Mittwoch, 08. Juni 2022

Bürgermeister Manuel Just im Interview zur geplanten Edeka-Erweiterung in Heddesheim

„Die Verkehrslenkungsverträge sind zu Lasten Dritter geschlossen worden“

Die Edeka soll um ein zentrales Getränkelager der Tochter "Kempf" erweitert werden. Quelle: Edeka

 

Hirschberg, 22. Juni 2012. (red) Zwischen den Gemeinden Hirschberg und Heddesheim knirscht es gewaltig. Bürgermeister Manuel Just übt deutliche Kritik an der Nachbargemeinde – grundsätzlich steht er Gewerbeentwicklungen positiv gegenüber, aber nicht, wenn seine Gemeinde darunter zu leiden hat. Ein eigenes Verkehrsgutachten soll prüfen, ob Hirschberg den schwarzen Peter zieht, wenn in Heddesheim mit der Pfenning-Ansiedlung nun auch noch die Edeka-Erweiterung kommen sollte. Die Möglichkeiten der Gemeinde Hirschberg sind begrenzt – mittlerweile ist es aber vorbei mit Höflichkeiten. Gemeinderat Werner Volk bezeichnete unlängst die Verkehrslenkungsverträge als „nahezu bösartig“. Grund genug, den Verwaltungschef nach seiner Sicht der Dinge zu fragen.

Interview: Hardy Prothmann

Mittlerweile sind alle Fraktionen im Gemeinderat gegen die Gewerbeentwicklungen in Heddesheim aufgebracht. Haben Sie und der Gemeinderat wirklich alles unternommen, um von der Gemeinde Schaden abzuwenden?

Manuel Just: Diese Frage muss erlaubt sein, ob wir gegebenenfalls im Wege der Normenkontrollklage hätten gegen Pfenning vorgehen müssen. Ich glaube, dass es zum einen im Hinblick auf eine gute Nachbarschaft nicht geboten war und zweitens auch im Sinne des Abwägungsprozesses – der auf Regionalplan- beziehungsweise der Flächennutzungsplanebene stattgefunden hat. Zudem gibt es eine Vielzahl von Privateigentümern oder privaten Personen, die auch gegen das Vorhaben Pfenning vorgehen. Kommende Woche ist Verhandlung am Verwaltungsgerichtshof. Das beobachten wir genau.

Die Mühe um eine gute Nachbarschaft auf eigene Kosten ehrt Sie – jetzt kommt aber Edeka mit einer großen Erweiterung dazu.

Bürgermeister ust bei der Eröffnung des "Sterzwinkel" - die Bewohner hier dürfen sich auf "Ausweichverkehr" gefasst machen.

Just: Bei Edeka muss abgewartet werden, wohin die Reise hingeht. Wir glauben einfach, dass wir – und so habe ich es ja auch in der Sitzung herausgestellt – inzwischen in einem, nennen wir es mal, Verfahrensstadium sind, das man so umschreiben kann: Heddesheim betreibt Wirtschaftsförderung in seinem Gewerbegebiet, was aber auch einen großen Flächenverbrauch verursacht. Das haben wir allerdings, meine ich, nur bedingt zu beurteilen. Nämlich nur dann, wenn es Auswirkungen auf den Flächennutzungsplan hat, die so bisher von uns noch nicht mitgetragen worden wären.

Die Verkehrsentwicklung ist negativ für unsere Gemeinde.

Das bedeutet?

Just: Das heißt, entwickelt sich Gewerbe aus dem Flächennutzungsplan heraus, dann kann ich nicht die ganzen Jahre sagen, es war in Ordnung und jetzt auf einmal den Finger heben und sagen es gefällt mir so nicht mehr. Die Wirtschaftsförderung, die Heddesheim in dem Ballungsgebiet betreibt ist erfreulich. Weniger erfreulich ist, dass damit nach unseren Befürchtungen eine Verkehrsentwicklung einhergeht, die in weiten Teilen negativ für unsere Gemarkungsfläche ist.

Erläutern Sie das bitte.

Just: Ich will es an einem Beispiel festgemacht, was passiert, wenn es zu einem Rückstau oder einer Vollsperrung auf der Autobahn kommt? Wenn Sie aus südlicher Richtung kommen, werden sie aller Voraussicht nach spätestens bei der Abfahrt Ladenburg – Schriesheim runter fahren. Durch Ladenburg können Sie mit dem Schwerlastverkehr nicht fahren, um das Gewerbegebiet in Heddesheim zu erreichen, weil es relativ kleinräumig ist und die LKW-Fahrer würden sich wahrscheinlich sehr, sehr schwer tun. Und – so mein Wissenstand – die Gemeinde Heddesheim dies auch über den Verkehrslenkungsvertrag weitestgehend ausgeschlossen hat. Es würde dann nur die Möglichkeit bleiben über Schriesheim und Leutershausen zu fahren. Schriesheim ist nicht wirklich betroffen, da der Ort eigentlich auf seiner Gemarkung nur gestreift wird, zumindest mal im Hinblick auf die Wohnbebauung. Also wäre Leutershausen betroffen und zwar egal ob sie dann die Kreisstraße der Heddesheimer Straße oder den wohl wahrscheinlicheren Weg des Autobahnzubringers wählen.

Mehr oder weniger das Gleiche passiert, wenn Sie aus Norden kommen.

Just: Wenn Sie aus Norden kommen ist es vielleicht so, dass Sie in Weinheim runter fahren, dann können sie nicht über Muckensturm, die Ringstraße über Heddesheim, fahren, um das Gewerbegebiet zu erreichen, sondern müssen zwangsläufig durch das sowieso schon schwierige Nadelöhr in Großsachsen durch und damit tangiert man wieder die Gemarkungsfläche von Hirschberg und das kann nicht sein. Es kann nicht sein, dass es gewerbliche Entwicklungen auf Gemarkungen anderer Nachbargemeinden gibt, die Vorteile für den einen bringen und nur Nachteile für den anderen. Wie wir gegebenenfalls in einem Verfahren dagegen vorgehen, kann ich heute noch nicht sagen.

