weiß man aber, wer sich dafür interessiert und stellt sie nicht einfach so „öffentlich“.
Klick-klick-klich: Abgeschaltet
Wer die Funktion abschalten will gelangt über „Konto-Privatsphären-Einstellungen“ zum Menü und wählt hier (etwa in der Mitte des Bildschirms) „Benutzerdefinierte Einstellungen“. Im weiten Teil des Folgemenüs sehen Sie „Dinge, die andere Personen teilen“ und dort die Option „Freunden Fotos von mir vorschlagen“. Wählen Sie hier „Einstellungen“ und sperren Sie die Funktion.

Mit ein paar Klicks ist die Gesichtererkennung gesperrt. Quelle: Facebook
Ansonsten sollten Sie lieber auf Termine achten, die von der Presse fotografiert werden. Denn die in der Zeitung oder im Fernsehen veröffentlichten Fotos sind nicht nur für „Freunde“ sichtbar, sondern je nach Auflage und Reichweite für hunderttausende oder Millionen von Menschen.
Hier haben Sie aber keine „Sperrfunktion“ und keinerlei Kontrolle. Über diese Gefahren berichten die Zeitungen und Fernsehstationen aber nicht.
Stellen Sie sich vor: Sie werden mit ihrer Liebschaft fotografiert – als Teil einer Gruppe, was presserechtlich erlaubt ist, für Sie aber im Zweifel für viel Ärger sorgt. Oder Sie sitzen mit dem nächten Chef von der Konkurrenz an einem Tisch, um über einen Arbeitswechsel zu sprechen. Oder Sie sind krank gemeldet, gehen für einen „Kuchen“ auf ein Fest, ihr Chef erkennt sie und feuert sie. Das sind Gefahren, die tatsächlich existieren.
Im Gegensatz zu Zeitungsberichten über die Facebook-Gesichtererkennung haben wir damit die Fragen beantwortet: Welche Ängste? Bei wem? Vor was? Warum?
Der Teufel Facebook
Aus Sicht von Zeitungsverlagen ist die Aufmerksamkeitsmaschine Facebook des Teufels – je mehr Zeit Menschen hier verbringen und sich nicht nur unterhalten, sondern auch informieren (lassen), umso weniger brauchen sie die Zeitung. Allein aus diesem Grund müssen Facebook und andere Dienste „schlecht geredet“ werden. Sie glauben nicht, dass die Zeitungensmacher so denken? Dann suchen Sie mal in nächster Zeit Artikel, die beschreiben, was an Facebook & Co. toll und nützlich ist und warum Sie sich unbedingt mit Facebook beschäftigen sollten. Sie werden solche Artikel nicht finden.
Übrigens: Ich habe die Funktion abgeschaltet. Nicht aus Angst. Sondern aus Prinzip. Ich schalte prinzipiell alle Funktionen ab, die ich nicht brauche oder über die ich noch keine rechte Meinung habe. Und ich gebe nur die Informationen frei, die ich freigeben will. Im Zweifel schalte ich die Freigabe ab.
Das ist wie Autofahren – auch hier sollte man die grundsätzlichen Funktionen kennen und bedienen können. Sonst lässt man das Auto lieber stehen.
Chaos-Berichterstattung: Verschmolzene Nachrichten
Guten Tag!
Rhein-Neckar/Japan/Welt, 13. März 2011. (red) Die Erdbeben-Katastrophe hat zuerst Japan erschüttert und enorme Zerstörungen angerichtet. Auf die Naturkatastrophe folgt die technische Katastrophe. Weitere, weltweite „Erschütterungen“ werden folgen. Politische und wirtschaftliche, eventuell auch gesundheitliche. Währenddessen ist die Berichterstattung über die Katastrophe ein Teil davon.
Von Hardy Prothmann
Die erste Meldung, die ich zur Erdbeben-Katastrophe in Japan wahr genommen habe, sprach von einem starken Beben und mehreren Dutzend Toten.

Ein "Retter" hält einen Jungen", trägt ihn aus der Zone der chaotischen Störung. Der Jung scheint unverletzt, die Kleidung ist sauber, er hat beide Schuhe an, gibt keinen Laut von sich. Ist das glaubhaft, wenn man die Zerstörung im Hintergrund sieht? Oder ist das eine "gestellte" Aufnahme? Die ARD stellt die Frage nicht, sondern zeigt die Bilder und bestätigt damit deren "Echtheit". Quelle: ARD
Jede Hoffnung auf einen „glimpflichen Ausgang“ der Trägodie habe ich mittlerweile aufgegeben.
