Montag, 12. September 2022

Stadtwerke Viernheim erhalten Zuschlag für das Hirschberger Stromnetz

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Hirschberg, 21. Juli 2011. (red) Der Gemeinderat in Hirschberg gab den Stadtwerken Viernheim bei der Vergabe des Stromkonzessionsvertrags den Vorzug vor dem Großkonzern EnBW Regional AG. Vor allem die „Flexibilität und innovative Möglichkeiten“ überzeugten einen Großteil der Ratsmitglieder. Ein Antrag der Freien Wähler zur Sitzungsvertagung wurde abgelehnt.

Von Sabine Prothmann

Zwischen der Gemeinde Hirschberg und der Badenwerk AG (jetzt EnBW Regional AG) bestand in den vergangenen 20 Jahren ein Stromkonzessionsvertrag, der zum 21. März 2012 ausläuft.

Die Stadtwerke Viernheim werden künftig das Netz in Hirschberg betreiben. Bild: wikipedia/Magnus Manske

Seit Ende vergangenen Jahres beschäftigt sich der Hirschberger Gemeinderat mit der Vergabe an einen neuen Partner.

„Wir wollen wieder einen Vertrag für die Dauer von 20 Jahren schließen“, unterstrich der Bürgermeister. Der Hintergrund: Die Firmen wollen über eine lange Zeit eine „Investitionsicherheit haben. Wenn sie in die Netze investieren, soll auch die Nutzung garantiert sein.

Gleich fünf Stromkonzerne hatten sich um die Stromkonzession beworben, man sieht, „der Markt in Hirschberg ist besonders umkämpft“, so Just. Tatsächlich laufen in vielen Gemeinden die Konzessionen aus und überall gibt es meist mehrere Bewerber – aber tatsächlich sind fünf Gebote eine Ausnahme.

In einer nicht-öffentlichen Sitzung hatte sich der Gemeinderat im Februar 2011 grundsätzlich für das (Beteiligungs-)Modell einer gemeinsamen Netzverpachtungsgesellschaft entschieden. Anhand eines Katalogs von Vergabekriterien wurden letztendlich zwei Anbieter, die Stadtwerke Viernheim und die EnBW Regional AG, in die engere Auswahl genommen.

Sofort, innerhalb der 20 Jahre oder auch nie …

Entscheidend für den Gemeinderat war, dass neben dem Konzessionsvertrag auch ein Konsortialvertrag abgeschlossen werden kann, der es der Gemeinde Hirschberg ermögliche, sofort, innerhalb der 20 Jahren oder auch nie einzusteigen. Die Einflussnahme auf den Vertragspartner war ein wichtiges Kriterium in der Vergabeauswahl, berichtete der Bürgermeister. Ob diese „Einflussnahme“ aber ausgeübt wird, sofort, in einigen Jahren oder nie, steht in den Sternen.

Während die EnBW Regional AG sicherlich wirtschaftlich optimale Leistungserbringung garantiere und sich in den vergangenen 20 Jahren immer als verlässlicher Partner gezeigt habe, sei sie als Großkonzern unflexibler und das Angebot der Viernheimer Stadtwerke habe durch seine Flexibilität und innovative Gestaltung die Hirschberger Verwaltung mehr überzeugen können, deshalb hoffte der Bürgermeister in der Beschlussfindung des Gemeinderats auf ein positives Ergebnis für den möglichen Partner aus Hessen zu gewinnen.

Dies sei keine Entscheidung als Abwahl, sondern zugunsten eines „sensationellen Angebots“: „Uns wurde ein Angebot zur Mehrheitsbeteiligung mit einem geringen finanziellen Einsatz vorgelegt“, so Just.

Antrag auf Sitzungsvertagung

Seit gestern (Montag) liege dem Gemeinderat ein erweitertes Angebot der EnBW Regional AG vor, erklärte Gemeinderat Peter Johe (FW). Zwar sei dieses Angebot zu spät gekommen, aber um die beiden Angebote vergleichend bewerten zu können, beantrage seine Fraktion eine Sitzungsvertagung.

Beide Anbieter hätten als Abgabetermin, Montag, den 11. Juli bzw. spätestens Mittwoch, 13. Juli, gekannt, deshalb habe man das ergänzende Angebot der EnBW Regional AG nur unter Vorbehalt einer rechtlichen Prüfung angenommen, entgegnete der Bürgermeister.

„Der Gemeinderat könnte sagen, wir hatten nicht genug Zeit zur Prüfung.“ Zudem müsse man dann auch den Stadtwerken die Chance für eine Nachbesserung geben. „Wann zieht man den Schlussstrich?“, fragte Just. „Wir hatten objektive Kriterien“ und es bleibe bei der Fristsetzung.