Bitte nicht zu hoch!

Wann haben Sie von der Edeka-Erweiterung erfahren? Und was gedacht?

Just: Ein paar Wochen, bevor es offiziell geworden ist. Mein erster Gedanke war, dass es schwer werden wird.

Konkreter?

Just: Aus unserer Sicht kann man das nur umsetzen, wenn die vorhandene Verkehrsinfrastruktur auskömmlich ist. Das war mein erster Gedanke. Und der zweite Gedanke war, ich sag das jetzt mal ein bisschen flapsig: Bitte nicht zu hoch! Ich habe alle Interessen zu berücksichtigen, auch die derjenigen Hirschberger, die in den hochpreisigen Regionen in unserer Gemeinde wohnen und diesen schönen Blick in die Rheinebene genießen wollen – ein Blick auf den Schriftzug „Edeka“ gehört dazu definitiv nicht. Das ist zwar im Vergleich nur ein kleiner und nicht berücksichtigungsfähiger Teilaspekt – aber natürlich einer, der auch an mich herangetragen wird.

„Nahezu bösartig“

Noch einmal zum Verkehrslenkungsvertrag. Der Gemeinderat Werner Volk hat in der vergangenen ATU-Sitzung den Verkehrslenkungsvertrag als „nahezu bösartig“ bezeichnet. Das ist selbst für Herrn Volk außergewöhnlich scharf. Wie sehen Sie das?

Just: Also ich kenne ja die Inhalte des Verkehrslenkungsvertrags nicht zu 100 Prozent – das muss ich voranstellen. Ja, die Formulierung des Gemeinderats war sehr scharf und hat sicher damit zu tun, dass dieser Verkehrslenkungsvertrag zu Lasten Dritter, also unserer Gemeinde geschlossen worden ist. Ich vermute, dass hat den Ärger bei Herrn Volk ausgelöst, was ich verstehe, wenngleich ich diese Formulierung nicht gewählt hätte.

Herr Volk sieht den Gewinn für Heddesheim und den Schaden für Hirschberg. Was kann man tun, um den zu mildern?

Just: Von unserer Seite aus in Heddesheim gar nichts. Das wurde ja auch im ATU diskutiert, ob man einen ähnlichen Vertrag für uns einfordern könnte. Das geht nicht, weil es eine freiwillige Selbstbeschränkung der Unternehmen ist.

Ein Vertrag zu Lasten Dritter

Als der Vertrag damals verhandelt wurde, haben wir den „Schöpfer“, den Anwalt Dr. Burmeister gefragt, ob sich denn solche Vertragsverhältnisse schon bewährt hätten, ob er dafür ein Beispiel hätte. Tatsächlich konnte er nichts nennen – dieser Verkehrslenkungsvertrag ist bundesweit einmalig. Glauben Sie, dass er Sinn macht?

Just: Für Heddesheim eventuell schon, das möchte ich nicht abschließend beurteilen. Insgesamt – da bringt mich auch keiner von meiner Meinung ab – war die Sinnhaftigkeit in dem Moment nicht mehr gegeben, als klar war, dass es ein Vertrag zu Lasten Dritter ist. Und das hätte ich persönlich nicht gemacht.

Objektiv betrachtet muss damit der Verkehr durch Hirschberg laufen, wenn die A5 zu ist.

Just: Das ist zutreffend. Wir haben mit der B3 eine ausgewiesene Umleitungsstrecke. Wenn es zu einer Vollsperrung oder größeren Sperrung auf der Autobahn kommt, dann gibt es überall die blauen Schilder mit den ausgewiesenen Umleitungsstrecken – eben auf die B3. Deswegen haben wir zwangsläufig eine andere Qualität der Straßen und das muss man berücksichtigen. Unser Problem ist: Wir können den Unternehmen nichts anbieten. Wenn ich einen Bebauungsplanverfahren in der Hand habe, von dem ein Unternehmen etwas hat, dann ist dieses Unternehmen vielleicht eher bereit auf eine Forderung einzugehen, als wenn ich eben nichts in der Hand habe.

Es gibt Dinge, die mich ärgern

Ärgert Sie das?

Just: Es gibt Dinge, die mich ärgern in diesem Verfahren. Das sind beispielsweise diese Verkehrslenkungsverträge und die Tatsache, dass möglicherweise die Verkehrsprobleme auf uns, ich unterstelle dabei keine böse Absicht, abgewälzt werden. Dass dies in Heddesheim ignoriert wird, ist mir unverständlich.

Links verdecken die Edeka-Hallen schon die Sicht auf die Bergstraße. Rechts wird durch noch höhere Hallen noch weniger vom Ausblick übrig bleiben. Bild: heddsheimblog.de

 

Druckmittel aka Basis

Hirschberg will nur ein eigenes Verkehrsgutachten erstellen lassen. Ich habe noch mal nachgeschaut, wir haben ja mittlerweile ein umfangreiches Blog-Archiv: Das haben Sie bereits Ende Oktober 2010 angekündigt, was soll das jetzt eineinhalb Jahre später bringen? Kommen sie damit nicht viel zu spät?

Just: Das glaube ich nicht. Es geht mir nicht um die Verhinderung der Gewerbeansiedlungen. Uns geht es im Wesentlichen darum, die Verkehrsprobleme zu lösen und die sind auch nicht weg zu diskutieren. Wenn diese allerdings gelöst sind, dann wird der Hirschberger Gemeinderat, zumindest  mehrheitlich, die Gewerbeansiedlungen auch so mittragen. Und deswegen geht es uns darum zu schauen, ob ein weiteres Verkehrsgutachten die bislang vorliegenden Ergebnisse oder die von uns immer wieder artikulierten Plausibilitätsprobleme bestätigt. Und dann haben wir, denke ich, schon…

… ein Druckmittel?