Denn ein paar Stunden später sind es schon hundert oder zweihundert Tote und ein „enorm schwereres“ Beben.
Einen Tag später ist es das „schwerste, je gemessene“ Beben, dass die japanische Insel seit Beginn der Aufzeichnungen erschüttert hat und es sind „vermutlich“ über 1.000 Tote.
Wiederum Stunden später sind es „möglicherweise“ mehr als 10.000 Tote – die Küstenstadt Minamisanriku sei „völlig zerstört“.
Seit das Beben der Stärke 8,8 auf der Richter-Skala am 11. März 2011 um 06:45 Uhr unserer Zeit das weit entfernte Japan erschüttert hat, sind noch nicht einmal zwei Tage vergangen.
Die Energie der Katastrophe wird immer unfassbarer.
Und die Nachrichten verdichten sich, schmelzen zusammen. Die Energie der Zerstörung wird immer deutlicher, wenn auch immer noch unfassbar.
Das auslösende große Beben ist vorbei, Nachbeben erschüttern das Land.
Und die fürchterlichste Katastrophe läuft langsam, aber „sicher“ ab. In Block 1 des Kernkraftwerks Fukushima I droht eine „Kernschmelze“.
Die Kettenreaktion der Nachrichtenschleife wiederholt sich.
Auch andere Reaktoren sollen „Probleme“ haben – die Nachrichtenschleife beginnt von vorne.
Erst heißt es, es drohe keine Gefahr. Dann, es gäbe größere Schäden, aber alles sei aber unter Kontrolle. Dann werden Schwierigkeiten gemeldet – die sind natürlich „unvermutet“.
Alles, was nach „echten Schwierigkeiten“ klingen könnte, wir dementiert.
Alle Nachrichten sind unsicher. Dann wird bestätigt, dass Fukushima „möglicherweise außer Kontrolle“ sei. Dann explodiert was. Was genau, kann niemand ganz genau sagen. Aber die Bevölkerung wird zur „Ruhe“ aufgefordert.

"Kontrolleure" winken Personen durch. Ist das glaubwürdig, wenn einer nach dem anderen "durchgewunken" wird? Quelle: Spiegel online
Dann wird eine Sicherheitszone von zehn Kilometern eingerichtet, später auf 20 Kilometer erweitert.
Dann verdichten sich die Nachrichten, dass eine Kernschmelze bevorstehe oder bereits begonnen habe.
Dann gibt es Meldungen, dass Menschen „in Sicherheit“ gebracht, also vermutlich evakuiert würden.
200.000 Menschen in Sicherheit?
Dann sind es „vermutlich“ 100.000, dann 110.000 und gegen Mitternacht meldet Spiegel Online: „Japan bringt 200.000 Menschen in Sicherheit.“
Das mag man so gerne glauben: Sicherheit für die Menschen in den betroffenen Gebieten.
Überall laufen Videobilder: Menschen werden auf „radioktive Konterminierung“ geprüft und dürfen weggehen, Helfer holen Kinder, Alte und Verletzte aus den feuchten Müllwüsten, die der Tsunami hinterlassen hat.
Auffanglager werden gezeigt und statt „Durchhalteparolen“ dürfen interviewte Personen sagen, dass sie Angst haben, aber hoffen und es keinen Ausweg gibt.
Tatsache ist:
Seit um 06:45 Uhr unserer Zeit ein gigantisches Erdbeben Japan erschütterte, wird zunächst Japan von einer unglaublichen Katastrophe heimgesucht.
Das Erbeben hat enorme, noch nicht bezifferbare Schäden ausgelöst.
Auf das Erdbeben folgt ein Tsunami mit einer unglaublich zerstörerischen Energie. Aus der sichereren Hubschrauberperspektive aufgenommene Bilder belegen eine natürliche Zerstörungsgewalt, die bar jeder „Ideologie“ ist, sondern nur physikalischen Gesetzen folgt. Es gibt kein „gut“ oder „schlecht“, sondern nur hohe Wellen mit einem gigantischen Druck, die alles mitreißen.
