Rhein-Neckar/Stuttgart, 21. November 2013. (red/pm) Der Weinheimer Landtagsabgeordneten Uli Sckerl, Obmann der Grünen im EnBW-Untersuchungsausschuss zum „EnBW-Deal“ fordert die CDU auf, ihre Blockadehaltung zu beenden und eine Schiedsklage zu unterstützen, damit man hunderte Millionen Euro, die für die Übernahme eines Aktienpakets zuviel bezahlt hat, zurückholen kann. [Weiterlesen…]
„CDU kann nicht mit Geld umgehen“ – 778.621.577,78 Euro Schaden
Mappus: 778 Millionen Euro zuviel für EnBW-Aktien bezahlt
Stefan Mappus bei einem Wahlkampfauftritt 2011 in Heddesheim (Montage-Video)
Stuttgart/Rhein-Neckar, 21. November 2013. (red/pm) Das Gutachten des Professors Ballwieser lässt keinen Zweifel: Der frühere Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat 778 Millionen Euro zu viel beim Rückkauf der EnBW-Aktien bezahlt. Das ist der größte Schaden aller Zeiten, den ein Ministerpräsident in Baden-Württemberg je angerichtet hat. Kann man CDU-Politiker, die die Grün-rote Regierung in Sachen Haushalt kritisieren, noch ernst nehmen oder sollte man einfach die Frage stellen, wie viele Straßen man ihrer Meinung nach mit diesem Geld hätte bauen oder reparieren können? [Weiterlesen…]
CDU-Erbe: „Griechische Verhältnisse sind da nicht weit weg“
Rhein-Neckar/Ladenburg, 03. Oktober 2012. (red/la) Während die SPD noch immer Geschenke verspräche, würden die Grünen darauf setzen dem Wähler die bittere Wahrheit zu sagen. Bei der Kreisversammlung der Grünen am 20. September im Ladenburger Domhof erklärte Uli Sckerl, wie die Koalition das strukturelle Haushaltsdefizit 2020 in den Griff bekommen will und trotzdem gestalten will. Die CDU habe über Jahrzehnte defizitär gewirtschaftet und einen desolaten Schuldenstand von 140 Milliarden Euro hinterlassen.
Von Reinhard Lask
Der Haushalt Baden-Württembergs umfasst dieses Jahr 38,8 Milliarden Euro. Die Verschuldung des Landes betrage 140 Milliarden Euro. Finanziell gesehen hatte der grüne Landtagsabgeordnete Uli Sckerl nur schlechte Nachrichten zu verkünden.
Vertuschte Schulden
Die grün-rote Landesregierung habe beim Kassensturz 2011 eine strukturelle Deckungslücke in Höhe von 2,5 Milliarden Euro entdeckt.
Wir geben jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro mehr aus, als wir einnehmen. Schwarz-gelb hat diese Lücke jahrelang vertuscht. Griechische Verhältnisse sind da nicht weit weg. Es ist ein unbequemer Job diese Lücke wegzubekommen. Das wird auch zu Protesten bei vielen unserer Freunde geben.
Das größte Problem beim Sparen sei, dass das Land auf die meisten seiner Einnahmen und Ausgaben keinen Einfluss habe. Die meisten Steuern erhebe der Bund. Diese Einnahmen würden nach bestimmten Schlüsseln den Bundesländern zugewiesen.
Personalausgaben sind ein Schlüssel
Die Forderung „Erhöht doch einfach die Steuern“ könne ein Bundesland kaum umsetzen. 17 Milliarden Euro zahle das Land allein für Löhne, Gehälter und Renten – 44 Prozent des Staatshaushaltes. 6,6 Milliarden erhielten die Gemeinden als Zuweisungen.
Das meiste davon ist fest vereinbart. Es gibt kaum Posten, die vom Land beeinflusst werden können. Die meisten davon sind Pflichtleistungen, nur wenige sind freiwillige Leistungen, die man streichen kann. Hinzu kommt ein milliardenschwerer Sanierungsstau bei den Hochschulen oder Kliniken. Wir können also die 2,5 Milliarden Euro umfassende Strukturlücke nicht abbauen, ohne an die Gehälter und Personalausgaben ranzugehen.
Allerdings will die Landesregierung die 227.000 Personalstellen des Landes ohne betriebsbedingte Kündigungen reduzieren.
Wir werden die demografische Rendite und die hohe Zahl von Altersabgängen bis 2020 mitnehmen.
