Samstag, 20. August 2022

Problemfall Hauptschule

Immer mehr Haupt- und Werkrealschulen schließen sich mit anderen Schulen zusammen

Überall im Kreis stehen Hauptschulen vor dem Aus oder eine Fusion oder…. Die frühere Johannes-Kepler-Schule wurde unter der CDU-Regierung zu einer gemeinsamen Werkrealschule Karl-Drais mit Heddesheim und Hirschberg. Was aktuell unter Grün-Rot aus der Schule wird, ist unklar. Vielleicht einfach nur Geschichte.

 

 

Rhein-Neckar, 23. Oktober 2012. (red/ld) Abstellgleis Hauptschule – Aufstiegsgarant Gymnasium? Mit der Abschaffung der verpflichtenden Grundschulempfehlung bleiben den Haupt- und Werkrealschulen in der Region die Schüler weg. Wenn auch im jahrgangsübergreifenden Unterricht keine Klasse mehr zusammen kommt, bleibt nur noch, sich mit einer Nachbargemeinde zusammen zu schließen: Heddesheim und Hirschberg haben es schon getan, Edingen-Neckarhausen und Ilvesheim haben sich mit Ladenburg zusammengeschlossen. Am Ende des laufenden Schuljahres wird sich die Weinheimer Karrillonschule mit dem Dietrich-Bonhoeffer-Schulzentrum zusammen schließen.

Von Lydia Dartsch

Je höher der Schulabschluss, desto besser die Job- und Ausbildungschancen. Diese Rechnung geht für viele Eltern und ihre Kinder auf. Entsprechend bange warteten sie bisher auf die Zeugnisse der vierten Klasse:

Bloß nicht auf die Hauptschule!,

war für viele die Hoffnung. Seit diesem Schuljahr können Eltern und Schüler frei wählen und sie wählen vermehrt die höheren Abschlüsse, wie die Mittlere Reife oder das Abitur. Für die Haupt- und Werkrealschulen ist das ein großes Problem: Ihnen fehlen die Schüler, um noch Klassen bilden zu können. 28 Schüler sind die Mindestvoraussetzungen für eine Klasse. Reichen die Schüler eines Jahrgangs dafür nicht aus, können die Schulen noch zwei Jahrgänge zusammen legen, die dann gemeinsam unterrichtet werden. Doch in vielen Gemeinden in der Region gibt es auch für diese Lösung nicht genügend Schüler.

„Es ist ein Schulsterben. Das will niemand wahrhaben.“

Schulen zusammenschließen bleibt die letzte Lösung für das Problem. In den Gemeinden werden Schulen ganz geschlossen:

Das ist eindeutig ein Schulsterben,

schildert Endrik Ebel vom Staatlichen Schulamt in Mannheim, das wolle nur niemand wahrhaben. Allein in Heidelberg ist die Zahl der Haupt- und Werkrealschulen in den letzten zehn Jahren von vier auf zwei gesunken. In den letzten Jahren haben sich Edingen-Neckarhausen und Ilvesheim mit der Werkrealschule Unterer Neckar in Ladenburg zusammengeschlossen. Die Schüler aus Heddesheim müssen seit einiger Zeit nach Hirschberg (und umgekehrt) zum Unterricht fahren und ab nächstem Herbst gehts für die Schüler der Karillon-Schule zum Unterricht ins Dietrich-Bonhoeffer-Schulzentrum. Das hatte die Stadtverwaltung im Juli bekannt gegeben.

Rückläufig sind die Schülerzahlen zwar schon seit 30 Jahren. An den Hauptschulen wird der Rückgang nun auch durch die Abschaffung der Grundschulempfehlung verstärkt. Die Entscheidung zur Zusammenschließung von Schulen treffe der Schulträger, erklärt David Hager-Mann, Leiter des Staatlichen Schulamtes: „Das ist ein organischer Vorgang. Wenn einer den Eindruck hat, dass es so nicht mehr weiter geht, spricht man miteinander.“ Meistens suche die Schule das Gespräch mit der Gemeinde.