Auf die Naturkatastrophe folgt die technische Katastrophe. Die Infrastruktur des Landes ist beschädigt. Die Kühlsysteme von einigen Atomkraftwerken sind angegriffen und versagen.
Die Medien transportieren lange vor der möglichweise stattfindenden Kernschmelze Meldungen aus allen Richtungen, die alle nicht „sicher“ sind.
Die Hoffnung ist zu spüren – die Meldungen entwickeln sich schlecht.
Oft ist den Meldungen die Hoffnung anzumerken, dass die Katastrophe nach der Katastrophe ausbleibt.
Aber die Meldungen entwickeln sich schlecht und es wird immer klarer, dass der Tsunami die schlimmste Naturkatastrophe in der „aufgezeichneten“ Geschichte Japans ist, aber die sich ankündigende technische Katastrophe noch „schlimmer“ sein könnte.
Um das Kernkraftwerk Fukushima wird eine „Sicherheitszone“ eingerichtet, erst zehn Kilometer, dann zwanzig Kilometer.

Ob ARD, ZDF, Spiegel oder andere Nachrichten"quellen" - überall diesselben Bilder derselben Turnhalle, die als Beleg dafür herhalten muss, dass hunderttausende von Menschen evakutiert werden. Quelle: Spiegel online
Angeblich werden 200.000 Menschen „in Sicherheit“ gebracht. Innerhalb von Stunden – wie das „logistisch“ in einem Land möglich ist, dessen Infrastruktur empflindlich gestört wurde, berichtet kein Medium. Ebensowenig, wie man mal eben innerhalb von Stunden eine Logistik aufbaut, um 200.000 Menschen „aufzufangen“.
Die Medien berichten trotzdem weiter. Meldung um Meldung kommt in die Redaktionen, wird dort „bearbeitet“ und verlässt sie wieder – dann und dann sind die Nachrichten auf Sendung, dann und dann müssen Zeitungen gedruckt werden. Immer braucht es die „neueste“ Nachricht, die „letzte Meldung“.
Doch die Zeitverschiebung verstärkt das Chaos – Europa ist acht Stunden „hinter“ Japan. Wer sich am Nachmittag oder Abend informieren will, gekommt keine neuen Nachrichten, denn es ist dann Nacht in Japan.
Nachrichten ohne Halbwertzeit.
Und niemals sagt jemand: „Stop – nichts, von dem, was wir berichten, kann irgendjemand überprüfen. Solange das nicht „gecheckt“ ist, gehe ich damit nicht auf Sendung.“ Oder: „Sie sehen hier Bilder, die wir gekauft haben. Über die Zuverlässigkeit können wir Ihnen keine Auskunft geben, weil wir nicht vor Ort waren.“
Es gibt keine Halbzeitpause und schon gar keine Halbwertzeit für Nachrichten.
Nach und nach „verdichten“ sich aber die Nachrichten und es wird immer „klarer“, dass alles, was noch Stunden zuvor gemeldet worden ist, keine Gültigkeit mehr hat.
Aus Sicht der Medien, vor allem der Hörfunk- und Fernsehsender, ist das egal. Je mehr Dramatik, umso besser – damit kann man den „Flow“, also die Nachrichtenkette wunderbar weiterführen.
Voranschreitendes Unglück für Tageszeitungen.
Für die Tageszeitungen, vor allem die lokalen, ist ein solch dramatisch voranschreitendes Unglück aber eine andauernd zeitversetzte Katastrophe. Was in der Zeitung als Nachricht steht, ist schon längst „verglüht“ und stimmt aktuell nicht mehr.
Gerade die Lokalzeitungen sind „doppelt getroffen“ – einerseits von dem unglaublichen Ereignis und seiner Geschwindigkeit und andererseits, weil sie keine eigenen Leute vor Ort haben. Korrespondenten leistet sich so gut wie keine Monopolzeitung mehr.
Sie können nur abschreiben, was „die Agenturen“ berichten. Und das nur bis zum Druck des Blattes – jede Korrektur in den Stunden danach findet in der Lokalzeitung nicht mehr statt.
Kollektiver Gau aller „Nachrichtenredaktionen“.
Was es bedeutet, mal eben innerhalb von „Stunden“ 200.000 Menschen dauerhaft zu evakuieren, fragt keiner. Die sind „in Sicherheit gebracht“ und „schlucken Jod-Tabletten“, damit sich kein radioaktives Jog in deren Schilddrüse einlagert.