Sprich: Wenn Mitarbeiter in Rente gehen, gibt es für diese Stellen keine Nachfolger. Die Polizei soll von weiteren Sparmaßnahmen ausgenommen bleiben – zumindest im kommenden Doppelhaushalt:
Mit der schwierigen Reform hat die Polizei ihren Beitrag zur Konsolidierung geleistet.
Auch im Bildungsbereich, soll es keine weiteren Mittelkürzungen geben. Dabei verteidigte Sckerl die Abschaffung der Studiengebühren:
150 Millionen Euro Studiengebühren weniger einzunehmen ist finanzpolisch zwar eine Sünde, war sozialpolitisch aber absolut richtig.
Bei den Schulen sollen die vorhandenen Lehrer effektiver eingesetzt werden. Lehrer müssten viel zu oft unterrichtsfremden Tätigkeiten nachgehen. Deputats- und Lehrerstellensteuerungen sollen Lehrer an passende Stellen bringen. Die Situation sei auf dem Papier richtig gut:
Mit 1:14 besitzt das Land derzeit die höchste Lehrer-Schüler-Relation in der Geschichte. Wichtig ist nun intelligentere Systeme einzuführen, dass dies auch unten ankommt.
Straffes Sparprogramm
Bis 2014 sollen 800 Millionen Euro der 2,5 Milliarden-Euro-Lücke eingespart sein. Im Doppelhaushalt 2015/16 sollen es weiter 200 Millionen Euro werden. Danach sind strukturelle Maßnahmen geplant, um die restlichen 1,6 Milliarden Euro einzusparen. Ab 2017 will die Landesregierung – wenn sie denn wiedergewählt würde – auch die Regierungspräsidien umbauen und dabei die Verwaltung straffen.
Wir sind erste Regierung, die sich grundsätzlich an den Schuldenabbau macht. Wir sind auch die einzigen, die versuchen, das Sparen und Gestalten in Einklang zu bringen. CDU und FDP haben jahrelang Schiss gehabt dem Wähler die Wahrheit zu sagen. Ministerpräsident Erwin Teufel hat übrigens die meisten Schulden gemacht.
Spitzen in Richtung SPD
Dabei verteilte Sckerl auch Spitzen in Richtung Koalitionspartner:
Wir Grüne machen uns die Hände schmutzig, aber der Sozialdemokrat möchte Wohltaten verteilen und die Spendierhosen anhaben. Trotzdem werden wir dem Bürger die unangenehmen Wahrheiten mitteilen. Wenn wir diese Bewährungsprobe schaffen, bleiben wir lange oben. Wenn ihr mit kritischen Gewerkschaftlern reden wollt, werden wir euch dabei unterstützen. Wir machen das nicht im stillen Kämmerlein.
Im Land herrsche weitgehende Unkenntnis darüber, wie schlecht die Lage ist.
Mappus hat schöne schwarze Töne verbreitet. Die wurden breit und unkritisch in den Medien publiziert. Aber die meisten kennen nicht mal den Schuldenstand von 140 Milliarden Euro.
Leider müssten nun die Grünen die schlechte Botschaft überbringen.
Und das ist keine vergnügungspflichtige Veranstaltung.
„Aktion besenrein“: MdL Hans-Ulrich Sckerl zum Stand der Dinge des EnBW-Untersuchungsausschuss

Der Grünen-Obmann im EnBW-Untersuchungsausschuss Hans-Ulrich Sckerl (links) im Gespräch mit Chefredakteur Hardy Prothmann. Bild: fluegel.tv
Rhein-Neckar/Stuttgart, 05. September 2012. (red/pro/fluegel.tv) Der Weinheimer Grünen-Politiker Hans-Ulrich Sckerl ist Obmann der Fraktion im EnBW-Unterschungsausschuss. Im Exklusiv-Interview mit unserer Redaktion und dem Stuttgarter Internetsender fluegel.tv erklärt er die Funktionsweise des Ausschusses, die Fragen, denen nachgegangen wird und was bislang ans Licht der Öffentlichkeit gelangt ist.