Just (lacht): Herr Prothmann, das wäre sicher Ihre zugespitzte Formulierung . Dann haben wir zumindest eine andere Basis, um die Probleme zu diskutieren. Im Moment gibt es zwei Gutachten, die eine noch erträgliche Belastung prognostizieren – wir lassen das jetzt noch von einer dritten Seite betrachten.

Es wird das vierte Gutachten sein. Zwei Gutachten stammen vom Büro Koehler, Leutwein und Partner, eins aus dem Jahr 2000 besagt, der Kreisverkehr sei fast an der Grenze der Leistungsfähigkeit. Das hatte die Gemeinde Heddesheim veranlasst, als das Hirschberger Gewerbegebiet gebaut worden ist. Derselbe Gutachter kommt zehn Jahre später trotz der zusätzlichen Belastung durch Pfenning zur Prognose, alles sei in Ordnung. Wieder im Sinne von Heddesheim. Und der aktuelle Gutachter sieht das auch so.

Just: Das ist ein Teil der Plausibilitätsprobleme, die der Gemeinderat und ich sehen: Wie soll das möglich sein? Im Moment ist das eher ein Bauchgefühl – deswegen wollen wir ja eine fachliche Expertise.

Fälschliche Fachexpertisen?

Was für ein Licht wirft es auf den Wert von Gutachten an sich?

Just: Es wäre anmaßend zu sagen, das Ergebnis der Gutachten seien bestellte Ergebnisse. Es sind alles renommierte Gutachter, die auch einen Namen und einen Ruf zu verlieren haben. Aber auch renommierte, seriöse Gutachter machen vielleicht Fehler, indem sie von vielleicht falschen Annahmen ausgehen. Falsche Verkehrszählungen erhoben haben, die nicht den repräsentativen Tagen entsprechen. Fehler passieren auch bei großer Sorgfalt.

Sie hätten auch Diplomat werden können. Mal ganz undiplomatisch: Was halten sie von der Sicht, dass der Hirschberger Gemeinderat ein Alibigutachten gegenüber der Bevölkerung braucht, um sagen zu können: „Wir haben doch alles getan!“

Just: Meine Kritiker werden das wahrscheinlich so sehen und behaupten. Ich bin überzeugt, dass das Gutachten den Gemeinderat auf jeden Fall weiterbringt. Es gibt eigentlich nur zwei Lösungen, es geht dafür oder dagegen aus. Geht es zu unseren Gunsten aus haben wir mit Sicherheit etwas in der Hand, das den Abwägungsprozess für alle Beteiligten erschwert und unsere Belange werden höher gewichtet. Geht es so aus, dass der Gutachter eine Auskömmlichkeit feststellt, müssen wir das akzeptieren.

Verkehr, Kreisel, Alibi

Heddesheim argumentiert, dass der Verkehr des Fleischwerks wegfällt und nur durch den Getränkeverkehr ersetzt wird. Was aber, wenn der Ausgangszustand, der wiederhergestellt wird, schon nicht gut war? Und aus Ihrer Sicht kommen noch andere Entwicklungen wie in Weinheim Lützelsachsen Ebene hinzu – nochmal 1.000 Autos mehr.

Just: Genau deswegen muss es um eine ausreichende Ertüchtigung der Anschlussstellen gehen. Im Osten soll ein Kreisverkehr gebaut werden. Da haben wir positive Signale aus dem Regierungspräsidium. Ich denke auch, dass das zeitnah umsetzbar ist. Für den Kreisverkehr im Westen, der in Richtung Heddesheim an der Gemarkungsgrenze liegt, schwebt uns eine Bypasslösung vor.

Ist Hirschberg mit seinen Bedürfnissen nicht nur ein Rad im System?

Just: Klar, das sage ich auch dem Gemeinderat immer wieder. Wir müssen uns realistisch einordnen. Als kleine Gemeinde mit 9.500 Einwohnern. Aber wir haben unsere Bedürfnisse sehr deutlich gemacht, das können Sie mir glauben.

Wie?

Just: Die Planungen für den Kreisverkehr werden jetzt wirklich vorangetrieben. Da haben der Kollege Kessler und ich viel erreicht gegenüber dem Regierungspräsidium. Wo man sich noch abwehrend positioniert, ist diese Bypasslösung. Und die ist für uns fast wichtiger.

Auch für eine eigene Weiterentwicklung? Wenn alle Verkehrsbeziehungen ausgereizt sind, braucht Hirschberg gar nicht erst mit dem Gedanken einer Erweiterung spielen – oder?

Just: Dieser Aspekt steht momentan nicht auf der Agenda – aber Sie haben recht. Auch unsere eigene Entwicklungsfähigkeit würde damit in Zukunft massiv beschnitten werden.

Die GLH hatte ja ein Normenkontrollverfahren beantragt. Die Mehrheit des Gemeinderats hat sich in nicht öffentlicher Sitzung dagegen ausgesprochen. War es eine deutliche Mehrheit?

Just: Ja.

Okay. Das Meinungsbild hat aber gedreht, möglicherweise wären die Mehrheitsverhältnisse heute anders. Können Sie festmachen, wodurch das gekommen ist?

Just: Wir haben sehr viele Berührungspunkte mit der Gemeinde Heddesheim: die Wasserversorgung, die Schulentwicklung beispielsweise. Deswegen ist uns, mir insbesondere, auch sehr viel an einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis gelegen. Nur hat dies irgendwo auch seine Grenzen. Und zwar da, wo wir glauben, dass unsere Befürchtungen und Belange nicht ausreichend gewichtet werden. Der erste Verkehrslenkungsvertrag ging schon zu unseren Ungunsten und jetzt soll noch einer mit Edeka geschlossen werden, wieder zu unseren Ungunsten. Einmal haben wir das hingenommen – jetzt müssen wir handeln.