Die Bilder, wo diese „200.000 Menschen“ untergebracht sind, fehlen. Die Frage, wie man das mal eben so innerhalb eines Tages organisiert, auch.
Über Großveranstaltungen im Heimatland wie Rock-Konzerte wird hingegen über Monate im voraus berichtet, über die Herausforderungen für den Verkehr, die Polizei, die Rettungskräfte, die Veranstalter und die zu erwartende Show – und das bei funktionierender Infrastruktur.
Sehnsucht nach Halt im Chaos, während die Kerne schmelzen.
Darum geht es aber gerade nicht. Es geht um die Sehnsucht, dass irgendjemand weiß, was er tut. Es geht um einen „Halt“ im Tsunami der sich überschlagenden Nachrichten.
Im Internet und dann auch im Fernsehen werden eine „Turnhalle“ und ein „Zeltunterstand“ mit Bildern von „Kontrolleuren“ in vermeintlichen Maler-Papieranzügen gezeigt, mit der Bildaussage, das „alles unter Kontrolle“ ist.
Nachrichten im Sog der Kernschmelze.
Spätestens dann wird klar, dass eine journalistische Kernschmelze begonnen hat und nichts mehr „unter Kontrolle“ ist. Dass nur noch in Konkurrenz zu anderen um „die besten Bilder“ ein Theater veranstaltet wird, das seinesgleichen sucht.
Ich gehe davon aus, dass die „Nachrichten“ der kommenden Tage eine Katastrophe zeigen, die noch „unglaublicher als unglaublich“ sein wird.
Die Informationen werden erschütternd sein – für Weltbilder, für die Wirtschaft, für die Politik, für den Glauben an die „Zukunft“ – zumindest in Japan, aber vermutlich in der ganzen Welt.
Über die Folgen hat noch niemand berichtet – sie werden ebenfalls „unglaublich“ sein.
Bis man sie glauben muss.
Gebenzte Berichterstattung – wie der MM seine Leser täuscht
Guten Tag!
Mannheim, 31. Januar 2011. Die seit Tagen andauernde Berichterstattung des Mannheimer Morgens (MM) in Sachen „Benz“ hat gute Gründe. Erstens gibt es viel Werbung und zweitens versucht die Zeitung verzweifelt, sich als lokalpatriotische Stimme aufzuspielen. Ein ernstzunehmender Journalismus bleibt dabei auf der Strecke.
Von Hardy Prothmann
„Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer“, zitiert der MM-Redakteur Martin Tangl den Sänger Xavier Naidoo. Das gilt auch für diesen Artikel, Martin Tangl, Xavier Naidoo und den SWR. Und auch für die Leserinnen und Leser und Zuschauer des SWR.
Bunte Geschichten
Ich kenne den MM-Redakteur Martin Tangl noch aus meiner Zeit als Student und Freier Mitarbeiter beim Mannheimer Morgen (1991-1994). Er hat sich gerne als erfahrener Journalist dargestellt, aber irgendwie hat er mich schon damals nicht besonders beeindruckt.
Das dauert bis heute an, denn Martin Tangl hat ein „buntes Stück“ geschrieben, in dem es sehr „bunt“ zugeht. Vor allem mit den Fakten, dem Können und der journalistischen Haltung.
Beispielsweise zur Person „Xavier Naidoo“. Der sei ein „leidenschaftlicher Autofahrer“, schreibt Tangl und dass „Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer“, auch den Autoerfinder Carl Benz meinen könnte.
Denn Herr Tangl berichtet über einen Film im SWR-Fernsehen, der heute Abend um 18:15 Uhr in der „Landesschau unterwegs“ läuft: „Unser Benz! Der Autoerfinder bewegt die Kurpfalz.“ Autor: Eberhard Reuß.
Pop-Berichterstattung
Wieso Herr Reuß auf die Idee gekommen ist, einen notorischen Schnellfahrer, der über lange Jahre den Führerschein wegen wiederholter Vergehen abgenommen bekommen hat und wegen Fahrens ohne Führerschein und Drogenbesitz vor dem Richter gestanden hat, ist klar.

Benz-Titelseite vom MM. Quelle: MM
Herr Reuß wollte den Film „aufpeppen“ oder auch „aufpoppen“. Mit dem „zur Zeit wohl bekanntesten Sohn Mannheims“. Und der ist halt ein „leidenschaftlicher Autofahrer“. Diese Verbindung reicht heute im SWR-Fernsehen, um einen Zusammenhang herzustellen.