Von Hardy Prothmann
Der von der CDU allseits gepriesene „EnBW-Deal“ ist ein politischer Krimi. Für 4,7 Milliarden Euro kaufte das Land fast die Hälfte der Aktien der EnBW vom französischen Konzern EdF. Geheimtreffen, Verfassungsbruch, ein Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus als „Sprechpuppe“ eines Investment-Bänkers Dirk Notheis (Morgan Stanley), der dem Parteifreund per email Anweisungen gab, was der Ministerpräsident zu sagen hatte, willfährige Journalisten und Wissenschaftler, die instrumentalisiert wurden (und sich haben instrumentalisieren lassen), eine ehemals renommierte Anwaltskanzlei Gleiss Lutz, die eine unrühmliche Rolle spielt, eine geschredderte Festplatte, fehlende Akten – die Liste der unglaublichen Vorgänge ist lang und macht fassungslos.
Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus sieht sich unbeirrt aller zu Tage geförderten skandalösen Details als Opfer von Grün-Rot, die ihm etwas „anhängen“ wollen und weist jede Verantwortung von sich, obwohl der Staatsgerichtshof den Ablauf des Aktien-Rückkaufs am Parlament vorbei als Verfassungsbruch beurteilt hat. Was als „tolles Geschäft“, das jeder „schwäbischen Hausfrau gefällt“, verkauft worden ist, scheint ein schlechtes Geschäft für die Steuerzahler gewesen zu sein. Die Grünen haben per Gutachten feststellen lassen, dass der Kaufpreis von 41,50 Euro deutlich überhöht war und ein fairer Preis bei 34,05 Euro gelegen hätte. Nach dem Wertgutachten wurden sage und schreibe 840 Millionen Euro zuviel bezahlt. Dirk Notheis, Deutschland-Chef von Morgan Stanley, nannte den Preis gegenüber dem Verkäufer „üppig“. Die Grünen haben Klage eingereicht und verlangen das Geld zurück.
Ende September und Oktober finden die entscheidenden Sitzungen des Untersuchungsausschusses statt. Stefan Mappus will nochmals auftreten, um seine Haltung zu verteidigen. Hans-Ulrich Sckerl erwartet sich von diesem Auftritt daraus keine neuen Erkenntnisse, wohl aber von anderer Stelle: Brisant könnten die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft Stuttgart werden, die gegen Stefan Mappus und seine Ex-Minister Helmut Rau und Willi Stächele wegen des Verdachts der Untreue ermittelt und umfangreiche Büro- und Hausdurchsuchungen durchgeführt hat.
Die CDU steht mit dem Rücken zur Wand – eine deutliche Distanzierung zum Verhalten von Stefan Mappus fehlt bis heute. Auch Bundeskanzlerein Angela Merkel ließ nach dem Abschluss des Deals ihre positive Einschätzung übermitteln. Aktuell fürchtet die Partei ein Desaster bei der Bundestagswahl 2013.
Für den Landtagsabgeordneten und Juristen Hans-Ulrich Sckerl zeigt der Skandal um den EnBW-Deal, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um den Einfluss der Banken auf die Politik zu beschränken:
Die Menschen haben durch den Skandal erkannt. Die Steuerzahler müssen in schwindelerregender Höhe für die Misswirtschaft von Banken blechen, denen sich gewisse Politiker zu ihrem eigenen Vorteil ausgeliefert haben. Die Versprechungen der Transparenz und Kontrolle wurden nicht umgesetzt. Das ist unterträglich und muss geändert werden.
Dokumentation der emails zwischen Mappus und Notheis
Monitor-Interview mit Hans-Ulrich Sckerl: Marionette: Wie die Investmentbank Morgan Stanley einen Ministerpräsidenten steuerte
Anm. d. Red.: Das Interview mit Hans-Ulrich Sckerl ist eine Kooperation mit dem Stuttgarter Internetsender „fluegel.tv„. Robert Schrem, Gründer des Bürgerportals, sowie die Kameramänner Bernd Fetzer und Hans-Georg Schulz haben die technische Umsetzung übernommen – eigentlich wollte man live über Satellit senden – staubedingt wurde aber die Zeit knapp und man konnte die Leitung nicht rechtzeitig einrichten. Der Gastronom Jan Hutter hatte freundlicherweise die Terrasse bei Hutter im Schloss zur Verfügung gestellt, die Stadt Weinheim einen Stromanschluss ermöglicht.
Fluegel.tv hat sich im Zusammenhang mit Stuttgart21 einen Namen durch umfangreiche Live-Übertragungen, Dokumentationen, Gesprächsreihen und „ungewöhnliche“ Herangehensweise an das Thema einen Namen gemacht. Kurz nach der Landtagswahl hat Ministerpräsient Winfried Kretschmann dem Sender auf eigenen Wunsch ein Exklusivinterview gegeben, weil der Politiker erkannt hat, dass fluegel.tv abseits der etablierten Medien eine hohe Aufmerksamkeit genießt.
