Dienstag, 07. Juni 2022

Die Darstellung und Erreichbarkeit von Kommunalpolitikern ist oft ungenügend

Hallo? Ist da jemand?

gemeinderat uebersicht

Beispiel Schriesheim: Teils fehlen Informationen zu den Lokalpolitikern, meist sind Darstellung und Übersicht mangelhaft. Man hat den Eindruck, die Gemeinderäte wollen nicht wirklich für die Bürger erreichbar sein.

 

Rhein-Neckar, 31. Oktober 2014. (red/ms) Wäre das nicht schön? Man hat Fragen zu kommunalpolitischen Themen und kann sich damit direkt an Gemeinde- oder Stadträte wenden. Manche Kommunen in unserem Berichtsgebiet machen es Bürgern leicht, ihre Politiker zu erreichen, indem sie auf ihren Internetseiten Übersichten mit Kontaktdaten anbieten – doch vielerorts sind diese Angaben mangelhaft und von Transparenz kann keine Rede sein. Teilweise ergibt sich der Eindruck, die Lokalpolitiker wollten gar nicht erreicht werden.  [Weiterlesen…]

Lokaljournalismus 2.0

Vier Jahre Heddesheimblog: Wie aus Zufall ein System wurde

moma_prothmann

Hardy Prothmann, Chefredakteur, in einem Beitrag von ARD-Morgenmagazin zur Krise des Journalismus.

Heddesheim/Rhein-Neckar, 12. Mai 2013. Das Heddesheimblog.de und die anderen Ortsblogs gibt es nun seit vier Jahren – wir freuen uns sehr, dass wir diese vier Jahre überstanden haben und uns vor Ort, in der Region und sogar darüber hinaus etablieren konnten. Ein Blick zurück ist immer auch einer nach vorne. [Weiterlesen…]

Zeitgemäßes Design, "neue Maßstäbe" (bisher) Fehlanzeige

Ländle mit neuer Homepädsch

Rhein-Neckar, 04. Februar 2013. (red/zef) Seit dem 01. Februar 2013 hat das Land Baden-Württemberg eine neue Online-Plattform. Die Homepage soll neue Maßstäbe setzen, damit „sich die Bürgerinnen und Bürger mit Politik auseinandersetzen“, sagt die Silke Krebs, Ministerin im Staatsministerium. Wir haben uns die Seite angeschaut: „Neue Maßstäbe“ gilt im Vergleich mit der alten Seite bestimmt, das Design ist frisch und modern – inhaltlich und konzeptionell kann die Seite aber durchaus noch zulegen. Immerhin: In den ersten drei Stunden nach dem Start am 1. Februar haben bereits 2.500 Menschen insgesamt 15.000 Seiten aufgerufen – und das innerhalb von drei Stunden.

Von Ziad-Emanuel Farag

Oben sind die fünf strukturierenden Elemtente zu sehen, darunter der anschauliche Slider mit aktuellen Artikeln. Quelle: www.baden-wuerttemberg.de

 

Sofort sticht der ansprechende Slider ins Auge. Dieser präsentiert aktuelle politische Themen anschaulich. Hier kommen nicht nur Artikel, sondern auch andere Medien wie Videos oder Fotostrecken zum Einsatz  Aktuelle Beispiele wären: Ein Zeitstrahl darüber,was die grün-rote Landesregierung bisher geleistet hat, die Ganztagsschule oder die Bildungsgerechtigkeit. Man kann den Slider automatisch die Artikel abspielen lassen oder einfach bequem per Pfeil in der Mitte oder der Navigationsleiste unten wechseln.

Besonders brisant wirkt der „transparente Landeshaushalt“. Hier gibt es zwar viel Zahlenwerk: Das Regierungspräsidium Stuttgart erhält 8,4 Millionen Euro für Bundesautobahnen, während Kalrsruhe 4,4 Millionen Euro erhält . Viele Fragen bleiben hier aber völlig unbeantwortet: Wieviel Geld wird in welche Autobahnen investiert? Da stehen viele Zahlen – ohne weitere Informationen sind sie kaum zu nutzen. Da steht gar nichts! Bei den Hochschulen ist der Landeshaushalt auch sehr pauschal: Einzeln aufgeschlüsselt werden die aktuellen Zuwendungen für Baumaßnahmen. Über die Verteilung der restlichen 336 Millionen Euro erfährt man nichts. Bloß keine Verteilungskritik riskieren, scheint hier die Devise zu lauten. Der „transparente Landeshaushalt“ verspricht mehr als er hält. Die Bedienung ist zudem äußerst umständlich.

Die Seite unterteilt sich ingesamt in fünf Rubriken: “Unser Land”, “Regierung”, “BW gestalten” “Service” und “Beteiligungsportal”. Die ersten vier ermöglichen eine einfache Orientierung. Legt man den Cursor auf einer dieser Buttons, wird eine umfangreiche, aber übersichtliche Auflistung der Unterpunkte angezeigt. In der Rubrik „Regierung“ gelangt man schnell zu Vorstellungen der Regierungsmitglieder und ihrer Ministerien. „Unser Land“ bietet einen Überblick über alles Erdenkliche zu Baden-Württemberg. Geschichte, Geografie, Landesverfassung, ein Quiz zur Unterhaltung, Traditionen, hier ist alles dabei.

„BW gestalten“ erklärt, wie Baden-Württemberg künftig aussehen soll:  „Erfolgreiches Baden-Württemberg“ (Wirtschaftspolitik), „Schlaues Baden-Württemberg“ (Bildungspolitik), „Nachhaltiges Baden-Württemberg (Energiepolitik)“, „Bürgernahes Baden-Württemberg (Bürgerbeteiligung und Integration)“ und „Gerechtes Baden-Württemberg (Gleichstellung, Inklusion, Gesundheitspolitik)“. Dies liest sich aber zunehmend fade, irgendwann hat man dann genug von Baden-Württemberg. Wenigstens fasst die Landesregierung hierbei ihre politischen Ziele unter wenigen, verständlichen Schlagworten zusammen. In der Rubrik „Service“ erhält der Leser viele Informationen, um Kontakt zu Ämtern aufzunehmen, sich einen Überblick über Publiktationen zu verschaffen oder einfach einen Ansprechpartner zu erhalten.

Die Detailansicht in den einzelnen Rubriken. Quelle: www.baden-wuerttemberg.de

 

Das „Beteiligungsportal“ schließlich soll künftig “Mehr Demokratie klicken” gewährleisten. Dem müssen jedoch außer bloßen Ankündigungen Taten folgen. Dafür gibt es bereits auf der Startseite einen Textkasten, in dem man schnell eine Frage an die Landesregierung eintippen kann. Wir haben diese Funktion mit einer Frage am Freitag selbst getestet. Bis heute, den 04. Februar 2013, 17:00 Uhr haben wir noch keine Antwort erhalten.  Am, Dienstag, den 05. Februar, wurde sie um 14:43 beantwortet.