Der Antrag der Freien Wähler zur Sitzungsvertagung, wurde bei einer Enthaltung von Alexander May (FW) und Gegenstimmen der SPD, der FDP und der GLH abgelehnt.

Auf Seiten der Viernheimer Stadtwerke überzeuge die „innovative Vertragsgestaltung“ und auf Seiten der EnBW Regional AG das bewährte Großunternehmen. „Man kann nicht sagen, das ist besser, das ist schlechter“, sagte Matthias Dallinger (CDU).

Es sei gelungen, das Ansinnen der Gemeinde zu realisieren, mehr Mitsprache und stärken Einfluss in der Netzwerkverpachtungsgesellschaft zu haben, so Dallinger.

„Weg vom Großunternehmen und hin zum kleinen“

Hirschberg sei in der glücklichen Lage, „beide Bewerber wollen intensiv investieren“, sagte Gemeinderat Oliver Reisig (FDP). Das letzte Entscheidungskriterium sei der maximale Einfluss als Gemeinde gewesen und da böten die Stadtwerke Vierheim die nachhaltigere Lösung. „Weg vom Großunternehmen und hin zum kleinen“, das stärke den Wettbewerb unterstrich der FDP-Politiker.

„Wir hatten klare Vergabekriterien und haben viele Stunden damit zugebracht“, erklärte auch Jürgen Steinle (GLH). Seine Fraktion sei froh, dass es sich nicht mehr um einen reinen Konzessionsvertrag handle, „vielleicht können wir irgendwann das Ortsnetz wieder übernehmen“.

„Wir werden ihrem Antrag nicht folgen“, sagte Johe (FW) und betonte, seine Fraktion bedauere die unschöne Entscheidungsfindung, einen Bewerber durch ein formales Kriterium auszugrenzen: „Das ist schwer zu vertreten.“ Es gehe den Freien Wählern um eine faire Entscheidung und nicht, weil man den einen für den besseren hielte.

Die Entscheidung sei an das Vergaberecht angelehnt, „wir haben formal alles richtig gemacht“, entgegnete der Bürgermeister.

Man wäre auch bei Berücksichtigung des nachgereichten Angebotes nicht zu einem anderen Ergebnis gekommen, sondern es wäre vielleicht nur noch knapper geworden, so Just.

„Wir haben das nachgereichte Angebot auch geprüft und sind zu dem selben Ergebnis gekommen wie die Verwaltung“, so auch Dr. Horst Metzler (SPD). Es sei wichtig, sich an die eigenen Spielregeln zu halten.

„Ein Elfmeterschießen sollten wir uns ersparen.“

Zwischen dem Konzessionsvertrag gäbe es kaum Unterschiede, aber die Zukunftsfähigkeit des Vertrags spreche eindeutig für das hessische Unternehmen. Der Vertrag enthalte innovative Elemente und die Gemeinde Hirschberg könnte zu jedem Zeitpunkt einsteigen, „den wir uns wünschen“. Bei Berücksichtung des nachgereichten Angebots würde das Ergebnis noch knapper ausfallen, aber ein „Elfmeterschießen sollten wir uns ersparen“, ergänzte Metzler.

Vier Freie Wähler sowie Matthias Dallinger (CDU) stimmten gegen den Antrag die Stromkonzession der Gemeinde Hirschberg an die Stadtwerke Viernheim bzw. die Netzwerkverpachtungsgesellschaft zu vergeben. Alexander May (FW), Jörg Boulanger (CDU), GLH, SPD, FDP und Bürgermeister dafür. Karin Kunz und Karl Schnell durften wegen Befangenheit nicht mit stimmen und Ferdinand Graf von Wiser fehlte (alle CDU) .

Einstimmig wurde beschlossen, dass die endgültige Formulierung der abzuschließenden Verträge (Konzessionsvertrag und ggf. Gesellschafts- und Konsortialvertrag) einer separaten Beschlussfassung des Gemeinderats vorbehalten wird. Ein wesentlicher Punkt soll sein, dass die Gemeinde auch ohne Beteiligung über die Aktivitäten des Netzbetriebs informiert wird.

Über Hardy Prothmann

Hardy Prothmann (50) ist seit 1991 freier Journalist und Chefredakteur von Rheinneckarblog.de. Er ist Gründungsmitglied von Netzwerk Recherche. Er schreibt am liebsten Porträts und Reportagen oder macht investigative Stücke.