Unsere Redaktion ist bereits lange mit den Machern von fluegel.tv in Kontakt. Nun ist der erste Schritt einer Kooperation gemacht – wir sind gespannt, was sich daraus entwickelt.
„Wir zahlen unsere Geburtstagsparty selbst“

Landtagspräsident Guido Wolf begrüßt die vielen Gäste zum Bürgerfest.
Stuttgart, 08. Juli 2012. (red/cr) Zum 60. Geburtstag Baden-Württembergs feierte der Landtag ein großes Bürgerfest. Das Gebäude stand allen Bürgern offen. Viele Gäste nutzten diese Gelegenheit,um sich mal den Ort anzusehen, von dem aus sie regiert werden.
Von Christian Ruser
Unterwegs zum Bürgerfest in Stuttgart. Als besonderen Service bieten Bündnis90/Die Grünen einen Bustransfer mit verschiedenen Sammelpunkten an. Während der Startpunkt in Dossenheim und die Haltepunkte in Schriesheim und Ladenburg unproblematisch sind, verlangt der Halt in Leutershausen dem Busfahrer alles ab. Grund hierfür sind die zugeparkten Straßen um das Heisemer Straßenfest.
Erst nach präzisem Rangieren und einer spontanen Umleitung des Gegenverkehrs gelingt es, den Bus aus dem Gassenlabyrinth zu befreien und wieder auf die B3 Richtung Weinheim zu bringen.
Ab dort läuft aber alles reibungslos. Die 34 Teilnehmer aus Dossenheim, Heddesheim, Hemsbach, Ilvesheim, Ladenburg, Leutershausen, Mannheim, Schriesheim, Weinheim, und Wilhelmsfeld sind gut gelaunt und freuen sich auf ein interessantes Bürgerfest im Landtag.
Um kurz vor elf erreicht der Bus den Landtag. Rund um das Gebäude herrscht schon mächtig Trubel. Überall sind Zelte aufgebaut und direkt vor dem Eingang zeigen die jungen Sportakrobaten der TSG-Hofherrnweiler-Unterrombach was sie drauf haben. Aber viel Zeit zum Umsehen bleibt nicht, schnell eine Karte für die Hausführung gesichert, bereits jetzt sind schon die meisten Touren voll, und dann ab in den Plenarsaal.
Heute sitzt die Staatsgewalt im Parlament
Noch sind ein paar Minuten Zeit. Für einige Bürger die Gelegenheit sich vor dem Landeswappen gegenseitig zu fotografieren. Nachdem Butler Willi (Reiner Scharlowsky) die Anwesenden höflich auf den Veranstaltungsbeginn hinweist, finden sich auch einige Abgeordnete ein.
Damit auch alle die Eröffnung verstehen, wird Guido Wolf von einer Gebärdendolmetscherin übersetzt. Schnell kommt er auf die Kernpunkte seiner Rede. Zum einen ist er froh, dass heute, gemäß des demokratischen Leitsatzes „Alle Macht geht vom Volke aus“, die Staatsgewalt im Parlament sitzt. Er wünscht sich für die Zukunft starke Bürgerbeteiligungen. Für ihn sind republikanische Demokratie und Bürgerdemokratie keine Gegensätze.

Heute sitzt die Staatsgewalt im Parlament
Auch ist für ihn Baden-Württemberg ein erfolgreiches Gemeinschaftsprojekt. Künstlich nach dem zweiten Weltkrieg zusammengelegt, haben sich die Bürger zu einer leistungsfähigen Gemeinschaft zusammengetan. 60 Jahre Baden-Württemberg ist für ihn auch 60 Jahre in den Länderfinanzausgleich einzahlen. So sagt er, nicht ohne Stolz:
Wir Baden-Württemberger zahlen unsere Geburtstagsparty selbst.
Die Zuhörer kommentieren seine Rede mit lautem Beifall. Aber wer wird sich an so einem Tag schon mit Kritik unbeliebt machen?

Auch kritische Stimmen sind erlaubt.
Vor dem Plenarsaal wirbt ein Mann für die direkte Demokratie. Obwohl er nicht auf die Besucher zu geht, suchen viele das Gespräch mit ihm. Offensichtlich ein Thema, dass die Bürger interessiert.