Wir erinnern uns: Baden-Württemberg soll gerecht werden. „Menschen mit Behinderung gehören in die Mitte der Gesellschaft. Deshalb bauen wir Barrieren und Benachteiligungen ab.“ Nirgendwo geht das schneller und einfacher als online. Eine Seite, die möglichst alle mit Behinderungen leicht nutzen können, ist unverhandelbar: Nirgendwo gibt es so wenige Barrieren wie am eigenenen Rechner. Hier scheitert die neue Homepage aber: Einige Artikel können zwar vorgelesen werden. Dies geschieht jedoch so blechern, dass man dem nicht folgen kann. Wenn doch, würde man es nicht wollen. Mit den verbreiteten Lesegeräten für Blinden fällt es diesen also deutlich einfacher, sich zu informieren. Der Button dafür ist viel zu klein. Sehbehinderte dürften ihn nicht ausmachen können. Hier wäre es ratsam, die entsprechende Funktion in der Zeile der Überschrift zu platzieren anstatt neben der Unterüberschrift.

Die Vorlesefunktion ist in dieser Zeile nur schwer zu sehen. Quelle: www.baden-wuerttemberg.de

 

Der neue Maßstab muss also noch ordentlich Maß nehmen, um tatsächlich überzeugen zu können. Immerhin, ein Anfang ist gemacht und man darf gespannt sein, was noch folgt.

Kommunale Vertretung will Transparenz verhindern

Städtetag Baden-Württemberg zeigt abgeordnetenwatch.de an

Was bitte soll hier geschützt werden? Für Bruchsal gibt es bereits eine Seite bei abgeordnetenwatch.de und anscheinend sind die "Freizeitpolitiker" bereit, mitzumachen. Der Städtetag sieht das anders und hat die NGO angezeigt.

 

Rhein-Neckar/Stuttgart/Hamburg, 25. Mai 2012. (red) Der Städtetag Baden-Württemberg hat in Vertretung seiner Mitglieder, 180 Städte und Gemeinden des Landes, das unabhängige NGO-Portal abgeordnetenwatch.de beim Hamburger Datenschutzbeauftragten angezeigt. Nach Angaben von abgeordnetenwatch erfolgte die Anzeige kurz nach dem Start von Seiten für Baden-Württemberg. Aus anderen Bundesländern gab es keinen Widerstand. Der Städtetag will verhindern, dass Daten kommunaler Politiker veröffentlicht werden. Tatsächlich darf man vermuten, dass Transparenz verhindert werden soll.

Von Hardy Prothmann

Es ist ein Skandal erster Güte und macht einfach nur fassungslos, wie sich der kommunale Spitzenverband „Städtetag“ aufführt. Besonders interessant ist die Herabstufung der ehrenamtlich tätigen Gemeinderäte zu „Freizeitpolitikern“.

Dokumentation der Anzeige:

Der Städtetag Baden-Württemberg macht im Wesentlichen geltend, dass die Veröffentlichung personenbezogener Informationen auf der von Ihrem Verein betriebene Internetplattform http://www.abgeordnetenwatch.de datenschutzrechtlich unzulässig sei bzw. die schutzwürdigen Interessen der Mitglieder der kommunalen Volksvertretungen höher zu gewichten sind, als die durch die Plattform erzeugte Transparenz die Tätigkeit der kommunalen Einrichtungen. Nach Auffassung des Städtetages sei eine Nennung der Mitglieder nur zulässig, wenn dies nicht gegen den Willen der Betroffen erfolgt. Es handele sich bei diesen Mitgliedern, anders als bei Mitgliedern der Landesparlamente oder des Bundestages, um Freizeitpolitiker. Sie seien daher schutzwürdiger als Berufspolitiker und unterlägen nicht denselben Transparenzanforderungen, wie dies bei den Volksvertretungen auf Landes- bzw. Bundesebene der Fall sei.

Sicher erhalten die Gemeinde- und Stadträte nur eine Aufwandsentschädigung und gehen sonst anderen Berufen nach – oder sind oft auch schon Rentner. Tatsächlich werben sie im Vorfeld von Kommunalwahlen mit ihrem Namen und Fotos für sich, treten bei öffentlichen Veranstaltungen häufig als Vertreter von Parteien vor Ort auf, Medien zitieren die Gemeinderäte regelmäßig und auf den Homepages vieler Gemeinden sind Fotos und Kontaktdaten der Gemeindratsmitglieder veröffentlicht.

Der Städtetag, der mehr oder weniger ein Bürgermeisterverein ist und deren Interessen vertritt, hat vielleicht noch nicht bemerkt, dass Gemeinderäte Jahr für Jahr über Millionensummen entscheiden, alle Haushalte zusammengenommen über mehrere Milliarden Euro öffentlicher Steuergelder. Die Hauptaufgabe der Gemeinderäte ist die Entscheidung über die Mittelverwendung des Haushalts.

Schutzwürdige Daten?

Die Daten, die abgeordnetenwatch.de erfasst und veröffentlicht unterscheiden sich nicht wesentlich von den Daten, die man selbst recherchieren kann und die in den meisten Fällen von den Gemeinderäten freiwillig veröffentlicht werden. Es gibt allerdings einen Unterschied zu Gemeindeseiten: Man kann den Politikern Fragen stellen und dann schauen, ob und wie diese beantwortet werden. Dadurch wird Transparenz erzeugt und die Öffentlichkeit erhält wesentliche Informationen zur freien Meinungsbildung.

Wer im Jahre 2012 nicht bereit ist, sich den Fragen der Bevölkerung zu stellen, der sollte auch nicht bereit sein, sich als Kommunalpolitiker wählen zu lassen. Denn als Gemeinderat trifft man keine „Privatentscheidungen“, sondern wirkt an der Gestaltung des öffentlichen Lebens und der Infrastruktur einer Kommune aktiv mit. Man wird als Person und nicht als „Neutrum“ gewählt.

Dialog vs. Politikverdruss

Der Politikverdruss ist häufig schon so groß, dass viele Bürger die Gemeinderatssitzungen nicht mehr besuchen. Allzu häufig handelt es sich um „Closed-Shops“ – wichtige Entscheidungen sind schon vorher ausgeklüngelt worden. Echte Debatten finden kaum statt. Und statt sich Fragen der Öffentlichkeit zu stellen, will der Städtetag nun erreichen, dass dieses bürgerferne System so gut es geht geschützt bleibt.

Ein Beispiel: In Heddesheim hat der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Joseph Doll unsere Redaktion über einen Heidelberger Anwalt, der häufig für Gemeinden tätig ist, abmahnen lassen. Der Grund: Wir sollten Aussagen unterlassen. Das haben wir nicht gemacht, sondern reihenweise Aussagen erneut veröffentlicht, weil sie wesentlich für die Meinungsbildung sind.