Man munkelt, dass das Verhältnis zwischen Ihnen und Herrn Kessler nicht gerade gut ist.

Just: Wir betrachten die Sachlage zwangsläufig aus unterschiedlichen Blickwinkeln und sind Profis genug, das zu berücksichtigen.

Dokumentation: Auf dem Heddesheimblog.de finden Sie die Präsentation der geplanten Edeka-Erweiterung.

Wie aus dem Heddesheimblog ein Netzwerk geworden ist

Mit einer Recherche hat alles angefangen…

Das war das "erste" Heddesheimblog - als Unterseite von blogger.de

 

Heddesheim/Rhein-Neckar, 07. Mai 2012. (red) Vor drei Jahren ist das Heddesheimblog.de gestartet. Zunächst als privates Blog, auf dem der Journalist Hardy Prothmann als Bürger seine Gedanken und Recherchen wegen einer umstrittenen Logistik-Ansiedlung veröffentlicht hat. Das Heddesheimblog hat sich in der Branche schnell einen Namen gemacht – als Zukunftsmodell für einen modernen Lokaljournalismus. Mittlerweile ist daraus ein Blog-Netzwerk geworden – nicht nur in Nordbaden.

Von Hardy Prothmann

Im Frühjahr 2009 war aus Sicht des Mannheimer Morgens die Welt mehr als in Ordnung. Das Viernheimer Logistik-Unternehmen „Pfenning“ plante eine angebliche 100-Millionen-Euro-Investition in dem beschaulichen Dorf. Bis zu 1.000 Arbeitsplätze, Gewerbesteuer in Hülle und Fülle, ein glücklicher Bürgermeister – die (bis dato nicht gefährdete) Zukunft des Dorfes ist gerettet. So die Botschaft der Zeitung.

Schlechter Zeitungsjournalismus als Anlass

Mir ist selten eine so unkritische Hofberichterstattung untergekommen. Kritische Fragen? Recherchen? Nichts davon war bei dieser Jubelberichterstattung zu erkennen, geschweige denn zu erahnen.

Auch die ARD ist bereits auf das Heddesheimblog aufmerksam geworden. (Klick auf das Bild führt zum Artikel)

Weil ich als Bürger in Heddesheim selbst vom starken Verkehrsaufkommen betroffen war, fing ich an, ein wenig zu recherchieren. Als erstes im Archiv des Mannheimer Morgens – so wie eigentlich ein Redakteur der Zeitung eine Recherche beginnen sollte. Und ich wurde fündig: Rund drei Dutzend Artikel gab das Online-Archiv her. Alle negativ über dieses „Familienunternehmen Pfenning“, das ohne jeden Bezug zu den kritischen Berichten als „Heilsbringer“ für Heddesheim gefeiert wurde.

Wohin mit meinen Recherchen? Dem Mannheimer Morgen als „Thema“ anbieten? Sicher nicht. Ich habe meine Texte zunächst bei blogger.de (siehe Foto oben) eingestellt. Der erste Text erschien am 28. Aprl 2009: „Alles gut oder alles schlecht mit Pfenning in Heddesheim?“ Und ist nach wie vor sehr lesenswert.

Großes Interesse – wachsende Zugriffszahlen

Die Zugriffszahlen gingen binnen weniger Tagen so schnell nach oben, dass die Seite oft nicht erreichbar war. Ich mietete deswegen eigenen Speicherplatz und veröffentlichte auch andere lokale Nachrichten.

Auch das fand Interesse und Anklag und nach wenigen Wochen reifte die Idee, ob es nicht möglich wäre, eine eigene Lokalzeitung im Internet zu gründen. Ich hatte schon von ähnlichen Projekten gehört, aber das waren oft nur „Versuche“.

Ich versuchte mit. Die erste Erfahrung war: „Mein“ Journalismus war in der nordbadischen Provinz eine Zumutung. Es enstanden schnell zwei Lager: Die einen jubelten, die anderen kotzten. Auch, weil ich kurz nach dem Start vom Heddesheimblog in den Heddesheimer Gemeinderat gewählt worden war – diese Funktion habe ich nach einem Umzug nach Mannheim aufgeben müssen.

Auch wir sind Gegenstand von Berichterstattung - gut 300 Berichte wurden über das Konzept und die Macher vom Heddesheimblog bereits verfasst.

Kritische Nachfragen? Meinungsstarke Kommentare? Investigative Recherchen? Das war man im Verbreitungsgebiet der Monopolzeitung Mannheimer Morgen nicht gewohnt. Die Zugriffszahlen stiegen rasant und auch bundesweit wurde das Heddesheimblog in der Journalistenbranche ein Begriff. „Was macht der Prothmann da?“, wurde gefragt. Ist das ein Ego-Projekt eines beißwütigen Journalisten oder vielleicht ein Zukunftsprojekt für einen neuen Lokaljournalismus?

Zahlreiche Branchenberichte

Ende 2009 wählte mich eine Jury in der Kategorie „Regionales“ auf Platz 3 unter die 100 Journalisten des Jahres 2009. Seit dem Start des Heddesheimblogs wurde ich als Redner, Seminarleiter oder Podiumsteilnehmer engagiert. Bei der Initiative Tageszeitung, dem Deutschen Journalistenverband, dem Bayerichen Journalistenverband, auf Kongresse, an Hochschulen, zu Unternehmer-Workshops.

Mittlerweile gibt es Dutzende von journalisten Studien- und Masterarbeiten, die das Heddesheimblog und andere lokale Internetmedien zum Thema gemacht haben und rund 300 Presse-Veröffentlichungen mit Bezug auf diese Form von Lokaljournalismus. Spiegel Online, FAZ, Süddeutsche, taz, Welt, ARD, NDR, Tagesspiegel, Berliner Zeitung – die Liste der „bekannten“ Medien, die über den Journalismus in der Provinz geschrieben haben, ist lang. Auch bei den Nachdenkseiten oder fefes Blog ist das Heddesheimblog Thema.