Politiker zum Anfassen
Aber auch viele Landespolitiker mischen sich unter das Volk. An den Parteiständen und im gesamten Gebäude stehen sie zum Gespräch bereit. Manfred Kern sorgt im Außenzelt sogar musikalisch für Stimmung.
Etwas behäbig wirkt dagegen die Elefantenrunde. Dort werden die Fraktionsvorsitzenden von den SWR-Moderatoren Jürgen Schmitz und Dieter Fritz zur aktuellen Politik befragt.

Elefantenrunde: Peter Hauk (CDU), Hans-Ulrich Rülke (FDP), Edith Sitzmann (Grüne) und Claus Schmiedel (SPD) (v.l.)
Zusammengefasst kann man sagen, dass die Regierungsparteien Bündnis90/Die Grünen und SPD gerne miteinander arbeiten und sich gegenseitig auch kritisieren können. Während CDU und FDP die Rolle der Opposition ernst nehmen. Von Stefan Mappus und dem Rückkauf der EnBW in der abgewickelten Form distanziert sich die CDU und begrüßt eine lückenlose Aufklärung. Im Publikum ist deutlich zu merken, dass ihnen bei dieser Runde die nötige Tiefe fehlt.
Es darf gelacht werden
Wer sich ein wenig von der Politik entspannen will, kann dies im Café, an den zahlreichen Imbissständen oder im Plenarsaal tun. Dort bietet jetzt ein Poetry Slam Abwechslung. Ob die besinnliche Kurzgeschichte von Pierre Jarawan, in der er erklärt, wie ein Flohmarkt ein Bazar und auch ein Stückchen Heimat sein kann oder das Gedicht über die Notwendigkeit klarer Konturen von Josefine Berkholz, man kann sich einfach hinsetzen, zuhören und genießen.

Der Wettbewerb ist vorbei.
Bei Julian Heun ist das nicht mehr so einfach, denn er stellt die Lachmuskeln seines Publikums auf eine harte Probe und wird dabei sogar noch gesellschaftskritisch. So meint er, dass der Wettkampf zugunsten der Competition aufgegeben wurde. Der klare Vorteil, beim Wettkampf gibt es Verlierer, wenn man „Competition macht“, dann schneidet man eben nicht so gut ab.
Alternativ gibt es Führungen durch das Haus der Abgeordneten. Ein 136 Meter langer Tunnel verbindet die Büros der Abgeordneten mit dem Landtag. Damit einem die Strecke nicht zu lang wird, ist der Tunnel mit Kunstinstallation aus Stahlrohren von Robert Schad verziert.
Auf der anderen Seite angekommen besucht man die Poststelle, die Druckerei und das Informationszentrum. Bei einem Blick in ein Abgeordnetenbüro stellt man fest, dass beim Arbeiten nicht viel Platz zum Entspannen bleibt. Zwei Schreibtische und ein paar Regale, mehr passt in einen Raum nicht hinein.
Gegen 15 Uhr ist es auch wieder Zeit für die Rückfahrt. Auch hier steht wieder der Bus bereit und zweieinhalb Stunden später erreicht der Bus auch wieder den ersten Ort.
Den Besuchern im Landtag wurden interessante Einblicke geboten und viele Politiker waren zu offenen Gesprächen bereit. Ein schönes Zeichen, dass es nicht „Die in Stuttgart“ sind, von denen die Politik kommt, sondern Menschen, die, obwohl sie die meiste Zeit mit politischen Fragen beschäftigt sind, die Bodenhaftung nicht verlieren wollen. Da kann man nur hoffen, dass das auch gelingt.
Reportage: Im Landtag nichts Neues?
Guten Tag
Hirschberg, 30. September 2010. „Ich traue meinen Ohren kaum, weil ich doch glaubte, ich säße in einem Parlament. Einem Ort der Würde und des Anstands“, denkt unsere junge Mitarbeiterin Jule Kuhn-Weidler, als sie zum ersten Mal persönlich das Geschehen im Stuttgarter Landtag verfolgt. Doch sie erlebt hämische Zwischenrufe, wilde Gesten, lange Flure. Auch das ist Politik, notiert sie auf ihrem Block. Wie sie den Landtag aus dem Blickwinkel einer 17-jährigen Schülerin erlebt, hat sie in dieser Reportage aufgeschrieben.