Wir haben geantwortet, dass wir das gerne gerichtlich feststellen lassen, ob ein CDU-Gemeinderat und Fraktionsvorsitzender ein Foto von sich auf einer öffentlichen Veranstaltung per Abmahnung verhindern kann. Wir haben dann nichts mehr vom Anwaltsbüro gehört.

Es ist absolut unverständlich, wenn Gemeinderäte einerseits voller Stolz über ihr Amt gerne bei Festen oder anderen Anlässen auftreten und sicher auch die ein oder andere Vergünstigung in Anspruch nehmen und andererseits verlangen, dass sie ansonsten Privatpersonen mit hohen schutzwürdigen Interessen sind und sie sich einem Dialog verweigern.

Der Gemeinderat ist das Hauptorgan der Gemeinde. Hier wird über Wohl und Wehe der Kommunen entschieden. Und gewählte Vertreter dieser Gremien täten gut daran, endlich zu verstehen, dass sie auch während der Amtszeit der Öffentlichkeit gegenüber verpflichtet sind und sich mit den Bürgern austauschen und nicht nur, wenn Kommunalwahl ist.

Wir werden abgeordnetenwatch.de dabei unterstützen, schnellstmöglich auf für die Gemeinden in Nordbaden diesen Service anbieten zu können. Wer uns dabei unterstützen möchte, kann uns schreiben: redaktion(at)rheinneckarblog.de

Hintergrund:

abgeordnetenwatch.de

abgeordnetenwatch.de ist der direkte Draht von Bürgerinnen und Bürgern zu den Abgeordneten und Kandidierenden. „Bürger fragen – Politiker antworten“ ist der Kern des Portals. Der öffentliche Dialog schafft Transparenz und sorgt für eine Verbindlichkeit in den Aussagen der Politiker. Denn alles ist auch Jahre später noch nachlesbar. Daneben werden auf abgeordnetenwatch.de das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten und ihre Nebentätigkeiten öffentlich. Mit monatlich fast 400.000 Besucherinnen und Besuchern sowie gut 4 Mio. Seitenabrufen ist abgeordnetenwatch.de das größte politische Dialogportal Deutschlands. (Quelle: abgeordnetenwatch.de)

Städtetag

Der Städtetag Baden-Württemberg ist ein kommunaler Spitzenverband, dem 180 Städte des Landes Baden-Württemberg mit insgesamt rund 6,3 Millionen Einwohnern angehören. Mitglieder sind außerdem der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, die badenova AG & Co. KG., der badische Gemeinde-Versicherungs-Verband (BGV), die Württembergische Gemeinde-Versicherung a.G. (WGV) und der Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU). Der Städtetag ist privatrechtlich als eingetragener Verein organisiert. Er ist unabhängig von staatlicher Aufsicht und staatlichen Einflüssen, Zuschüsse werden nicht gewährt. Der Städtetag ist Mitglied und Landesverband des Deutschen Städtetages. Der Städtetag Baden-Württemberg hat eine Geschäftsstelle mit Sitz in Stuttgart. (Quelle: Wikipedia)

Transparente Politik: Wie die kleine Gemeinde Seelbach anderen zeigt, was die Zukunft ist

Guten Tag!

Rhein-Neckar/Seelbach, 16. November 2011. Während sich die Bundesregierung seit kurzem scheinbar transparent gibt, gibt es sie bereits seit langem: Die echte Transparenz. Ein kleiner Ort im Schwarzwald macht vor, was andere nur vorgeben zu tun: transparente Politik. Die Gemeinde Seelbach überträgt, als wäre das eine Selbstverständlichkeit, die Gemeinderatssitzungen übers Internet. Einfach so. Und alle sind zufrieden.

Kommunalpolitik zuhause über den Bildschirm des Computers im Internet verfolgen – was vor zehn Jahren schier undenkbar schien, ist heutzutage kein Problem mehr. Zumindest technisch gesehen – in vielen Köpfen hingegen ist das noch eine „unerhörte“ Sache.

Weniger Zuschauer im Saal können es nicht werden.

Dabei ist die Zuschauerresonanz bei den Gemeinderats- und Ausschusssitzungen meist mehr als überschaubar. Häufig kommen gar keine Gäste.

Dabei ist das politische Interesse der Bevölkerung durchaus gegeben – aber zwei, drei Stunden, manchmal noch länger zum Schweigen verurteilt im Raum zu sitzen, dafür haben nur wenige Zeit. Dabei interessieren sich die Menschen für die Ortspolitik. Reden auf der Straße, in der Kneipe, im Freundeskreis über das, was sie aus zweiter, dritter, vierter Hand haben.

Viele Themen sind nicht wirklich spannend – andere dafür aber von großer Bedeutung.

Wer noch arbeitet, gerade müde nach Hause gekommen ist oder sich um die Kinder kümmern muss, kann eventuell den Sitzungstermin nicht wahrnehmen, würde sich aber gerne später anschauen, was verhandelt worden ist.

Transparenz gibt Antworten und vermeidet Spekulationen.

Wer will es aber dem eigentlich interessierten Bürger verübeln, sich den Weg ins Rathaus zu sparen, wenn Entscheidungen und Beschlüsse in den Medien nachzulesen sind? Aber berichten diese Medien wirklich vorbehaltlos? Haben sie wirklich alle wichtigen Informationen richtig übermittelt? Oder wird gerne was vergessen, was nicht „in den Bericht passt“?

Wer wirklich informiert sein will, kennt das Original und vergleicht das mit der „Übermittlung“ durch andere.

Wird jemand falsch oder nicht zutreffend zitiert? Wie soll man das wissen, wenn man nicht dabei war? Was sagen Bürgermeister und Gemeinderäte in den öffentlichen Sitzungen tatsächlich? Wer sagt was? Worüber und wie wird abgestimmt?

Alles live oder im Archiv abrufbar: Die Seelbacher Gemeinderatssitzungen werden bereits seit 2004 im Internet übertragen.

Eine Live-Berichterstattung kann den Bürgern all diese Fragen beantworten, ohne dass diese das Haus verlassen müssen – beispielsweise auch ältere Menschen, von denen immer mehr das Internet als Anschluss zur Welt schätzen lernen.

Widerstand kommt vor allem von den Gemeinderäten.

Die Betreiber lokaler Blogs und Internet-Lokalzeitungen kämpfen gegen viel Widerstand – gegen verstaubte Hauptsatzungen und viele Vorurteile lokaler Politiker. Einen (vorerst) weiteren, bedingt erfolgreichen Versuch, Lokalpolitik live ins Netz zu übertragen, gab es im September in Passau, wo einiger Wirbel um das Thema entstand.

Vor allem die SPD machte die Modernisierung zur Provinzposse – die SPD-Mitglieder wollten sich auf keinen Fall aufnehmen und zeigen lassen. So hätte die Übertragung mit jeder SPD-Wortmeldung unterbrochen werden müssen. Nachdem sich die SPD in Passau der Lächerlichkeit preisgegeben hat, hat man sich besonnen und ist nun doch „auf Probe“ einverstanden, wie der Bayerische Rundfunk berichtet.