Höherer Abschluss = bessere Jobchancen?

Der Grund für die Wahl der Eltern ist die Angst der Eltern, ihre Kinder mit einer Anmeldung an der Hauptschule auf das soziale Abstellgleis zu rangieren. Ebel sieht darin eine Begleiterscheinung einer sich entwickelnden Wissensgesellschaft:

In den Ländern der Wissensgesellschaft streben die Eltern für ihre Kinder möglichst hohe Bildungsabschlüsse an. Die meisten schaffen das auch.

Zumindest in den Nachbarländern sei das der Fall. Das gegliederte Schulsystem in Deutschland aber verschärft die Bedingungen für den sozialen Aufstieg: „Da werden die Qualifikationen schon sehr früh sichtbar. Die Kinder werden schon von vorneherein abgestempelt. Das führt zu gesellschaftlicher Ungleichheit.“

Doch nicht jeder, der in der fünften Klasse aufs Gymnasium geht, bekommt auch das Abitur: „Wenn das Kind nicht mit dem Stoff mitkommt, geht es runter von der Schule“. erklärt Ebel: Vom Gymnasium auf die Realschule, von der Realsschule auf die Hauptschule. Die übrigen Haupt- und Werkrealschulen könnten spätestens dann an ihre Grenzen stoßen: „Wenn es keine Hauptschulen mehr gibt, wird es lustig“, meint Ebel.

Bessere Möglichkeiten an Gemeinschaftsschulen

An Gemeinschaftsschulen könnten Kinder individuell gefördert werden, ist sich Ebel sicher. Das ist im bestehenden Schulsystem nicht möglich: „Die Kinder lernen in unterschiedlichen Fächern auf unterschiedlichen Niveaus“, erklärt Ebel. Gemeinschaftsschulen können diese Niveauunterschiede auffangen und „aus möglichst vielen Schülern möglichst viel herausholen“, wie es Ebel sieht. Das wollen auch die Eltern. So verzeichnet die bisher einzige Gemeinschaftsschule der Region in Bammental seit fünf Jahren einen bemerkenswerten Schülerzuwachs: „Dort haben sich die Schülerzahlen verdreifacht“, zeigt sich Ebel begeistert. Dort hätten die Eltern gemerkt, dass individualisiertes Lernen möglich sei, „und das, obwohl sie nur eine Werkrealschule sind“, so Ebel.

Wie geht es weiter mit den Werkrealschulen? Über die Zukunft des Standorts Heddesheim informiert die Gemeinde heute Abend in der Aula der Karl-Drais-Schule. In Weinheim wird der Zusammenschluss der Schule voran gehen. Die Schulleitung hat bisher nicht auf unsere Anfrage reagiert.

Werkrealschule ohne Namen startet unter „kommissarischer“ Leitung

Guten Tag!

Hirschberg/Heddesheim, 10. September 2010. Heute ist der letzte Ferientag – nach dem Wochenende beginnt in Baden-Württemberg wieder die Schulzeit. In Heddesheim und Hirschberg gibt es seit dem 01. August 2010 eine gemeinsame Werkrealschule – doch der fehlt auf absehbare Zeit eine „offizielle“ Leitung – Jens Drescher bleibt vorerst der kommissarische Leiter, obwohl schon feststeht, dass er der offizielle Leiter werden wird.

Von Hardy Prothmann

Wenn am Montag die neue gemeinsame Werkrealschule Hirschberg-Heddesheim ihren Schulbetrieb aufnimmt, steht sie nur unter kommissarischer Leitung durch Jens Drescher.

Statt eines Aufbruchssignals, dass hier tatsächlich eine hoffnungs- und wirkungsvolle Schulreform greift, beginnen die vormals selbstständigen Schulen (Martin-Stöhr und Johannes-Kepler) mit einem Provisorium.