Der Baden-Württembergische Landtag - hier wird politisch entschieden. Bild:jkw
Text und Fotos: Jule Kuhn-Weidler
Die Tür fliegt auf und Uli Sckerl tritt in den Raum. 59 Jahre alt, 1,88 Meter groß, dunkelgraue Haare. Brillenträger. Figur normal. Bis auf den Politikerbauch. Eine ausgebeulte, volle Lederaktentasche unterm Arm. Jeans, grünes Hemd, dunkles Jacket.
Die SPD veranstaltet ne Sause.

Lässt sich nicht gerne fotografieren: MdL Uli Sckerl am Kaffeeautomaten. Bild: jkw
„Hallo“, sagt Sckerl knapp. Ein kurzer Blick und ein Handschlag begrüßen seinen Assistenten Benjamin Lauber und mich. „Die von der SPD veranstalten gerade ne Sause und jubeln“, sagt Sckerl. „Klar, wegen der aktuellen Umfrage“, sagt sein Assistent. Danach würde die SPD 25 Prozent erhalten und die Grünen satte 20 Prozent. Lauber guckt auf den Bildschirm: „Ich bin voll geplättet.“ Sckerl nickt und sagt: „Ist nur eine Umfrage, wir müssen die Landtagswahl 2011 abwarten.“
Es ist Ende Juli 2010. 12:00 Uhr mittags. Zweiter Stock. Haus der Abgeordneten. Neben dem Stuttgarter Landtag. Hier sitzen 139 Landtagsabgeordnete. Uli Sckerl ist einer davon, für Bündnis90/Die Grünen (17 Sitze). Es ist seine erste Legislaturperiode. Im März 2006 ist er über die Landesliste in den Landtag gekommen.
Ich habe noch keine große Erfahrung als Journalistin und stehe am Ende meines Praktikums beim hischbergblog.
Mein Auftrag: Schreibe eine Reportage über Deine Erfahrungen im Landtag. Schreibe ein Porträt über den Landtagsabgeordneten Uli Sckerl.
„Was gibt-€™s sonst?“
„Was gibt-€™s sonst?“, sagt Sckerl. Es gibt viel Neues. Die Liste der Themen und emails ist lang. Die Infos gehen zwischen den beiden hin und her. Konzentriert, intensiv, ab und an wird gescherzt. Eine halbe Stunde geht das so in diesem sechszen Quadratmeter großen Raum.
Das Büro ist voll gestellt mit Ordnern. Polizei, Direkte Demokratie, Finanzen, Rechtsradikalismus usw. steht da drauf. Es gibt kaum Bücher. Dafür aber überall Papierstapel. Gelocht, geklammert, gelblich und ab und an auch angerissen.
Es ist immer dieselbe Situation, hat mir vorher Benjamin Lauber erklärt. Er managt das Büro, bereitet die Informationen auf, vereinbart Termine, recherchiert. Die Zeit ist immer knapp. Auch heute wieder. Um 13:00 Uhr ist Fraktionssitzung.

Der lange Gang durch die Instanzen im Landtag. Bild: jkw
Der Versammlungsraum der Grünen-Fraktion ist in der 14. Legislaturperiode zu klein geworden. Wir müssen ins Nebengebäude. In einen lichten Raum mit beigem Teppich und einheitlichen Ledersitzen
„Was heute hier besprochen wird, verlässt nicht diesen Raum.“
Vorab der Satz: „Was heute hier besprochen wird, verlässt nicht diesen Raum.“ Der Fraktionsvorsitzende Winfried Kretschmann hat für die kommenden vier Stunden hauptsächlich das Wort. In der Pause werden die Abgeordneten, aber auch die Berater und Praktikanten mit Kaffee und Kuchen versorgt.

Ordner, Ordner, Ordner. Schrankwand im Abgeordentenbüro. Bild: jkw
Besonders eine Strategie zeichnet sich ab: die Abwarten-Verhandeln-Vermarkten-Strategie. Es wird abgewartet, wann welches Thema besonders präsent ist, oder welches gerade im Interesse des Bürgers liegt. Es wird verhandelt, mit möglichen Fraktionen, die einen ähnlichen Antrag unterstützen würden. Danach wird das Thema mit Hilfe von Medien und Kontakten für die Öffentlichkeit vorgestellt.
Ich laufe zurück ins Büro. Auf dem Weg werde ich von einem Herrn im maßgeschneiderten Anzug angesprochen, der den gleichen Weg hat.
Kein Lächeln mehr für mich.