Engagierte Schüler und 5.000 Euro Budget fürs Bürgerfernsehen.

Es geht aber auch anders, wie eine kleine Gemeinde im Schwarzwald zeigt. Unter dem Titel Seelbach-TV überträgt die Gemeinde Seelbach bereits seit 2004 alle Gemeinderatssitzungen ins Netz und bietet sie anschließend lückenlos zum Download übers Internet an.

Das Gesamtbudget dafür beträgt vergleichsweise günstige 5.000 Euro pro Jahr. Acht bis neun Schülerinnen und Schüler der örtlichen Realschule führen in wechselnden Teams zwei Kameras und bedienen die sonstige Technik. Die Fachhochschule Kehl betreut das Projekt als Partner.

In den Sitzungen haben wir nie so viele Zuschauer, sagt Pascal Weber.

Hauptamtsleiter Pascal Weber ist begeistert: „Aus unserer Sicht ist das Projekt ein toller Erfolg.“ Das zeigen die „Einschaltquoten“ der 5.000-Einwohner Gemeinde: mehrere Dutzend bis weit über 100 „Zuschauer“ hat das Bürger-TV in Seelbach. Regelmäßig.

Rechnet man diese Zahlen hoch, wären das beispielsweise für Hirschberg an der Bergstraße 60-180 Besucher pro Sitzung, für Ladenburg 70-200, für Weinheim 250-720 Besucher. Tatsächlich nimmt in Hirschberg oft niemand, manchmal wenige und sehr selten vielleicht ein Dutzend Besucher teil. Der aktuelle Besucherrekord in Weinheim war 2011 im Oktober mit rund 130 Zuschauern zum Aufregerthema „Breitwiesen“ – sonst sind ein paar bis höchstens ein Dutzend Zuschauer die „Höchstgrenze“ an Interesse.

SeelbachTV.de - Transparenz als Normalzustand.

Die Skepsis war schnell vorbei.

Gab es keine Bedenken? „Doch“, sagt Hauptamtsleiter Weber:

Zu Beginn waren rund ein Drittel unserer 18 Gemeinderäte skeptisch. Was wenn ich stammle oder blöd wirke, so in der Art waren die Bedenken. Aber nach den ersten paar Sitzungen hat sich die Skepsis gelegt und seitdem achtet keiner mehr auf die Kameras. Die gehören dazu.

Wer denkt, Seelbach ist vielleicht ein Ort, den „Aktivisten“ übernommen haben, irrt. Seelbach ist eine absolut typische Gemeinde. Die CDU stellt sieben, eine Freie Wählerliste sechs und die SPD fünf Gemeinderäte – die meisten sind zwischen 50 und 60 Jahre alt.

Rechtlich abgesichert.

Rechtlich ist die Übertragung abgesichert: Alle Gemeinderäte und Verwaltungsangestellte haben ihre Zustimmung erklärt und Bürger werden in der Fragestunde um Erlaubnis gebeten: „Da hat noch nie einer widersprochen“, sagt Pascal Weber. Und laufen die Sitzungen anders als sonst? „Überhaupt nicht, die Gemeinderäte sprechen ihr breites Badisch und diskutieren die Themen wie immer.“

Seelbach ist insgesamt ein anschauliches Beispiel, wie transparente Lokalpolitik aussehen kann. Auf der Gemeindeseite werden die Beschlussvorlagen zu den Gemeinderatssitzung schon im Vorfeld veröffentlicht (inkl. aller Zahlen und Fakten) und auch die Sitzungsprotokolle stehen nach den Sitzungen schnell und dauerhaft online zur Verfügung.

Das sind traumhaft transparente Zustände – im Vergleich zu dem Großteil der Kommunen im Land ist Seelbach hier Spitzenreiter. Universitätsstädte wie Heidelberg sind dagegen altbacken – hier wurde Ende 2009 eine Live-Übertragung aus dem Gemeinderat per Beschluss verhindert.

Teilhabe erfodert auch mehr Transparenz der Entscheidungen.

Und wie traurig sind die Zustände in Nordbaden, unserem Berichtsgebiet: Pfenning in Heddesheim, der Sterzwinkel in Hirschberg und aktuell „Breitwiesen“ in Weinheim sind drei absolute Negativbeispiele. Intransparente Entscheidungen am Bürger vorbei präg(t)en diese „Vorhaben“. Vieles wurde im Hinterzimmer entschieden, nicht-öffentlich und es ist kein Wunder, dass die Menschen alle Formen von Klüngel mutmaßen.

Der Forderung nach Transparenz und Bürgerbeteiligung steht die Realität gegenüber. Hier vor Ort werden so viele Themen wie möglich sogar bevorzugt „nicht-öffentlich“ verhandelt.

Wer das ändern möchte, kann sich an den Gemeinderat seines Vertrauens wenden und nachfragen, wie lange das noch mit der Geheimniskrämerei weitergehen soll und ob man nicht endlich bereit ist, im 21. Jahrhundert anzukommen und sich das Interesses und die Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger zunutze zu machen.

Mehr zum Thema gibt es auf dem Politblog [x Politics]. Dort geht es um Trends und Bewegungen, die fernab der parteipolitischen Tagesagenda die gesellschaftliche Zukunft gestalten und verändern.

Anmerkung der Redaktion:
Der vorliegende Artikel ist eine überarbeitete Fassung. Das Original wurde von der Tegernseer Stimme im bayerischen Gmund veröffentlicht, die ein ähnliches Lokalzeitungsnetzwerk betreibt wie unser Angebot. Der Geschäftsführer der Lokalen Stimme, Peter Posztos und Hardy Prothmann, verantwortlich für dieses Blog, betreiben zusammen die Firma istlokal Medienservice UG (haftungsbeschränkt), deren Geschäftsziel der Aufbau von unabhängigen Lokalredaktionen zur Förderung der Meinungsvielfalt und Demokratie ist.

Unter istlokal.de sind bislang rund 50 lokaljournalistische Angebote in einer Arbeitsgemeinschaft organisiert. Die Lokaljournalisten tauschen über weite Strecken hinweg Themen und Erfahrungen aus, die woanders vor Ort ebenfalls wichtig sind. Dabei nutzen sie das „weltweite Netz“ heißt, um vor Ort kompetent, interessant, aktuell und hintergründig zu informieren.

Es sieht böse aus mit dem „Journalismus“


Journalismus? Haha. Quelle: Kontext

Rhein-Neckar/Stuttgart, 08. Juni 2011 (red) In Stuttgart erscheint seit ein paar Wochen die kostenlose Zeitung „Kontext„. 200.000 Euro haben private Spender bereit gestellt, um das Projekt mindestens ein Jahr zu finanzieren. Einer der Spender ist Edzard Reuter. Für Kontext arbeiten „altgediente“ Zeitungsjournalisten. Aktuell rechnet Bruno Bienzle, bis 2007 Lokalchef der Stuttgarter Nachrichten, mit dem „Pressewesen“ ab.