Das ist entwürdigend für den engagierten jungen Rektor Drescher, für die Eltern und für die SchülerInnen, denen bessere Ausbildungschancen versprochen werden, für die die Verwaltungsapparate aber auch nicht den Hauch eines emotionalen Verantwortungsgefühls entwickeln, von dem doch so oft betont wird, dass es gerade für diese SchülerInnen von so großer Bedeutung wäre.

Jens Drescher, der „alte“ Rektor der Hirschberger Martin-Stöhr-Schule, ist seit Wochen schon kommissarischer Leiter der Schule ohne Namen, die aber die gemeinsame Hauptschule mit Werkrealschule der Gemeinden Hirschberg und Heddesheim ist.

Was die Bürgermeister Michael Kessler (Heddesheim) und Manuel Just (Hirschberg) und der Staatssekretär Georg Wacker (CDU) gerne als „Erfolg“ feiern, ist eine improvisierte Geschichte.

Die Schule hat keinen Namen und keinen festen Leiter. Es geht ja auch nur um HauptschülerInnen.

Das ist entwürdigend. Noch mehr, dass ein „Schulrat“ Daniel Hager-Mann, zuständig beim Mannheimer Schulamt, ganz selbstverständlich erklärt, dass der Prozess im Gang sei, es viele Verwaltungsinstanzen gäbe und voraussichtlich in diesem Jahr noch, aber nicht sicher, das Verfahren abgeschlossen werde.

Noch entwürdigender ist, dass Gerüchte kolportieren, dass erst mit der offiziellen Ernennung des neuen Schulleiters entsprechende Gehälter bezahlt würden. Ob das stimmt, ob hier „gespart“ wird, konnten wir nicht ausrecherchieren. Wenn es kein Demmenti gibt, wird das Gerücht wohl zutreffen.

Unabhängig davon startet die neue Werkrealschule als Provisorium. Schulleitung, Lehrer, Schüler, Eltern – alle leiden darunter. Es gibt kein hoffnungsvolles Zeichen eines Neustarts, keine Aufbruchstimmung, noch nicht mal den Versuch eines guten Willens. Sondern nur „juristische Fragen“, Verfahren und blöde Nachfragen, was denn eigentlich das Problem sei, denn es gehe doch alles seinen Gang.

„Unser Interesse ist der geordnete Betrieb des Schulbeginns“, hört man aus dem Schulamt. „Das war zu keinem Zeitpunkt unklar.“

Wann erfahren die SchülerInnen und deren Eltern, wer sie leitet? „Wenn die Verfahren abgeschlossen sind“, sagt Herr Hager-Mann.

Ist das die Botschaft an die SchülerInnen? „Abgeschlossene oder nicht abgeschlossene Verfahren zu sein?“

Das ist unwürdig. Aber es passt zur Schulpolitik des Landes Baden-Württemberg, die gerne die vergisst, die am meisten Förderung brauchen.

Auch die Belastung der LehrerInnen ist enorm – dabei müssen gerade diese mehr leisten und aushalten als ihre Kollegen an anderen Schulen.

Am Montag startet die neue, gemeinsame Hauptschule mit Werkrealschule. Auch, wenn es noch nicht offiziell ist: Der Schulleiter heißt Jens Drescher. Man darf ihm und seinem Kollegium in Hirschberg und Heddesheim nur alles Gute wünschen, denn alles Gute bekommen sie nicht von der Politik. Weder aus Hirschberg noch aus Heddesheim, noch aus Mannheim, noch aus Karlsruhe, noch aus Stuttgart.

Die Schulleiterin der Johannes-Kepler-Grundschule heißt Hiltrud Rudolf.

Allen gemeinsam ist, dass alles Gute von ihrem Engagement abhängt.

Viel Kraft dafür.

Denn wie soll man am Montag die SchülerInnen begrüßen?

„Herzlich willkommen in der Schule ohne Namen unter kommissarischer Leitung bis die Verfahren abgeschlossen sind?“

Darüber machen sich weder das Schulamt in Mannheim, noch die hohe Politik in Stuttgart, noch die Bürgermeisterämter in Heddesheim und Hirschberg Gedanken.

Hauptsache, die Schule startet geregelt.