Oder das Prinzip. Das Heddesheimblog ist längst über den Ort hinausgegangen. Ende 2009 kam das Hirschbergblog.de dazu, Anfang 2010 das Ladenburgblog.de, Ende 2010 das Weinheimblog.de, Anfang 2011 das Rheinneckarblog.de, das Viernheimblog.de und seit Anfang 2012 sechs weitere Gemeinden des Wahlkreises Weinheim.

Netzwerk weitet sich aus: istlokal

Mit dem Unternehmer Peter Posztos habe ich im Herbst 2011 die Firma Istlokal Medienservie UG gegründet, weil wir unsere Erfahrungen auch anderne zur Verfügung stellen wollen. Peter Posztos macht die Tegernseer Stimme, ebenfalls eine lokale Zeitung im Internet. Seit Anfang 2012 vermarkten wir unser Produkt Istlokal OS und haben schnell neue Partner gefunden – beispielsweise in Bretten, Schweinfurt oder Weiterstadt.

Darüber hinaus gibt es ein Netzwerk von weiteren lokal arbeitenden Journalisten, wie Stefan Aigner in Regensburg oder Hubert Denk in Passau. Auch Philipp Schwörbel in Berlin hat mit seinen Prenzlauer Berg Nachrichten schon viel Aufmerksamkeit erlangt.

Immer mehr Lokaljournalisten gründen Blogs und nutzen beispielsweise wie wir die Istlokal OS-Software.

 

Uns alle vereint, dass wir guten, seriösen und vor allem kritischen Journalismus anbieten wollen. Einen Journalismus, der sich traut, Fragen zu stellen und nicht nur vorgefertigte Informationen zu erhalten. Keine Wohlfühl-Schwurbelei, sondern eine für die Demokratie herausragende Aufgabe zu erfüllen. Meinungen durch Informationen zu ermöglichen. Der Artikel 5 unseres Grundgesetzes ist die Geschäftsgrundlage.

Um diese Arbeit zu finanzieren, setzen wir auf Werbeeinnahmen – wie eh und je bei den Medien. Wir erzeugen Aufmerksamkeit und verkaufen diese. Das ist ein seriöses Geschäft.

Kleines, engagiertes Team

Zur Zeit arbeitet ein festes Team von sieben Mitarbeitern für die „Rheinneckarblogs“ – dazu weitere freie Journalisten, Kolumnisten und freundschaftlich verbundene Kollegen. Im Vergleich zur Personalausstattung der anderen Medien im Berichtsgebiet sind wir sehr klein aufgestellt – im Vergleich mit anderen setzen wir aber immer wieder Themen, die Thema sind.

Im Herbst 2011 beispielsweise mit der Fischfutter-Affäre. Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian-Ströbele hatte uns für einen Bericht abgemahnt. Sämtliche Berliner Zeitungen berichteten über den Skandal, viele weitere Zeitungen und auch der NDR. Insgesamt wurde unser Bericht innerhalb weniger Tage gut 140.000 Mal aufgerufen, anfangs stürzte gar der Server wegen der massiven Zugriffe ab.

Zuletzt mahnte uns der Grünen-Bundespolitiker Hans-Christian Ströbele ab - und zog die juristische Attacke wieder zurück. Quelle: Die Welt

 

Die lokalen Zeitungen Mannheimer Morgen, Weinheimer Nachrichten und Rhein-Neckar-Zeitung hielten sich „zurück“, denn aus deren Sicht gibt es uns nicht. Die Fischfutter-Affäre mitten im Berichtsgebiet? Kein Thema für die „unabhängigen“ Printjournalisten.

Aus unserer Sicht gibt es die Zeitungen – und vor allem viel schlechten Journalismus. Was wir immer wieder thematisieren, wenn deren geschönte und klientelabhängige „Berichterstattung“ skandalös wird. So werden umgeschriebene Pressemitteilungen als eigene Berichte ausgegeben oder noch schlimmer – Themen häufig gar nicht berichtet, wenn sie den Zeitungen nicht „passen“. Und das betrifft beim besten Willen nicht nur uns. Was nicht berichtet wird, ist auch nicht passiert.

Juristische Attacken

Für mich persönlich hat diese Arbeit auch viele Nachteile gebracht. Seit nunmehr 21 Jahren arbeite ich als Journalist, 18 Jahre ohne jegliche juristische Streitigkeiten. In den vergangenen drei Jahren habe ich 11 Abmahnungen erhalten. Einmal habe ich eine Einstweilige Verfügung wegen widriger Umstände „akzeptiert“, einen Vergleich geschlossen, 9 Mal konnte ich die Abmahnung abwehren. Unterm Strich haben diese Prozesse gut 20.000 Euro gekostet, weil man nicht wollte, das publik wird, was öffentlich sein sollte. Und diese Prozesse kosten auch viele Nerven.

Sehr erfreulich ist der Kontakt zu den Leserinnen und Lesern. Viele unserer Artikel entstehen, weil wir Hinweise bekommen. Beobachtungen, Gedanken, Erfahrungen von Menschen, die sich Anteil haben und nehmen an unserer Gesellschaft und nicht gleichgültig sind. Diesen möchte ich stellvertretend für das Team danken.

