Hirschberg, 27. September 2012. (red/sap) Lange wurde darüber diskutiert, jetzt wurde es entschieden: In der Breitgasse/Drittelsgasse wird gebaut. Die Stellungsnahmen der Gemeinderatsfraktionen waren teils kontrovers und, wie Bürgermeister Just betonte, hoch „emotional“.
Von Sabine Prothmann
Vorsorglich hatte die Hirschberger Verwaltung den Besucherbereich bis ins Foyer des Ratssaal bestuhlt. Man hatte wohl mit viel Andrang, vor allem von der „Gegnerseite“ gerechnet.
Doch viele Stühle blieben leer und nur gut zehn Hirschberger Bürgerinnen und Bürger waren gekommen, um bei der Entscheidung um den vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Breitgasse/Drittelsgasse“ dabei zu sein.
Die „Historie“
Bürgermeister Manuel Just ging eingangs der Sitzung ausführlich auf die Historie des „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ ein. In der Breitgasse/Drittelsgasse sollen vier Häuser mit 14 Wohneinheiten entstehen, dafür wurde ein vorhabenbezogener Bebauungsplan vorgelegt. Erstmals wurde dieser in nichtöffentlicher Sitzung am 29. Februar 2011 beraten.
In der öffentlichen Gemeinderatssitzung am 28. Februar 2012 lag der erste Entwurf vor und wurde – vor allem auch im Hinblick auf die gewünschte Innenverdichtung – einstimmig beschlossen.
„Wir sind uns wohl einig, es geht hier um das ‚Wie‘ und nicht um das ‚Ob'“, erklärte Just.
Zwischen März und April diesen Jahres hatte eine Offenlage des Bauvorhabens stattgefunden. Die Einwände der Bevölkerung und der GLH konzentrierten sich zum einen auf die Höhe der Bebauung (bis zu 12,81 Meter), die Massivität und die damit verbundene Versieglung (60 Prozent). Zudem wurde kritisiert, dass das Ortsbild negativ beeinflusst würde, da die Bebauung von der Breitgasse abrücke. Ein weiterer Kritikpunkt war die Beeinträchtigung der innerörtlichen Belüftungsschleuse.
Am 18. Juni 2012 gab es eine Begehung
Aufgrund der eingegangenen Anregungen und Einwendungen hat der Bauträger (TreuGrund Bauträgergesellschaft Heddesheim) die Höhe des zurückversetzten Mehrfamilienhauses auf das Niveau der Bebauung in der Brunnengasse angepasst. Außerdem ließ er zur Beurteilung der klimatologischen Auswirkungen des Vorhabens auf den Ortsteil Großsachsen ein Klimagutachten erstellen.
Der Gemeinderat beschloss eine erneute Offenlage vom 02. bis zum 16. Juli 2012.
Das Ergebnis war, so Just, „noch mehr Kritik“.
60 Prozent Versiegelung seien viel, aber „die Baunutzungsverordnung lässt dies zu“, sagte der Bürgermeister. Die Bebauung selbst nehme dabei 35 Prozent ein, weitere 25 Prozent enstünden durch Gehwege, Parkplätze und Nebengebäude. Im Mittel käme man auf rund 60 Prozent:
Der Versieglungsgrad im alten Ortskern ist teilweise deutlich höher.
Die Firsthöhe des mittleren Gebäudes wurde auf die Höhe der Bebauung in der Brunnengasse angepasst, man habe jetzt noch eine Überschreitung von zwei Zentimetern.
Das Klimagutachten habe gezeigt, die Bebauung bringe eine mäßige Veränderung der Belüftungsschleuse mit sich. Und durch die Bebauung von Nachbargrundstücken (die nicht vom Gemeinderat entschieden werden müssen), kann „der Grüngürtel Morgen schon zunichte gemacht werden“, betonte der Bürgermeister.
Eins stehe außer Frage:
Das Ortsbild wird sich verändern.
Durch den Erhalt von Mauer und Toreinfahrt habe man aber wieder eine Hofsituation geschaffen und gleichzeitig auch, durch das Abrücken von der Breitgasse, auch eine bessere Wohnqualität.
Fragen und Antworten
„Warum haben wir nicht über die Alternativplanung der Grünen Liste beraten?“, fragte der Bürgermeister:
Wir haben über das zu entscheiden, was vorliegt.
Nebenbei bemerkte Just, dass in der Alternativplanung nur 11 Stellplätze im Gegensatz zu 20, ausgewiesen waren.