„Machen Sie hier ein Praktikum?“, fragt der Herr außerordentlich freundlich und lächelt.
„Ja“, antworte ich ebenfalls höflich.
„Bei welcher Partei sind Sie denn?“, fragt der Herr.
„Bündnis90/Die Grünen“, sage ich, ohne zu erwähnen, dass ich dort als journalistische Praktikantin nur zu Besuch bin, mit dem Auftrag darüber zu berichten.
„Oh, achso, na dann“, sagt der Herr und läuft sogleich einen Schritt schneller, um nicht weiter mit mir reden zu müssen.
Auch an den folgenden Tagen wird mich der Mann weder grüßen, noch anlächeln.
Für diesen Tag bin ich fertig.
Ich mache mich auf die Suche nach meiner Jugendherberge, dort wurde von Benjamin Lauber für mich ein Bett reserviert.
Fürs Protokoll.
Dort angekommen gehe ich noch einmal meine Notizen durch, als plötzlich die Tür auffliegt und eine junge Frau mit Köfferchen im Zimmer steht. Wir begrüßen uns.
„Was machst du in Stuttgart?“, frage ich.
„Ich bin Stenografin im Landtag für die nächsten zwei Plenumstage“, bekomme ich als Antwort.
„Was machst Du genau?“ frage ich.

Redner im Plenum. Bild: jkw
„Ich bin eine von denen, die immer neben dem Pult des Redners sitzen, ihren Bleistift in der Hand und wie wild auf einen Din-A5-Block kritzelt, was gesagt wird. Die Notizen für das spätere Protokoll. Es erfordert Konzentration und Genauigkeit. Einrufe müssen zu dem jeweiligen Politiker zugeordnet werden.“
Einrufe. Davon gibt es viele – von jeder Partei.
Szenenwechsel – ich bin wieder im Landtag.
Schäbig.
„Reden Sie nicht von Anstand, wenn Sie selbst keinen haben!“
„Sie sind einfach nur schäbig!“
„Sie reden von Ideologie? Aber davon können sie wahrlich nur träumen!“
So geht das in einem fort.
Ich traue meinen Ohren kaum, weil ich doch glaubte, ich säße in einem Parlament. Einem Ort der Würde und des Anstands.
An dem Ort eines öffentlichen, konstruktiven Austauschs. Dem ist nicht so.
Und dabei sitzen doch Nonnen und Rentner im Publikum, teils mit steinernen Gesichtern. Es ist klar, dass diese „Einwürfe“ ihnen gar nicht gefallen.
Die Stimmung im Landtag ist angespannt. Gerade bei dem Thema Bildung gehen die Interessenlagen weit auseinander.
Es donnert und poltert dort unten, als ich gerade wieder die Plenumssitzung von der Tribüne aus verfolgen möchte. Schon nach kurzer Zeit stelle ich mir die Frage, ob es sich lohnt, dem Theater da unten zu folgen.
Meine Gedanken schweifen ab und ich beginne die Politiker optisch zu mustern.
I-Phone ist interessanter als Politik.
Fast alle tragen Anzug und Krawatte. Die Abgeordneten der Grünen stechen ein wenig heraus. Keine Krawatte, das Hemd nicht bis oben zugeknöpft und auch die feinen Lederschuhe sind ab und an durch gemütliche Turnschuhe ersetzt.

Die Autorin: Jule Kuhn-Weidler. Bild: jkw
Ich habe mir eine simple Kleiderordnung gegeben: Alles außer zerrissene Jeans und zu knallige, figurbetonte Oberteile.
Bei anderen Parteien sehen die Praktikanten schon anders aus. Für zwei Jungs bei der FDP ist der Anzug und die Krawatte Pflicht, genauso wie die gegelten- und zur Seite gekämmten Haare. Allerdings scheinen sich die jungen Männer eher weniger für die Politik ihrer Partei zu interessieren. Mehr noch interessiert das I-Phone auf ihrem Schoss.
Ich beobachte die Politiker weiter. Der Ministerpräsident, Herr Mappus, runzelt ununterbrochen die Stirn, während ein SPD-Abgeordneter einen besonderen Streitpunkt anschlägt.
Beifall in jeder Sprechpause von SPD und Grünen. Die restlichen Abgeordneten sitzen relativ unbeeindruckt auf ihren Plätzen und warten auf den Sprecher ihrer eigenen Partei.
Schwierige Zusammenhänge.