Herr Reuß lässt Herrn Naidoo dann mehrmals „Mercedes Benz“ der Rock-Star-Legende Janis Joplin (1943-1970) singen, die auf der Überholspur des Lebens mit 27 Jahren an einer Überdosis Heroin gestorben ist. Drei Tage, bevor der Song „Mercedes Benz“ veröffentlicht wurde: „Oh Lord, won-€™t you buy me a Mercedes Benz?“ – „Oh Gott, willst Du mir keinen Mercedes Benz kaufen?“ Die Zeile geht weiter: „My friends all drive Porsches, I must make amends“ – „Meine Freude fahren alle Porsche und ich muss aufholen.“
Der Joplin-Song ist eine massive Kulturkritik am Prestigedenken – dem Gegenteil also, was man mit einem „Mercedes Benz“ oder Porsche oder auch „Farbfernsehen“ verbindet, das damals noch ein Luxus war („So oh lord won’t you buy me a color TV“). Für den SWR ist das nicht wichtig. Schließlich hat Joplin „Mercedes Benz“ gesungen und Herr Naidoo lässt sich dazu auch animieren. Und ist man nicht auch „color TV“? Also Luxus? Passt also.
„Eine wunderbare Erfindung von Benz, dafür danke ich ihm“, sagt der Pop-Star nicht nur einmal im SWR-Film. Da Naidoo sonst gerne über „Gott“ singt, und das sehr dankbar, gibt es da sicher aus Sicht von Herrn Reuß wieder irgendeine Verbindung.
Propaganda-Rolle
Bei der Premiere des Films am 28. Januar 2011 im Ladenburger Carl-Benz-Museum war Herr Preuß jedenfalls mächtig stolz. Das konnte man nicht übersehen.
Der Film funktioniert wie eine Propaganda-Rolle. Carl heißt nicht Karl Benz, ist der Erfinder des Autos und nicht „der Daimler“, die Kurpfalz ist den Schwaben voraus und ein „Youngtimer-Sammler“ hat viele Kinder und ein Hobby: Mercedes Benz. Der Clou – er arbeitet für Porsche. Dazu gibt es hübsche Bilder und Werbespots von „Benz“ aus früheren Zeiten.
Verkauft wird das als „Dokumentation“.
Das muss sich einfach irgendwie alles zusammenfügen und dann wird die Urenkelin von Benz noch mehrfach ins Bild gesetzt und das Carl-Benz-Museum in Ladenburg und dessen Kopf Winfried Seidel.
Der freut sich auch – dabei müsste ihm die Freude angesichts des laschen Filmchens im Kontrast zu seiner harten Museumsarbeit vergehen. Seidel leistet herausragende Arbeit und ist ein akribischer Mensch. Aber natürlich freut er sich über die Popularität. Das ist auch sein gutes Recht.
Zurück zu Martin Tangl. Den freut nicht die Popularität, sondern der muss eine bunte, schöne Geschichte schreiben und kommt zum Ende:
„Dass in Mannheim Omnibusse und Lkw-Motoren produziert werden, hätte Carl Benz gefallen, wie Jutta Benz erzählt: „Er hat sein Augenmerk aufs Transportwesen gerichtet, Carl Benz wollte Lieferwagen bauen.“ Und bei der Geschwindigkeit seien dem Ur-Großvater 50 km/h genug gewesen. Ob das allerdings Xavier Naidoo gefallen hätte? Berichtet er doch, dass ihm einmal wegen zu schnellen Fahrens der Führerschein abgenommen wurde.“
Die Lüge
Diese unkritische Übernahme der Filmbotschaft wird als Lüge in der Zeitung fortgesetzt: „Berichtet er doch, dass ihm einmal wegen zu schnellen Fahrens der Führerschein abgenommen wurde.“

Naidoo - Leidenschaft Auto - Hauptsache, alles bunt. Quelle: MM
Herr Tangl stellte sich vor 20 Jahren schon gerne als „erfahrener Journalist“ dar und sollte die Zeit genutzt haben, um „Erfahrungen“ zu sammeln. Eine ist: „Schau ins Archiv, um mindestens zu wissen, was schon berichtet worden ist.“
Am 16. Mai 2009 berichtet der Mannheimer Morgen:
„Naidoo übersteht einen jahrelangen Rechtsstreit mit Pelham, einen dramatischen Drogenprozess und jede Menge Führerschein-Schlagzeilen. Erst der absolute Höhepunkt seiner Popularität, als „Dieser Weg“ zur Hymne des Fußball-Sommermärchens 2006 wird, bringt die Schattenseiten des Ruhms ans Licht: Genervt zieht sich der glühende Lokalpatriot aus der Öffentlichkeit und teilweise auch aus Mannheim zurück.“
Am 02. Juni 2007 berichtet der Mannheimer Morgen:
„Die Amtsanwaltschaft Frankfurt bestätigte gestern, dass gegen den Sänger ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. Ihm wird vorgeworfen, einen angemieteten Porsche Cayenne an einen Freund weitergegeben zu haben, der selbst keinen Führerschein besaß. Der Mann war im März 2006 in München von der Polizei erwischt worden. Naidoo hätte sich als Halter des Wagens vom Vorhandensein einer Fahrerlaubnis überzeugen müssen, so der Vorwurf. Nun drohe ihm eine Geldstrafe oder bis zu ein Jahr Haft.“
Am 15. August 2006 titelt der Mannheimer Morgen:
„Xavier Naidoos Führerschein liegt bei den Akten
Zwei Monate Fahrverbot wegen Geschwindigkeitsüberschreitung / Gibt es eine „Lex Popstar“?“
Am 27. Juli 2006 schreibt der Mannheimer Morgen:
„Popstar Xavier Naidoo (34) soll beim Drängeln auf der Autobahn in eine Radarfalle gerast sein. Nun könnte ihm ein erneuter Führerscheinentzug drohen. Der Mannheimer sei mit seinem Porsche auf der A 5 in Richtung Karlsruhe zu dicht aufgefahren, bestätigte die Mannheimer Anwaltskanzlei Naidoos gestern entsprechende Medienberichte.“
Bis zum Jahr 2000 lassen sich ausweichlich des Archivs keine Berichte finden, aber im November 2000 schreibt der MM:
„Dass er im Dezember 1999 mit einem Porsche 944 der Mannheimer Polizei ins Netz gegangen war, hatte dem Autonarren schon eine Vorstrafe eingetragen: fünf Monate auf Bewährung. Seinen Führerschein hat Naidoo seit einer Alkoholfahrt im Jahr 1993 nicht mehr – obwohl er zwischenzeitlich eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung bestanden hat. „Warum haben Sie nicht einfach den Führerschein wieder gemacht?“, wunderte sich Offermann. „Keine Zeit“, ließ ihn der Angeklagte wissen.“ Angeblich sollte Naidoo bis zu 21 Monate Haft drohen, heißt es in dem Artikel.
Abhängige Berichterstattung
„Berichtet er doch, dass ihm einmal wegen zu schnellen Fahrens der Führerschein abgenommen wurde“, übernimmt Martin Tangl die Informationen aus dem SWR-Film. Ohne kritische Prüfung, ohne Recherche, ohne journalistische Verantwortung.
Das ist auch wenig erstaunlich. Die „Benz“-Feier beim Mannheimer Morgen ist durch viel Werbung begleitet. Da weiß die Redaktion, wo das Geld herkommt und was sie zu tun hat.
Gemeinhin nennt man das „Hofberichterstattung“. „Man beißt die Hand nicht, die eine füttert“, sagen andere.
Herr Martin Tangl muss sich als verantwortlicher Redakteur des Mannheimer Morgens fragen lassen, ob er und seine „unabhängige Zeitung“ mittlerweile auf das Niveau von miserablen Anzeigenblättern abgestiegen sind.
Dabei geht es nicht um eine „Archiv-Schau“ oder darum, Herrn Naidoo seine Verfehlungen ewig nachzutragen. Der Pop-Star hat einen „harten Weg hinter sich“, seit ein paar Jahren scheint er „sauber“ zu sein und auch ein Künstler hat ein Recht auf Privatleben. Dann lässt man das aber auch privat.
Wenn Herr Naidoo aber die Öffentlichkeit sucht und das in einem „Umfeld“, mit dem er über lange Jahre „große Schwierigkeiten“ hatte, muss die Öffentlichkeit auch im Kern über „wesentliche Informationen“ informiert werden.
