Samstag, 24. September 2022

Unklare Zukunft der Schlecker-MĂ€rkte

For you. Vor Ort. Vorbei?

Wie lange gibt es den Schleckermarkt vor Ort noch? Wie viele verlieren Ihre ArbeitsplÀtze? Was, wenn es nur noch einen Versorgen im Ort gibt? Viele Fragen - keine Antworten.

 

Rhein-Neckar, 24. Januar 2012 (red/jt) Nach Bekanntwerden der Insolvenz der Drogeriekette Schlecker herrscht große Unsicherheit – bei Mitarbeitern und bei Kunden. Welche Filialen bleiben bestehen, wo gibt es Schließungen, wer verliert seinen Job? Auch die Metropolregion Rhein-Neckar ist betroffen.

Die Schlecker-Pleite kostet deutschlandweit vermutlich 30.000 Menschen ihren Arbeitsplatz. Viele davon auch in der Region Rhein-Neckar. Im benachbarten Neckar-Odenwald-Kreis hat das Filialsterben bereits angefangen. Die Filiale in Seckach hat laut Rhein-Neckar-Zeitung bereits zum 24. Dezember 2011 ihre TĂŒren geschlossen. Auch die Filialen Buchen, Osterburken und Höpfingen wurden bereits 2011 dicht gemacht.

In der Metropolregion Rhein-Neckar gibt es ebenfalls erste Opfer unter den Filialen. In Ilvesheim schließt man zum 08. Februar die TĂŒren. Die Regale sind schon großenteils leer gerĂ€umt.

Ungewiss ist die Zukunft der dortigen Mitarbeiter. „Vermutlich werden wir zunĂ€chst Krankheitsvertretung in den Nachbarfilialen machen“, sagt uns eine Mitarbeiterin. Erfahren habe man von der Schließung ĂŒbrigens erst vor einer Woche.

Um uns ein genaueres Bild von der Lage vor Ort machen zu können, haben wir auch die Filialen in Edingen-Neckarhausen, Heddesheim und Ladenburg persönlich besucht.

Presse nicht erwĂŒnscht

In Ladenburg verweist man mich direkt an die Filialleiterin. Die Dame ist um die 50 Jahre alt. Sie rĂ€umt gerade Regale ein. Fragen möchte sie keine beantworten. Die anderen Mitarbeiter sehen verstohlen zu uns herĂŒber. Antworten gibt es hier keine, bis auch diese: „Die Presse ist hier nicht erwĂŒnscht.“

Klare Auskunft in Ladenburg:

 

Ähnlich die Reaktion in Heddesheim. Auch dort verweist man an die Filialleitung. Antworten? Fehlanzeige. Die Nummer der Pressesprecherin könne man uns geben. Diese Auskunft gibt es zwischen TĂŒr und Angel. Von einem Fax oder Brief schreibt die Filialleiterin die Nummer ab. Dazu kommt sie nicht mal aus ihrem BĂŒro hervor. Sie reicht einen kleinen Zettel mit einer Handynummer darauf. Selbst der Name der Ansprechperson fehlt.

Auf die Nachfrage, ob man denn schon etwas zum Schicksal der Filiale weiß, verweist man mich mit einem LĂ€cheln und Augenzwinkern an die Pressestelle. „Netter Versuch!“, soll das wohl heißen.

Verunsicherte Kunden

In Edingen-Neckarhausen antwortet mir ein Mitarbeiter. Die Filialleitung lĂ€sst sich nicht blicken. Der Mitarbeiter scheint besorgt. Von der Insolvenz habe man durch die Firmenleitung erfahren, ungefĂ€hr zur gleichen Zeit als es auch in den Medien bekannt wurde. Viele Kunden seien verunsichert, wĂŒrden nachfragen, ob die Filiale erhalten bleibt.

Der Ilvesheimer Markt wird schließen - wann ist noch unklar.

 

Von der Schließung in Ilvesheim weiß man hier bereits. Wenn die Presse positiv berichtet, könnte das vielleicht helfen. Eine diffuse Hoffnung. Tatsache ist, neben dem Edeka-Markt ist die Schleckerfiliale die einzige Einkaufsmöglichkeit am Ort. Im Ortsteil Neckarhausen wurde der dortige Drogeriemarkt schon vor einiger Zeit geschlossen.