Ebenfalls erfreulich ist die Zusammenarbeit mit vielen Behörden, die die Meinungsfreiheit hoch achten. Explizit möchte ich die sehr gute Zusammenarbeit mit der Polizei loben und in weiten Teilen auch mit den Feuerwehren. In unserem Berichtsgebiet sind zwei Namen erwähnenswert, Bürgermeister Manuel Just in Hirschberg und Bürgermeister Rainer Ziegler in Ladenburg, die sich kommunikativ sehr hervortun. Auch Bürgermeister Lorenz in Dossenheim möchte ich gerne als neuen Kontakt erwähnen, der uns beim Antrittsbesuch sehr freundlich empfangen hat. In den anderen Orten beginnen wir die Arbeit erst und die Kontakte stehen noch bevor.

Den Heddesheimer Bürgermeister Micheal Kessler muss ich leider nach wie vor als ausgewiesenen Feind der Pressefreiheit besonders hervorheben. Sein Amtsverständnis kommt in diesem Bericht sehr eindeutig zur Sprache: „Ich bin die Gemeinde.“

Unabhängige Berichterstattung

Wie unabhängig wir tatsächlich arbeiten, erkennt jeder, der unsere Berichterstattung verfolgt. Wir kritisieren „Grüne“ ebenso wie „Schwarze“, scheuen uns nicht vor „Rot“ oder „Geld“ oder „Orange“. Aber auch hier bieten wir Meinungen an: Ganz verallgemeinernd stellen wir fest, dass die CDU, die SPD und die FDP in der Region unserer Berichterstattung nicht wohlgesonnen sind.

Explizit die Ladenburger und Weinheimer CDU möchten wir lobend ausnehmen – nicht weil diese mit unser Berichterstattung „zufrieden“ sind, sondern weil sie gesprächsbereit sind. In Hirschberg explizit die Freien Wähler und in Weinheim explizit Herrn Carsten Labudda (Die Linke) und Weinheim Plus. Die genannten Personen und Parteien suchen den Ausstausch und die Kritik – was gut ist. Explizit muss auch der Grüne Landtagsabgeordnete Uli Sckerl erwähnt werden – trotz konträrer Meinungen haben er und seine Mannschaft sich immer korrekt auf unsere journalistischen Anfragen hin verhalten.

Mit Recherchen zum Logistik-Zentrum "Pfenning" hat das Heddesheimblog angefangen - unsere Berichte konnten den Bau des Klotzes nicht verhindern, aber zur Aufklärung beitragen. "Das hab ich nicht gewusst", kann keiner mehr sagen.

 

Unentschieden ist noch das Verhältnis zum Landratsamt. Nachdem wir dem stellvertretenden Landrat (Jurist) erst unter Verweis auf ein Bundesverfassungsgerichtsurteil klar machen konnten, dass wir „Presse“ sind, gibt es mittlerweile mit Stefan Dallinger (CDU) einen neuen, sehr kommunikativen (und fraktionsübergreifend gelobten) Landrat, der sich aber unser Ansicht nach noch ein wenig scheut, aktiv über unsere Blogs mehr in Kontakt mit der Bevölkerung zu treten. Wir werden herausfinden, wie es wirklich ist.

Der Kontakt zum Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz basiert auf einer gemeinsamen Vergangenheit – als freier Mitarbeiter für den Mannheimer Morgen habe ich den damaligen Stadtrat als sehr engagierte Persönlichkeit kennengelernt und ihn vor seiner Wahl zum OB porträtiert. Zuletzt hat sich dessen Engagement bei der Gegendemo zum NPD-Aufmarsch bestätigt (Hierzu unsere Reportage auf dem Rheinneckarblog: „Warten auf den rechten Pöbel„). Zu seinem Kollegen Würzner in Heidelberg besteht noch kein persönlicher Kontakt, aber das wird sich ändern.

Vernetzter Journalismus vor Ort

Die miteinander vernetztenden Ortsblogs haben ein Konzept: Wir veröffentlichen Nachrichten, die für die Menschen vor Ort wichtig sind. Und wir zeigen auf, wie die Gemeinden miteinander vernetzt sind – auf vielfältige Weise. Ob zu Verkehrs- oder Umweltschutzthemen, gemeinsamen Verbänden und Verträgen – unsere Gemeinden im Berichtsgebiet sind vielfältig verbunden, ebenso die Leserinnen und Leser.

Vielleicht vermisst man die ein oder andere Nachricht – da bitten wir um Nachsicht. Unsere Redaktion arbeitet sehr engagiert und wir müssen manchmal den Mut zur Lücke haben, weil wir (noch) nicht jeden Termin besetzen können.

Sicher ist es auch Zeit, sich auf wesentliche Dinge zu konzentrieren. Überbordende Berichte in den Zeitungen über Vereinsfeste haben Bedürfnisse geweckt, die fraglich sind. Was ist die Nachricht? „Fürs leibliche Wohl wurde gesorgt?“ Meinetwegen: Der Satz erzählt die gesamte Geschichte. Es gab zu Essen und zu Trinken. Und wenn das nicht reicht, ruft man auch höhrere Instanzen dazu: „Der Wettergott war den Gästen gnädig, der kühle Gerstensaft floß in Strömen und die Luft war erfüllt vom Duft leckerer Bratwürste“.

Gegen die Bratwurst-Berichterstattung

Das ist fettigster Bratwurst-„Journalismus“ und hat mit Journalismus nichts zu tun. Ganz klar ist es wichtig und richtig über Feste zu berichten. Wir machen das auch – bei Vereinsfesten oft nur mit kurzen Texten (Ein Fest hat stattgefunden), dafür aber mit vielen Fotos. Die erzählen die Geschichte besser als zusammengeschwurbelte Nonsens-„Berichte“.

Sie, liebe Leserinnen und Leser, können aktiv daran teilhaben, das „Produkt“ Journalismus zu bewerten. Bringen Sie sich ein – schreiben Sie uns und anderen, was gefällt und was nicht. Journalismus muss man nicht hinnehmen, man kann seit dem Internet daran teilhaben. Sie können Kommentare schreiben und viel einfacher als früher die Redaktion direkt erreichen, sich mit Hinweisen, Vorschlägen und Kritik einbringen. Jedenfalls bei uns.