Das unterlässt Herr Tangl. Garantiert gegen besseres Wissen. Und wenn ers nicht besser wüsste, sollte er den Job sofort aufgeben.
Der SWR-Film bedient das Publikum, das auch zur Premiere erschienen ist. Überwiegend etwas gesetzter. Man findet den Film „schää“, trinkt einen Prosecco, „der ist umsonst“ und knabbbert Brezeln, die als „B“ für „Benz“ gebacken sind. Nachdenken muss man beim „Benz-Film“ nicht.
Sondern bei der „Premiere“ dabei sein, so, als sei das ein wirklich wichtiges Ereignis.
So ist das Fernsehen leider oft.
Nachdenklich muss man allerdings werden, wenn der „Lokalpatriot“, als der sich der Mannheimer Morgen darstellen will, frei von Recherche und Fakten eine Geschichte wider besseren Wissens „nacherzählt“ und dabei journalistisch versagt.
Denn wenn man nachdenkt, wird man wissen, dass sowohl der Film als auch viele der Berichte dazu, nicht wirklich informieren, sondern nur gefallen und verklären wollen.
Werbung will gefallen. Das ist ihr Recht und nicht zu beanstanden.
Journalismus hat eine andere Aufgabe. Und das Versagen von Herrn Preuß und Herrn Tangl ist sehr wohl zu beanstanden.
Denn sie werden dem, was sie vorgeben, in keinster Weise gerecht: Unabhängig, faktentreu und zutreffend zu berichten.
Ist der Wille zum Erfolg alles, was zählt?
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Guten Tag!
Hirschberg, 18. Januar 2010. Gabi hat mitgefiebert, gezittert, gehofft und irgendwann war sie sauer: Denn „Kampfpilot“-Torsten entpuppte sich nicht als Held, sondern als eine Ente. Er hatte dem Siegeswillen eines Stefan Raab nichts entgegenzusetzen. Gabi ist kein Fan von Stefan Raab, findet die Sendung aber trotzdem spannend. Warum? Irgendwie ist das, was Stefan Raab, zeigt eine Mischung aus Prinz Eisenherz und Aschenputtel – meint Gabi.

Dritter "Schlag den Raab"-Sieg in Folge für Stefan Raab. Der ProSieben-Entertainer lässt seinem Herausforderer Torsten, einem Tornado-Pilot aus Kaisersesch bei Cochem, keine Chance. Selbst winterliches Schneegestöber über Köln kann Raab nicht stoppen. 21,7 Prozent der 14- bis 49-jährigen Zuschauer sehen den Triumph des ProSieben-Schneekönigs. Insgesamt 3,77 Millionen Zuschauer schauen "Schlag den Raab". Bild: Prosieben/Willi Weber
Zur besten Sendezeit am Samstagabend versammelten sich meine Familie und ich vor dem Fernsehen. So wie die über dreieinhalb Millionen anderen Zuschauer. Endlich wollten wir sehen, dass Stefan Raab geschlagen wird und der oder die Kandidat(in) die 1,5 Millionen Euro mit nach Hause nehmen kann.
Bei der Kandidatenvorstellung waren wir uns schnell einig, der Tornado-Pilot war der richtige Mann, um Raab zu zeigen, wo der Hammer hängt – meine Tochter schickte sogar eine sms für „Torsten“ (naja, sie wollte das Handy gewinnen – die Autos hätte sie uns geschenkt). Und anscheinend waren sich da auch die restlichen Zuschauer einig. Mit großer Mehrheit wurde der 31-jährige, künftige Familienvater ausgesucht, gegen den nahezu Unbezwingbaren anzutreten.
Im ersten Spiel zeigte er mit Bravour seinen Gleichgewichtssinn. Top-Mann. Ingenieur, konzentriert, Reflexe, Nerven, austrainiert – ein Kampfpilot halt. Kleines Spiel, ein Punkt, souverän gemacht.
Wir waren überzeugt, den richtigen Mann auserkoren zu haben. Doch das Blatt wendete sich schnell und Spiel um Spiel wurde unsere Zuversicht und die Haltung des Kandidaten kleiner.
Raab ist ein „Tier“.
Raab zeigte sich wieder als „Tier“, ob beim Medizinball werfen, beim Eishockey, Langlauf oder Squash in den sportlichen Disziplinen. Der Herausforderer hatte keine echte Chance. Oder doch nicht? Er suchte sie nicht.