Ein Passant erzÀhlt uns, die Filiale sei so etwas wie ein Tante Emma Laden.

Das ist das einzige GeschÀft direkt hier im Ortskern!

Viele Ă€ltere Menschen wohnen in Edingen, der Weg zum Industriegebiet ist fĂŒr sie zu weit und zu beschwerlich. Als wir ein Bild der Filiale machen, witzelt ein weiterer Passant:

„Sie machen wohl das letzte Bild, was?“

Keine Informationen durch die Pressestelle

ZurĂŒck in der Redaktion versuchen wir die Pressestelle zu erreichen. Der Anruf unter der uns mitgeteilten Telefonnummer bleibt erfolglos. Wie zu erwarten. Per email fragen wir erneut nach.

Bitte haben Sie VerstĂ€ndnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen ĂŒber einzelne MĂ€rkte, StĂ€dte oder Regionen treffen können.

Das ist der Informationsgehalt der erhaltenen Antwort. Einen Namen des Pressesprechers sucht man hier ĂŒbrigens vergebens. Die Mail ist lediglich mit „Pressestelle Schlecker“ unterzeichnet.

 

Deutschlandweite Kritik

Das Thema „Schlecker“ ist zur Zeit fast ĂŒberall zu finden. Die Unternehmerfamilie Schlecker steht stark in der Kritik. Auch Trigema-Chef Wolfgang Grupp geht hart mit Anton Schlecker ins Gericht.

GegenĂŒber der „WirtschaftWoche“ Ă€usserte er, Schlecker habe das Geld, das er mithilfe seiner BeschĂ€ftigten verdient habe, fĂŒr sich behalten. Weiter kritisierte er:

Hier werden diejenigen belohnt, die dem GrĂ¶ĂŸenwahn und der Gier frönen, wĂ€hrend die AnstĂ€ndigen die Dummen sind.

Laut Informationen der Financial Times Deutschland (FTD) soll nun eine sogenannte Planinsolvenz in die Tat umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um ein Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung. Das Unternehmen legt dem Insolvenzrichter dabei ein Sanierungskonzept vor, mit dem es entschuldet werden soll.

Die Familie Schlecker könnte so EigentĂŒmer der Kette bleiben. Wichtig dabei ist: Der Insolvenzverwalter ĂŒbernimmt nur die Aufsicht bei einem solchen Verfahren. Die GeschĂ€ftsfĂŒhrung bleibt weiter im Amt.

Danach wĂŒrde auch die GeschĂ€ftsfĂŒhrung PlĂ€ne vorlegen wie es mit Filialschließungen, Stellenabbau und Kostensenkungen weitergeht, nicht der Insolvenzverwalter.

Auf der Facebook-Seite des Unternehmens kommentiert eine Nutzerin das angekĂŒndigte Planinsolvenzverfahren wie folgt:

Das rettet unsere ArbeitsplÀtze auch nicht mehr. Danke Anton.

Laut Spiegel geht es aber nicht nur um die ArbeitsplĂ€tze, auch die GehĂ€lter sind in Gefahr. Mit einer Planinsolvenz kann das Unternehmen auch die bestehenden TarifvertrĂ€ge mit ver.di ausserplanmĂ€ssig kĂŒndigen. Schlecker wĂ€re sonst bis Juni an einen BeschĂ€ftigungssicherungs-Tarifvertrag gebunden gewesen, der Entlassungen nicht möglich macht.

Seit 2010 waren die Kinder von FirmengrĂŒnder Anton Schlecker fĂŒr eine Neuausrichtung des Unternehmens zustĂ€ndig.

Sie versprachen mehr Offenheit – umgesetzt wurde die aber nicht. Das zeigen solche versteckten SchachzĂŒge im Insolvenzverfahren ebenso, wie der mangelhafte Umgang mit Presse und Öffentlichkeit.

KundennĂ€he und unternehmerische Verantwortung fĂŒr die Mitarbeiter geht anders.