Bei kritischen Aussagen wird wieder eingerufen. So darf man sich den restlichen Nachmittag vorstellen. Es passiert nicht wirklich etwas Interessantes.
Noch etwas fällt mir besonders auf. Die unterschiedlichen Redensarten. Der eine liest seine Rede völlig vom Papier ab, der nächste wirbelt nur so mit Statistiken um sich, ein anderer versucht den restlichen Politikern ins Gewissen zu reden und wiederrum ein anderer fuchtelt mit den Armen um sich, um die Bedeutung seiner Worte noch mehr hervorzuheben.
Ich merke, dass gerade die Streitpunkte mir Schwierigkeiten bereiten. Ich verstehe Zusammenhänge nicht sofort und auch die Argumentation der Politiker ist für mich schwer nachvollziehbar.
Aber es geht nicht nur mir so. Die restlichen Zuschauer haben offensichtlich ebenfalls große Probleme zu folgen.
Manche fragen fortlaufend ihren Sitznachbarn und andere haben es sich gemütlich gemacht, um ein Nickerchen zu halten. Wenige Zuschauer blättern verzweifelt in ihren Informationsheftchen, um wenigstens den Versuch zu unternehmen, die Debatte der Fraktionen zu verstehen.
So läuft Politik.
Drei anstrengende Tage gehen so vorüber. Ich habe viel gesehen und viel Neues erfahren. Manches hat mich überrascht, manches sehr enttäuscht.
Partei ist nicht gleich Partei und auch die Erkenntnis, dass Zeit hier Mangelware ist, wurde mir immer wieder vor Augen geführt.
Und es wird „scharf geschossen“ in der Landespolitik. Aber so läuft Politik, wird mir gesagt.

Sitzgruppe - ein Ort des Treffens, an dem sich niemand trifft. Bild: jkw
Der Einblick in den Landtag hat mir gezeigt: Politik ist wichtig. Und es ist wichtig, dass darüber gesprochen wird.
Gäbe es kein Parlament, das sich mit ausschlaggebenden Pro- und Kontra-Argumenten zu den vielen Themen beschäftigen würde, so würde wohl die gesamte Gesellschaft ganz und gar zerbrechen.
Unübersichtliche Gänge der politischen Arbeit.
So unübersichtlich die Gänge im Landtag sind, so verschachtelt ist auch die Arbeit dort.
Zu viele Sackgassen und Einbahnstraßen versperren den Weg, zu einer einheitlichen Entscheidung zu kommen.
So viele Namensschilder wie es an den Türen gibt, so viele unterschiedliche Meinungen gibt es auch. Im Parlament werden die oft auf eine „gemeinsame“ reduziert. Und das wird sich so schnell wohl auch nicht ändern.
Aber das alles ist nur ein Eindruck.
Ich habe drei intensive der Beobachtung hinter mir und habe viel gelernt und verstanden. Und gemerkt, dass die Arbeit als Journalistin ganz schön anstrengend ist.
Was wäre, wenn ich das seit Jahren schon tun würde?
Könnte ich dann behaupten, die Politik im Landtag verstanden zu haben?
Ich glaube nicht.
Und ich habe den Eindruck, dass auch die Politiker damit selbst große Schwierigkeiten haben.

Jung, rockig experimentierfreudig - Jule Kuhn-Weidler.
Anmerkung der Redaktion:
Jule Kuhn-Weidler (17) ist Gymnasiastin und absolviert neben ihrem Hauptjob, der Schule, ein redaktionelles Praktikum beim hirschbergblog.
Sie stammt aus einem „politischen“ Haus – ihr Vater, Arndt Kuhn-Weidler, ist im Vorstand der Grünen Liste Hirschberg und deren Sprecher.
Von der Redaktion bekam sie den Auftrag, den Landtagsabgeordneten Hans-Ulrich Sckerl zu porträtieren sowie eine Reportage aus dem Leben eines Abgeordneten im Stuttgarter Landtag zu schreiben.
Jule hat noch eine Aufgabe vor sich, dann wird ihr Praktikum bei uns beendet sein und weil sie weiter journalistisch arbeiten will, begrüßen wir sie ab November 2010 als freie Mitarbeiterin.
Da im März 2011 Landtagswahlen anstehen und sie aus unserer Sicht eine hervorragende Arbeit abliefert, werden wir sie auf die anderen Kandidaten „ansetzen“, die sich zur Wahl stellen.
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