Ob Geschicklichkeit, Taktik oder „im die Nerven behalten“ oder „Einsatz zeigen“, Raab hatte gegenüber dem Kampfpiloten eindeutig die Nase vorn. Als im Matchspiel der Pilot beim „Länderumrisse erkennen“ keinen einzigen Punkt für sich machen konnte, war uns klar, das war der falsche Kandidat.
Torsten war kein „Top Gun-Fighter“, sondern eine lahme Ente.
„Schlag den Raab“ erinnert mich an römische Gladiatorenkämpfe, der Unbezwingbare wird in die Arena geschickt und einer nach dem anderen scheitert. Aber woran? An einem Herkules? Überhaupt nicht.
Stefan Raab eignet sich so gar nicht zum Helden für eine Frau. Er ist weder hübsch, noch charmant, noch hat er eine freundliche Ausstrahlung. Er wirkt nicht wie ein Superhirn und seine Figur ist alles andere als gestählt. Stefan Raab ist der Gegenentwurf eines Helden – aber er ist sein eigener. Er überzeugt einfach mit seinem unglaublichen Willen. Er gibt nicht auf und damit ist er die reale Antwort auf die Märchenfigur des Prinz Eisenherz.
Er ist aber auch so etwas wie Aschenputtel. Alles an ihm wirkt nicht gewinnend. Er scheint chancenlos. Doch das Schicksal meint es gut mit ihm.
Raab gewinnt, weil er das will.
Das Schicksal? Das Märchen wird von der Realität überholt. Raab gewinnt, weil er das will.
Er hat die Nerven und er macht dann noch weiter, wenn schon alle anderen aufgeben. Es war nicht der Kandidat, der eigentlich 1,5 Millionen nach Hause tragen wollte, der japsend im Spielfeld lag und nach „Wasser“ rief oder mit Körpereinsatz über die Eisfläche flog. Es war Stefan Raab.
Während der Pilot nach jedem Spiel kleiner und gedrückter wurde, trug jede Niederlage bei Raab dazu bei, noch mehr Einsatz, noch mehr Willen in das Spiel zu legen. Das ist imponierend. Auch wenn mein Traum vom edlen, gut aussehenden, warmherzigen, kühnen, tapferen, fürsorglichen Prinzen reichlich strapaziert wurde.
Wir waren enttäuscht und frustriert, hatten wir uns alle täuschen lassen und beim „Tornado-Pilot“ an Tom Cruise und seine Rolle in „Top Gun“ gedacht. Vielleicht wären der Sportstudent, der Jongleur oder aber die Psychologin, die angeblich das mentale Geheimnis von Stefan Raab durchschaut hatte, die besseren Gegner gewesen. Wir Frauen lieben ja Psycho-Sachen.
Nur wer gewinnen will, gewinnt auch.
Raab gehört, ungeachtet seines Äußeren, zu den Menschen, die ausstrahlen: Ich bin ein Gewinner. Ist das der Schlüssel zu seinem Erfolg?
Ich glaube ja. Wir kennen sie, diese Beispiele aus den Medien, das „Bobele“ (Boris Becker) aus Leimen im Center-Court. Der war so sexy wie sein „Äh“. Aber erfolgreich und in seiner besten Zeit spielte er nie das beste Tennis, aber seine Spiele waren spannend und er war oft erfolgreich.
Michael Schumacher ist als Mann so spannend für Frauen wie technische Details über seinen Boliden. Auf der Rennstrecke war er eine Rakete. Der schnellste, erfolgreichste Rennfahrer aller Zeiten (ich hoffe mal, das stimmt). Ausgegangen wäre ich mit dem nie.
Oder der Altkanzler Gerhard Schröder. Der hat an den Toren des Bundeskanzleramtes gerüttelt und gerufen: „Ich will hier rein.“ Der war kein wirklich hübscher. Aber er hatte was. Wenn auch nicht im Ansatz etwas davon, was Willi Brandt ausmachte.
Sie alle hatten ihren Willen. Den Willen zum Erfolg. Das ist es, was zählt.
Irgendwann hat sie aber auch alle der Erfolg verlassen, es ist nur eine Frage der Zeit.
Das einzige, was mehr zählt als aller Erfolg und alle Zeit, das ist: die Liebe.
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