Der Artikel im „Kontext“ ist eigentlich weit weg – in Stuttgart. Aber er ist für unsere Region sehr wichtig, weil er ein systematisches Problem beschreibt.

Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt werden über Medien transportiert. Soweit die Theorie.

In den klassischen Medien findet zur Zeit ein radikaler Umbruch statt – als Leserin und Leser, als Abonnentin und Abonnent einer Tageszeitung sollten Sie wissen, wie „pannenanfällig“ das Produkt ist, dass Sie teuer bezahlen.

Journalismus ist nicht „gottgegeben“, sondern basiert auf unserem Grundgesetz. Auf Artikel 5 über die Meinungsfreiheit. Professionell betriebener Journalismus ist aber auch ein Geschäft. Der Journalismus liefert „interessante“ Inhalte – die Werbung nutzt das für sich.

Jeder, der ein Zeitungsabo für rund 30 Euro im Monat hat, muss das eigentlich wissen. Nachrichten bekommt man über die Zeitung nicht „umsonst“. Man zahlt das Abo und wird mit Werbung „zugeballert“ – ganz kostenlos. Scheinbar. Die Verlage halten dafür aber die Hand auf.

Im Internet sind viele Nachrichten „kostenlos“ – die Frage ist, wie viel diese Nachrichten wert sind. Die Frage ist, wieviel die Menschen bereit sind, für solche Nachrichten zu zahlen. Sämtliche Modelle für „beliebige“ Nachrichten konnten sich nicht „durchsetzen“.

Die „Nachrichten“, also das lokale Zeitungswesen, sind per Lizenz vor rund 60 Jahren vergeben worden. Die Lizenzverlage haben daraus Traumrenditen erwirtschaften können.

Das Internet bedroht dieses „Geschäftsmodell“. Denn was früher nur im „Abo“ erhältlich war, gibt es jetzt „for free“.

Unsere Angebote für Heddesheim, Hirschberg, Ladenburg, Weinheim, Viernheim und Rhein-Neckar sind frei zugänglich – mit hohem Einsatz aller Mitarbeiter und zunächst geringer Erwartung von Einnahmen. Ganz in der Tradition der Marktwirtschaft – wir bieten ein Produkt an und hoffen, dass es gefällt.

Ob wir es verkaufen können, muss der Markt zeigen. Wie wir es verkaufen können, wissen wir noch nicht. Aber wir hoffen darauf, dass es genug Menschen gibt, die unsere Leistung „honorieren“. Dazu werden wir bald ein Angebot machen.

Der alte Markt gerät zunehmend unter Druck – die gewohnten Gewinnerwartungen und keineswegs das Ideal eines guten Journalismus geraten unter Druck.

Darüber schreiben „alte Hasen“ in Kontext – und die erfahrenen Journalisten wissen, dass es ernst ist. Mit dem Geschäft und mit der Meinungsfreiheit.

Wir empfehlen deshalb gerne und dringlich diesen Text.

Herren im Haus

Einen schönen Tag wünscht
Das rheinneckarblog.de

Lassen Sie sich nicht „kirre“ machen – der Klau der Kreditkartendaten bei Sony und die Medienhysterie


Guten Tag!

Rhein-Neckar, 27. April 2011 (red/pm). Am 17. April 2011 haben Hacker das Unternehmen Sony Network Entertainment angegriffen und sind ersten Meldungen zufolge in den Besitz von eventuell 77 Millionen Kundendatensätzen gelangt. Sehr viele Medien berichten nun, dass Playstation-Kunden einen Missbrauch ihrer Kreditkartendaten befürchten müssen. Dabei scheint die Lage mehr oder weniger undramatisch – mal abgesehen vom Image-Gau für Sony. Tatsächlich sind die Adressdaten der Kunden viel wertvoller und gut zu verkaufen.

Von Hardy Prothmann

Fest steht: Sony Network Entertainment wurde angegriffen. Von Computer-Verbrechern, die sich illegal Zugang zu den Kundendaten des japanischen Unternehmens verschafft haben. Betroffen sind Kunden, die die internetfähige Spielkonsole Playstation 3 benutzen und Käufe über Kreditkarten vorgenommen haben. Die Konsolen Playstation 1 und 2 sind, weil nicht internetfähig, nicht betroffen.

Fest steht: Das ist ein enormer Image-Verlust für das Unternehmen, weil Kundendaten absolut sensible Daten sind und offenbar kein ausreichender Schutz vorhanden war. Vor allem die Zahl überrascht. Denn die Hacker scheinen Zugriff auf eine zentrale Datenbank gehabt zu haben.

Fest steht auch: Es ist eine Schande, dass sich Sony ganze zehn Tage lang nicht geäußert hat. Gutes Krisen-Management geht anders. Aber spätestens seit Fukushima weiß man, dass von japanischen Unternehmen Transparenz nicht erwartet werden kann.

Hysterische Medienberichte

Die Medien überschlagen sich mit Berichten über den Skandal und die „möglichen“ Folgen für die Kreditkartenkunden, die nun „möglicherweise“ finanzielle Schäden zu befürchten „haben“.

Hysterische Berichterstattung: Die Chancen, dass Kreditkartenkunden betrügerische Abbuchungen fürchten müssen, sind eher gering.

Tatsache ist: Es gibt bis heute noch keine festgestellten Schäden, zumindest sagt das der Zentrale Kreditausschuss, ein Zusammenschluss aus fünf Banken- und Sparkassenverbänden.

Mit großer Wahrscheinlichkeit können die Hacker nichts mit den Kreditkartennummern anfangen, weil sie vermutlich nicht im Besitz der Prüfziffern sind: „Die Kreditinstitute sind hier sehr wachsam. Uns liegen keine Informationen vor, dass es zu Missbräuchen in diesem Zusammenhang gekommen ist“, sagt Dr. Kerstin Altendorf auf unsere Nachfrage.

Der Zentrale Kreditausschuss hat gestern folgende Meldung an die Presse gegeben:

Sony Network Entertainment hat gestern bekannt gegeben, dass bestimmte Services des PlayStation Network sowie Qriocity mittels illegalen und unberechtigten Eingreifens angegriffen wurden. Dabei konnten sich die Täter offenbar Zugriff auf persönlichen Daten von mehr als 70 Millionen Nutzern
verschaffen. Es ist unklar ob auch Kreditkartendaten ausgespäht wurden.

Sony Network Entertainment erklärte, dass es dafür derzeit zwar keine Anzeichen gäbe, dass man diese Möglichkeit aber auch nicht gänzlich außer
Betracht lassen könne.

Position des Zentralen Kreditausschusses:
Derzeit steht noch nicht fest, ob Kreditkartendaten abhanden gekommen sind.
Kunden der betroffenen Services sollten ihre Kreditkartenrechnungen sorgfältig prüfen und bei Unstimmigkeiten unmittelbar das kartenausgebende Institut informieren. Für etwaige Schäden aus einer möglichen Manipulation im Zusammenhang mit dem Datendiebstahl müssen die Karteninhaber nicht haften.