Wir freuen uns über die Beliebtheit unserer Montagskolumnen, der ausgewählten Tipps & Termine und der regen Teilnahme über Kommentare auf den Blogs oder bei unseren Facebook-Seiten.

Herzlichen Dank an die Leser und Kunden

Nach drei Jahren Heddesheimblog & Co, möchte ich Ihnen sehr herzlich genau dafür danken. Für Unterstützung und Kritik – beides gab es zuhauf.

Hardy Prothmann ist seit 21 Jahren als Journalist tätig und seit drei Jahren als "Blogger".

Für die Zukunft wünsche ich mir noch mehr kritische Anteilnahme, weil wir alle gemeinsam mit unserem Interesse für etwas einstehen, was ein absolutes Privileg ist: Freiheit, vor allem Meinungsfreiheit. Ohne diese ist Demokratie nicht möglich. Da ich viel im Ausland gelebt habe und auch von dort berichtet, weiß ich unser freiheitliche Grundordnung uneres Heimatlandes sehr zu schätzen.

Deswegen freue ich mich mit Ihnen und dem Team, wenn Sie uns weiter gewogen bleiben, uns mit Interesse und Informationen unterstützen. Den anderen „Heddesheimblogs“, egal, ob am Tegernsee, im Prenzlauer Berg, in Regensburg, in Weiterstadt oder Bretten oder Schweinfurt oder in vielen anderen Orten wünschen wir viel Erfolg, immer den richtigen journalistischen Riecher und einen erfolgreichen Aufbau ihrer Angebote.

In diesem Sinne möchte ich mich bei allen Mitwirkenden bedanken, selbstverständlich sehr besonders bei meiner Frau und der Familie, für das Engagement, das Verständnis, das Interesse und die aktive Teilnahme.

Im ersten Interview zum „Heddesheimblog“ hat mich der Kollege Thomas Mrazek gefragt, warum ich das mache, was meine Motivation ist?

Meine Antwort: Ich habe den Spaß meines Lebens.

Das gilt bis heute.

Herzlichst Ihr

Hardy Prothmann

MM lobhudelt weiter

Neues von der Baustelle: Folge 9. Pfenning informiert „ausgewählt“

"Pfenning"-Geschäftsführer Uwe Nitzinger: Sagt immer nur so viel, wie er muss und häufig auch nur irgendwas, was später wieder ganz anders ist. Archivbild.

 

Heddesheim/Rhein-Neckar, 09. März 2012. Der Mannheimer Morgen fährt mit seiner unkritischen Jubel-Berichterstattung in Sachen „Pfenning“ fort. Das war nicht anders zu erwarten. Und „Pfenning“ bedient die Zeitung exklusiv – unsere Redaktion wird vom „neuen, guten Nachbarn“ ausgegrenzt und nicht informiert. Folglich gilt das auch für unsere Leserinnen und Leser. Der Grund ist einfach: Wir berichten zu kritisch und Kritik ist nicht erwünscht.

Von Hardy Prothmann

Das ist er also, der neue, gute Nachbar „Pfenning“. Ein Unternehmen, das bewusst in Kauf nimmt, große Teile der Heddesheimer Bevölkerung nicht zu erreichen. Nämlich alle die, die den Mannheimer Morgen nicht abonniert haben und das sind sehr viele.

Dabei weiß Geschäftsführer Uwe Nitzinger sehr genau, dass die Hälfte des Ortes gegen die montröse, 650 Meter lange Bebauung auf 20 Hektar bestem Ackergelände war. Nachdem der Bebauungsplan aber gegen alle klugen und kritischen Einwändungen durchgesetzt war, sah und hörte man nichts mehr von Pfenning. Auch der Baustart wurde bis auf eine läppische Pressemeldung nicht kommuniziert.

Geschönte Berichte

Ab und an wirft „Pfenning“ mal einen Brocken hin und der MM schnappt ihn dankbar auf – immerhin hat „Pfenning“ ja auch schon einiges an Anzeigen dort geschaltet.

So erfahren die Zeitungsleser also, in welcher Reihenfolge die Hallen gebaut werden. Erst der nördliche Teil, von Ost nach West, dann der südliche Teil. Dafür werden Fertigsystemteile des Bayerischen Unternehmens Max Bögl verbaut. Bögl hat sich auf diese Bauweise spezialisiert. Dazu gibt es Informationen, dass ein paar hundert Bauteile, Stützen und Platten verbaut werden. Und rund 80 Bauarbeiter beschäftigt sind, bis zu 300 sollen es im Sommer werden.

Wenn man sich Referenzobjekte auf der Bögl-Homepage anschaut, darf man berechtigte Zweifel haben, ob das „Pfenning“-Gelände tatsächlich Ende 2013/Anfang 2014 fertig gestellt sein wird, wie Uwe Nitzinger im Mannheimer Morgen behaupten darf.

Im südlichen Teil zur Benz-Straße hin wird ein Teil der Hallen 18 Meter hoch – wer hier was einlagern wird? Keine Information. Die Schiene kommt dann, wenn sie jemand braucht – also irgendwann oder nie. Die Schienenandienung war eins der Hauptargumente der CDU für die Logistikansiedlung. Jetzt erfährt man, dass mindestens „36-Monate“ Vorlauf nötig seien, falls denn mal jemand Interesse haben könnte.

Fragwürdige Äußerungen

Ebenso darf Nitzinger behaupten, niemand hätte was davon gemerkt, dass „Pfenning schon da ist“ und das mit „Lkw-Verkehr“. Dazu wird unwidersprochen der Bauverkehr mit angeblich bis zu 800 Lkw-Bewegungen in der Spitze verglichen. Das ist hanebüchen.