„Warum haben wir nicht an einen anderen Investor verkauft?“, fragte er weiter. „Wir haben uns mit dem auseinanderzusetzen, der erscheint.“
„Warum wurden die Anwohner und Anrainer nicht persönlich eingeladen?“ Alle Bürger wurden zur Gemeinderatssitzung eingeladen, erklärte der Bürgermeister und sagte:
Ich als Bürgermeister komme zu dem Ergebnis, dass man alle Einwände ausräumen konnte.
Dass die geplante Bebauung nicht „ortstypisch“ genug sei, ließ Just als einzigen Kritipunkt gelten.
Was die Fraktionen sagten
Gemeinderat Fritz Bletzer (FW) lobte das Erscheinungsbild der geplanten Bebauung, die im Gemeinderat via 3D-Animation gezeigt wurde. „Da ist nicht das entstanden, was man befürchtet hat“.
Dr. Jörg Boulanger (CDU) verwahrte sich gegen den Vorwurf eines Verfahrensfehlers, das Projekt wäre „eingehend in und mit der Öffentlichkeit diskutiert worden“. Der Gutachter habe die Befürchtungen hinsichtlich der Klimaauswirkungen widerlegt, so Boulanger. Es gäbe baulich keinen historischen Keller, nur einen Betonkeller und die Scheune sei auch nur gut 80 Jahre alt. Damit kritisierte Boulanger heftig die Einwände, eine historische Anlage werde zerstört. Dieses Argument sei eine Täuschung.
Zudem handle es sich um ein Privatgrundstück und nicht um eine Gebäude der Gemeinde zur Verschönerung des Ortes. Das Ortsbild bleibe durch Mauer und Hofeinfahrt erhalten:
Es ist gelungen Altes und Neues in Einklang zu bringen.
Ganz anders sah das die GLH. „Das Klimagutachten hat mich nicht besänftigt“, erklärte Karl Heinz Treiber (GLH). „Wir“, so Treiber, „fordern ein Gesamtklimagutachten.“ Und die Visualisierung habe ihn auch überzeugt und zwar davon, dass die Bebauung zu dicht sei:
Die Gebäude sind zu hoch und zu massiv.
Es seien 60 Prozent versiegelt und nicht „nur“ 35 Prozent überbaut. Denn schließlich sei es dem Regenwasser egal, ob es auf auf einen Gehweg oder auf ein Haus fällt:
Mancher wird sich nach dieser Sitzung als Gewinner fühlen, aber wir sind alle Verlierer.
Hartmut Kowalinski (FDP) nutzte seine Stellungsnahme dazu, seine Ratskollegen von der GLH heftigst zu kritisieren und Seitenhiebe zu verteilen: „Transparenz, wie die GLH sie versteht, ist Halb- oder Fehlinformation zum Thema Drittelsgasse. Sie titelt in Ihrem Blog „Denkmalzerstörung in Großsachsen“. Das Denkmalamt aber schreibt und stimmt zu, da vom Planvorhaben keine denkmalrechtlichen Belange betroffen sind.“ Wer, wie die Grünen, so Kowalinski weiter, in der Vergangenheit Innenentwicklung gefordert habe, müsse sich im Klaren gewesen sein, dass neue Bauherren sich den Bestand in den alten Ortskernen zum Vorbild nehmen würden.
Mit Blick auf die Zuschauerplätze meinte Kowalinski:
Der große Bürgerprotest bleibt aus.
Grenzen wurde überschritten
„Eine gewisse Emotionalität schwingt mit und ich hoffe, dass sie sich nicht fortsetzt“, kommentierte Bürgermeister Just die Stellungsnahmen der Fraktionen. Porzellan sei zu Bruch gegangen und Grenzen wurden überschritten.
„Ich wollte zuhören und warten, ob ich was Neues höre, aber dies war nicht der Fall“, meinte der SPD-Gemeinderat Dr. Horst Metzler.
„Wir sind keine bäuerlich geprägte Gemeinde mehr“, so Metzler. Früher sei Großsachsen ein Straßendorf gewesen und der Tabakanbau ein Kennzeichen der Region, „doch diese Situation ist ein für alle Mal Vergangenheit.“
Wir haben uns von einem bäuerlichen Ort zur Wohngemeinde mit unterschiedlichen Interessen entwickelt.
Abschließend sagte Bürgermeister Manuel Just, keiner habe wohl durch den Sachvortrag und oder die Stellungsnahmen sein Abstimmungsverhalten verändert und so war es das Ergebnis auch alles andere als verwunderlich: Der Gemeinderat verabschiedete mehrheitlich – gegen die vier Stimmen der GLH – den vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Breitgasse/Drittelsgasse“.
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