Nach unseren Informationen gibt es eine Reihe von Banken, die auf Wunsch der Kunden Kreditkarten kostenfrei neu ausstellen. Wir haben die Sparkasse Rhein-Neckar-Nord und die VR Bank Rhein-Neckar ebenfalls angesprochen, um von dort Informationen zu erhalten. Beide Unternehmen war aber nicht in der Lage, innerhalb von drei bis vier Stunden zurückzurufen, was schwach ist. (Siehe Protokoll des Gesprächs mit der Sparkasse Rhein-Neckar-Nord)

Immerhin. Am nächsten Tag hat der Sprecher der Sparkasse, Erich Rathgeber zurückgerufen: „Wir beobachten das. Für die Kunden gibt es keinen Grund zur Sorge.“ Missbrauchsfälle sind keine bekannt.

Kontrolle ja – Umtausch jein

Normalerweise werden dafür im Mittel 15-20 Euro fällig. Wer sich sorgt, sollte mit seiner Bank reden und eine Neuausstellung beantragen.

Vermutlich ist dies aber nicht notwendig. Und die „genaue Kontrolle der Abrechnungen“, die nun von Medien empfohlen wird, ist eine absolute Selbstverständlichkeit. Natürlich sollte man seine Bankbelege immer sorgfältig kontrollieren, weil es Fehlbuchen oder Zahlendreher undundund geben kann.

Der Zentrale Kreditausschuss verweist auf umfangreiche Prüfmechanismen: „Die Kunden müssen sich nicht sorgen, dass sie auf einer betrügerischen Abbuchung sitzenbleiben, die Kontrollsysteme funktionieren sehr gut und Kunden werden betrügerische Buchungen ersetzt, falls diese vorkommen sollten.“ Aber selbst nach der Affäre von gestohlenen Kreditkarteninformationen in Spanien Ende 2009 kam es nicht zu den angekündigten „Schäden“ bei den Kunden – vielmehr waren die Banken geschädigt, die neue Kreditkarten ausgestellt haben, um ihr Image zu waren. Und man kann davon ausgehen, dass die Banken alles tun, um solche Schäden für sich zu vermeiden. Dabei dürften sie sich näher sein als dem Kunden.

Vertrauen weg

Sorgen muss sich überwiegend Sony machen – das Vertrauen ist erstmal weg. Erstens wegen der fehlenden Sicherung und zweitens wegen der fehlenden sofortigen Information. Und je nachdem wie die Geschichte weitergeht und wie viele Kunden ihre Karten tauschen lassen wollen, ist eine Schadensersatzforderung der Banken an Sony abzuwarten.

Die illegal beschafften Daten können aber noch ganz andere Folgen haben – vor allem „nervige“. Je nach Qualität der Daten sind diese Datensätze viel eher bares Geld für den Adresshandel wert. Man weiß, welche Spiele die Kunden spielen, welche Musik sie hören und ähnliche Informationen. Dazu hat man die Adressen und vielleicht auch Umsätze? Dazu hat sich Sony nicht geäußert.

Mega-Raubzug

Jedenfalls reicht der Wert von solchen Datensätzen von wenigen Cent bis zu 100 Euro, die manche Firma bereit ist, für hochqualifizierte Kundendaten zu bezahlen. Denn dann kann man die Werbung und die Ansprache auf den Kunden verfeinern, um mit ihm „ins Geschäft“ zu kommen. Vielleicht war das das Hauptziel der Hacker.

Rechnet man zehn Euro pro Datensatz, haben die Hacker also einen Wert in Höhe von 770 Millionen Euro gestohlen. Wenn sie nur einen Bruchteil davon verkaufen können, ist das ein Mega-Raubzug. Der von Medien hysterisch angekündigte „mögliche“ Raubzug auf den Konten der Kunden wird aber „vermutlich“ ausfallen.

Just: „Das Internet ist für mich völlig unverzichtbar.“

Guten Tag!

Hirschberg, 23. Juli 2010. Im November will die Gemeinde Hirschberg einen neuen Internet-Auftritt realisiert haben. Im Interview erläutert Bürgermeister Manuel Just, was geplant ist und welche Funktion die Internetseite für die Gemeinde haben soll. Wie wichtig das Internet ist, zeigt das Verhalten von Herrn Just – er geht sogar im Urlaub täglich online.

Interview: Hardy Prothmann

Herr Bürgermeister Just, die Gemeinde will sich eine neue Homepage zulegen. Wie ist denn der Planungsstand?
Manuel Just: „Wir hatten gerade das erste Vorgespräch. Es wird ein komplett neues Layout geben.“

Bürgermeister Just: "Das Internet ist für mich völlig unverzichtbar." Bild: hirschbergblog.de

Schaut man sich die Arbeiten der beauftragten Agentur an, kann man davon ausgehen, dass Sie einen Standardauftritt erhalten.
Just: „Seien Sie doch nicht so schnell mit Ihrer Kritik, sondern lassen sich überraschen. Die Firma erstellt die Homepage nach unseren Vorgaben.“

Was wird man erwarten können? Tägliche oder wöchentliche Nachrichten?
Just: „Wie gehabt werden wir die Homepage zur Verbreitung von aktuellen Informationen nutzen. Aus Kapazitätsgründen werden wir aber nicht jeden Tag etwas bringen.“

„Klar ist: Es wird die Homepage einer Behörde sein.“

Wie wäre es mit einem Wochenbrief des Bürgermeisters?
Just: „Es ist vorstellbar, dass ich mich ab und an äußere, wir denken konzeptionell über Vieles nach.“

Moderne Websites bieten Bilder, Filme, also neben der informativen auch eine emotionale Ansprache. Ist in dieser Hinsicht etwas geplant?
Just: „Da werden wir zurückhaltender sein. Ich habe dazu eine eher konservative Haltung. Immerhin ist das die Homepage einer Behörde. Die breite, auch unterhaltende Information überlassen wir den Medien, die können das besser.“

Trotzdem ist so eine Homepage doch ein gutes Mittel, die eigene Gemeinde zu bewerben?
Just: „Sicher. Hier wollen wir auch mehr machen. Hirschberg ist beispielsweise touristisch nicht sehr gut aufgestellt, obwohl wir eine tolle Landschaft haben und schöne Wälder. Für diesen Naherholungswert kann man sicherlich mehr werben.“

„Wir werden aktiv verlinken.“

Wie sieht es mit Gewerbe und Vereinen aus – wie werden das dargestellt?
Just: „Wir werden natürlich die Vereine und die Gewerbetreibenden auflisten. Ansonsten muss man nicht jede Information, die es schon im Netz gibt, duplizieren. Wir werden hier aktiv auf andere Seiten verlinken.“

Auch wenn die Homepage neu gemacht wird, soll sie eher statisch als "dynamisch" informieren.