Natürlich weiß man schon lange, dass die Bauarbeiten begonnen haben – wir bringen aktuell unsere neunte Folge zur Baustelle. Im Gewerbegebiet werden Laternenmasten umgefahren und die Straßen sind häufig verdreckt – wie das halt so ist in der Nähe von Baustellen. Wer allerdings für die Straßenreinigung aufkommt, ob „Pfenning“ oder der Steuerzahler? Wer weiß, dazu gibt es keine Informationen.

Dafür erhält man aber einen Eindruck, wie das sein wird, wenn täglich hunderte zusätzliche Lkw hier unterwegs sein werden. Im Hirschberger Kreisel ist der Aspahlt schwer beschädigt und vor der Auf-/Abfahrt auf die A5 auf Hirschberger Seite hat sich eine deutliche Absenkung gebildet, die auf Reparatur wartet. Unsere Recherchen hierzu haben ergeben, dass das Regierungspräsidium zuständig ist, die Sache ans Landratsamt weitergereicht hat, aber keiner weiß oder sagen kann, wann diese Schäden, die auch unfallgefährlich sein können, behoben werden.

Offene Fragen

Uwe Nitzinger darf über Kekse und Schokolade reden, die der neue Kunde „Kraft Foods“ hier lagern will. Ob der neue Kunde und die damit verbundenen Verträge das „Pfenning“-Projekt überhaupt erst finanzierbar gemacht haben, wird nicht gefragt.

Es war schon seltsam, wie der strahlende Chef Karl-Martin Pfenning erst eine 100 Millionen-Euro-Investition verkündete, dann aber trotz Baugenehmigung nichts passierte. Es gab viele Gerüchte, ob die Finanzierung geplatzt sei. Harte Fakten gibt es nicht, weil der eigentliche Investor die Phoenix 2010 GbR ist – ein zwei-Mann-„Unternehmen“, das nicht publizitätspflichtig ist.

Weiter darf Nitzinger behaupten, man halte sich an den Verkehrslenkungsvertrag – dabei werden immer wieder große „Pfenning“-Lkw gesichtet, die durch den Ort fahren. Und die Aussage: „Der Verkehr kommt aus der Ferne und geht in die Ferne“, wird gar nicht erst vom MM aufgegriffen.

Leere Versprechen

Herzig ist die Information, es würde keinen regionalen Verkehr geben. Also nicht von Pfenning. Wenn Waren beispielsweise für Edeka eingelagert und von Edeka ausgeliefert werden, dann ist das ja kein „Pfenning“-Verkehr. Und wenn die regionalen Versorgungs-Lkw bis zu 12 Tonnen schwer sind, gilt für die auch nicht der Verkehrslenkungsvertrag. Wer immer noch an all die „Versprechungen“ glaubt, ist selbst schuld.

Angeblich sollen für den Kunden Kraft Foods zweihundert Leute arbeiten – davon aber die Hälfte als Leihkräfte. Die Zahl „bis zu 1.000 Arbeitsplätze“, mit der Bürgermeister Kessler, die CDU, SPD und FDP für das Projekt geworben haben, fällt in diesem Zusammenhang nicht mehr. Und – ach ja – vier Ausbildungsplätze halte „Pfenning“ nach wie vor frei für Heddesheimer Berufsanfänger – bislang habe sich aber niemand gefunden, der zu „Pfenning“ passt. Das soll man alles so glauben, denn es steht ja in der Zeitung.

Ausgewählte Gäste

Am 23. März gibt es eine „symbolische Grundsteinlegung“ – für ausgewählte Gäste. Wir sind bislang noch nicht eingeladen worden und vermuten, dass es dabei bleibt. Der Mannheimer Morgen darf sicherlich in der ersten Reihe sitzen, damit man auch jedes Wort exakt so mitschreibt, wie man das von seiten der Verwaltung und Pfenning will.

Das wird so erwartet und auch erfüllt.

"Die Karl-Drais-Schule ist auf einem sehr guten Weg!"

Karl-Drais-Schule geht Bildungspartnerschaft mit Edeka Südwest ein

Erste Reihe (v.l.n.r.): Konrektor Robert Rodenberg, Rektor Jens Drescher, Thomas Jäger (Edeka Südwest), Michaela Fiethen (Edeka Südwest), Harald Töltl (IHK Rhein-Neckar), Bürgermeister Manuel Just (Hirschberg) und Bürgermeister Michael Kessler (Heddesheim).

 

Hirschberg, 03. Februar 2012. (red) Die Karl-Drais-Schule ging am 01. Februar 2012 ihren dritten Kooperationsvertrag für eine Bildungspartnerschaft ein. Nach der Daimler AG und der evangelischen Heimstiftung beteiligt sich nun Edeka Südwest an dem Programm zur Unterstützung der Berufsfindung junger Menschen. [Weiterlesen…]

Bürgermeister-Umfrage: Was bedeutet Stuttgart 21 fürs „Wohl und Wehe“ der Gemeinden?

Unsere Animation zeigt, was man wählt, wenn man mit "Ja" oder "Nein" stimmt. Unsere Umfrage dokumentiert, wie die Bürgermeister zum Thema stehen. Animation: Christian Mühlbauer

Rhein-Neckar/Wahlkreis Weinheim, 14. November 2011. Das Streitthema um Stuttgart 21 wird am 27. November 2011 mit einem Ja oder Nein entschieden. Im Vorfeld warnen die Gegner vor den Folgen von Stuttgart 21 für die Region, wenn das Projekt weiter vorangetrieben wird. Die Befürworter warnen vor den Folgen, wenn es nicht weiter vorangetrieben wird. Es geht also ums „Wohl und Wehe“ – auch für die Gemeinden in Nordbaden. Dazu haben wir die Bürgermeister im Wahlkreis 29/Weinheim befragt, wie diese zu Stuttgart 21 stehen. Die teils überraschenden Antworten lesen Sie in unserer Dokumentation. [Weiterlesen…]