Welche Möglichkeiten werden die BürgerInnen für sich auf der neuen Homepage finden?
Just: „Wir haben weiterhin unser Gästebuch, das gut angenommen wird. Außerdem können die BürgerInnen mit allen Behörden und deren Mitarbeitern, auch mit mir, per email in Kontakt treten.“

Wird es Themenschwerpunkte geben, zu denen Sie besonders ausführlich informieren werden?
Just: „Ganz sicher die Kinderbetreuung, die Seniorenpolitik und zum ÖPNV. Das sind wichtige, große Themen. Allerdings werden diese Informationen statischer sein als beispielsweise bei Ihnen, weil wir nicht die Kapazität haben, tagesaktuell zu reagieren. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Das können Sie als journalistische Redaktion viel besser.“

„BürgerInnen können Vorschläge machen.“

Welche Vorteile wird „Service-BW“ bringen?
Just: „Das ist ein Teil der Deregulierungsrichtlinie der EU. Über diese Schnittstelle können Verwaltungsangelegenheiten automatisierter erledigt werden. Sehen Sie mir nach, dass ich es bei der allgemeinen Aussage belasse – ich muss mich da noch einarbeiten. Insgesamt hat jetzt der Planungsprozess begonnen – abließende Aussagen kann ich nicht treffen.“

Sind die BürgerInnnen in die Planung mit einbezogen?
Just: „Nicht systematisch. Vorschläge aus der Bürgerschaft zur neuen Homepage sind gerne willkommen. Dazu fordere ich gerne auf. Aber: Wir werden wahrscheinlich nicht alles berücksichtigen können.“

Inwieweit spielt das können Sie mit der neuen Homepage Kosten sparen? Beispielsweise könnten Sie ja die Unterlagen zu Gemeinderatssitzungen online stellen?
Just: „Und wer garantiert mir, dass wir fristgerecht zugestellt haben? Solange es hier keine verbindliche Regelung gibt, müssen wir auf Papier einladen. Sollte das mal verbindlich geregelt sein, spare ich gerne diese Kosten, wir haben sowieso alle Daten digital.“

Wie wichtig ist eigentlich das Internet für Ihre Arbeit?
Just: „Das Internet ist für mich mittlerweile vollkommen unverzichtbar. Ich recherchiere hier für fast jede Rede, schlage Informationen nach. Email ist ein alltägliches Kommunikationsmittel. Wobei: Der persönliche Kontakt bleibt der wichtigste, auch Telefongespräche sind unverzichtbar. Ein Tag ohne Internet ist aber nicht vorstellbar.“

Na, im Urlaub.
Just: „Auch da nicht. Ich schaue jeden Tag ins Netz und lese die Nachrichten.“

Nutzen Sie soziale Netzwerke wie Facebook?
Just: „Nein. Ich sehe hier für mich bislang keinen Mehrwert und behördlich ist das wegen des Datenschutzes heikel.“

Man könnte eine vollkommen unproblematische Hirschberg-Infoseite einrichten?
Just: „Das weiß mein Mitarbeiter Herr Frank besser, der koordiniert das Projekt und ich werde auf seinen Vorschlag vertrauen.“

Wir es fremdsprachliche Informationen geben, beispielsweise für ausländische Touristen oder Investoren?
Just: „Wir denken zumindest über eine französische Informationenseite für unsere Partner in Brignais nach. An eine englischsprachige Seite ist bislang nicht gedacht.“

Eine neue Internetseite muss auch aufgerufen werden können. In Leutershausen gibt es nach wie vor Probleme mit der DSL-Versorgung. Wie ist der Stand der Dinge?
Just: „Hier sind wir in guten Gesprächen. Ich rechne spätestens bis Ende des Jahres mit einer zufriedenstellenden Lösung.“

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Hintergrund:
Wir hatten nach der Verwaltungsausschusssitzung das Thema neue Homepage kommentiert.
Außerdem haben wir uns angeschaut, was die beauftragte Firma Komm.On.Line bislang an kommunalen Homepages realisiert hat.

Eine neue Homepage ist dringend nötig – ein redaktionelles Konzept noch mehr

Guten Tag!

Hirschberg, 15. Juli 2010. Bürgermeister Manuel Just findet den Internet-Auftritt der Gemeinde Hirschberg „ganz in Ordnung“. Das darf er meinen – schließlich herrscht in Deutschland Meinungsfreiheit. Das hirschbergblog findet den Auftritt grottenschlecht und nennt die Gründe. Wenn eintrifft, was zu befürchten ist, werden die 20.000 Euro für eine neue Homepage nicht teuer, sondern schlicht und einfach verschwendet sein.

Von Hardy Prothmann

Was die Gemeinde Hirschberg einen Internetauftritt nennt, ist nicht nur fast zehn Jahre, sondern 50 Jahre alt.

Moment, sagen Sie, vor 50 Jahren gabs doch noch gar kein Internet. Wie soll das gehen? Die Rechnung geht auf Thomas Middelhoff zurück, ehemals Chef des Bertelsmann-Konzerns. Der meinte vor langer Zeit schon, dass sich im Internet alles fünf Mal schneller entwickelt als im wirklichen Leben. Ein Menschenjahr bedeutet für das Internet also fünf Jahre.

Gepflegte Langeweile heißt auf der Gemeindeseite "Freizeit".

Die wichtigste Frage ist: Warum hat sich in den vergangenen zehn Jahren nichts auf der Hirschberger Homepage in Sachen Veränderung getan? Die Antwort ist einfach: Man muss programmieren können, um hier gestalterisch oder konzeptionell etwas verändern zu können. Kann man das nicht – bleibt alles, wie es ist oder man zahlt für eine Veränderung.

Fehler 2.0

Diesen Fehler wiederholt die Gemeinde gerade. Denn das neue System, in dem die neue Homepage erstellt wird, heißt TYPO3 und ist nur von sehr erfahrenen Anwendern veränderbar. Es handelt sich dabei um ein so genanntes CMS, ein Content-Management-System, das zwar kostenfrei ist und somit auch die Gemeinde nichts kosten müsste – man muss aber die spezielle Programmiersprache beherrschen.

Aktuelle Informationen? Kommt darauf an, was man unter "aktuell" versteht.

Das kann bestimmt die beauftragte Firma Komm.On.Line. Diese wird nach Vorgaben der Gemeinde eine Oberfläche erstellen, gewünschte Funktionen einbauen und dies dann der Gemeinde übereignen. Alles, was bis dahin nicht bedacht wurde oder technische Änderungen in der Zukunft, werden nur noch gegen „Extra“-Geld umsetzbar sein oder man wartet eben vier (20) lange Jahre, bis die nächste Veränderung kommt.

Auch das hirschbergblog basiert auf einem CMS names WordPress. Wie TYPO3 ist es Open-Source, also ein kostenfreies Programm. Der Unterschied: Während WordPress schon rund zehn Millionen Mal zum Einsatz kommt, wird TYPO3 weltweit gerade mal 300.000 Mal eingesetzt. Der Grund: WordPress ist viel einfacher in der Bedienung. Es gibt jede Menge frei erhältliche Zusatzfunktionen.

Keine einzige Funktion auf dem hirschbergblog wurde in „Auftrag“ gegeben – alles ist frei erhältlich. Trotzdem kann man natürlich auch hier alles mögliche programmieren lassen.

20.000 sind viel Geld, wenn wenig damit erreicht wird.

Die Einrichtung und Gestaltung hat die Redaktion selbst übernommen – kosten: Null Euro. Berechnet man die eigene Arbeitszeit, kommt man vielleicht auf 3.000 Euro. Hätte man einen Programmierer beauftragt, der aufgrund seiner Kenntnisse viel schneller arbeiten kann, wären vielleicht 1.000 Euro fällig geworden. Die monatlichen Kosten liegen unterhalb von 50 Euro.

Auch hier der Vergleich: Die Gemeinde Hirschberg zahlt in den kommenden vier Jahren 20.000 Euro für ein kaum veränderbares System. Wir zahlen im selben Zeitraum weniger als 2.400 Euro und können jederzeit Veränderungen vornehmen.

Bürgermeister Manuel Just hat recht, wenn er sagt, dass eine Homepage aktuell sein muss, um gut zu sein. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit und es hat Konsequenzen, nach denen sich der Gemeinderat Matthias Dallinger (CDU) und das Ausschussmitglied Arndt Weidler (GLH) erkundigt haben: Welche Inhalte wird es geben?

Service? Mal schauen.

Sicher wieder einen Veranstaltungskalender. Der jetzige ist eine Katastrophe, weil er zwar Anlass und auch Ort nennt, ob aber die Zeit dabei steht, ist fraglich. Die Adressen fehlen vollständig, ebenso Informationen zu den Veranstaltungen. Wir wissen, wovon wir reden, weil wir den Kalender oft anschauen und fluchen, weil er so unvollständig und damit unbrauchbar ist.

Hier kommt es auf den Blick an. Wer weiß, in welcher Straße die und die Einrichtung ist, der findet hin, jeder andere nicht. Wer über die Jahre weiß, wann welche Veranstaltung beginnt, richtet sich drauf ein – andere haben das Nachsehen.

Ein Verzeichnis, wie es liebloser und bürokratischer nicht geht.

Überall auf den Seiten werden kleine Bildchen verwendet, so als ob große Bilder teuer wären. Sind sie nicht, sie sind nur schöner, zeigen mehr und interessieren deshalb auch die BesucherInnen mehr.

Die Spaltenbreite richtet sich nach der Größe des Fensters. Zieht man das Fenster groß, hat man Zeilen mit weit über 100 Zeichen-Anschlägen. Ab 65-70 Zeichen die Zeile steigt man als Leser aus – das ist wissenschaftlich bewiesen.

Die Übersicht über die Vereine ist derart lieb- und seelenlos gestaltet, dass es überhaupt keinen Spaß macht, sich auf dieser Seite aufzuhalten.

Schon gar nicht bei „Neues aus Europa“ – hier stehen genau keine Informationen. Soviel zu „Neues aus Europa“.

Auf „Unsere Gemeinde“-„Verkehrslage“ suchen Anwender vergeblich nach Informationen zum aktuellen Verkehrschaos im Ort. Dafür gibt es einen Extrapunkt „OEG-Ausbau“ – wieso steht der nicht unter „Verkehrslage“?

Der Ton der gepflegten Langeweile.

Die allermeisten Informationen sind statischer Art – hier ändert sich nie etwas. Einmal erstellt dümpeln sie auf ewig hier vor sich hin. So gesehen hat der Bürgermeister recht, wenn er ganz zufrieden ist mit dem System. Hier muss man eigentlich nicht viel ändern, weil die gepflegte Langeweile den Ton angibt.

Das neue System, auch wenn es wahrscheinlich kaum angepasst werden kann, wird eine Vielzahl neuer Möglichkeiten bieten – wenn man diese nutzen will.

Beispielsweise unter „Aktuelle Informationen“ – hier tut sich meist so wenig, dass man insgesamt davon ausgehen kann, dass sich nur sehr wenige BesucherInnen für die Internetseite der Gemeinde interessieren dürften. So gesehen muss man sich fragen, was die 20.000 investierten Euro eigentlich bewirken sollen?

Nur ein hübscheres Aussagen? Ein so tun als ob? Oder soll die Homepage der Gemeinde eine Kommunikationszentrale sein – ein Ort des Austausches, eine zentrale Anlaufstelle wie die Auskunft im Rathaus?

Neues aus Europa - nix Neues in Europa.

Darüber gab es in der Verwaltungsausschusssitzung auch keinerlei Information – man muss vermuten, dass es dazu keine Informationen gibt.

e-Government? Hört sich toll an.

Bürgermeister Just nannte den Begriff „e-Government“ – ein schöner Begriff. Doch was verbirgt sich dahinter?

Ist etwa geplant, beispielsweise Sitzungsvorlagen online zu stellen? Planentwürfe? Oder Formen der Bürgerbeteiligung einzuführen?

Letzteres bestimmt nicht, denn ansonsten hätte man die Bürger fragen können, die die Homepage nutzen, was sie sich vorstellen, was sie gerne dort finden würden, was insgesamt ein praktischer Nutzen wäre.

Und die Verwaltung könnte überlegen, wie sie mit dem investierten Geld vielleicht Kosten sparen könnte – Ansätze und Beispiele dazu gibt es zuhauf in anderen Gemeinden.

Angeblich sei es schwer die Seite service-bw anzubinden – das darf man getrost für eine Behauptung halten. Man kann einfach einen Link setzen – schon ist dieser Service vorhanden. Vielleicht ist auch etwas anderes gemeint – das wurde aber nicht erklärt.

In der Verwaltungsvorlage wurde als Beispiel einer kürzlich von der beauftragten Firma umgesetztes Projekt die Homepage der Gemeinde Edingen-Neckarhausen genannt. Wenn das das Maß der Dinge sein soll – dann wird alles wahr, was hier im Artikel kritisiert wurde.

Edingen-Neckarhausen: Huch! Andere Farben, andere Schrift - aber irgendwie kennt man das schon von den "Europa-Nachrichten" aus Hirschberg.

Die Seite sieht definitiv schicker aus als die von Hirschberg. Tatsächlich ist sie aber nur aufgehübscht.

Elemente von „Barrierefreiheit“ – eigentlich ein Standard im Netz für Verwaltungen – gibt es nicht (bei uns auch noch nicht, aber wir sind ein kleiner Betrieb und arbeiten dran). e-Government-Funktionen? Fehlanzeige. Sitzungsunterlagen, Pläne, sonstige Dokumente, die Transparenz herstellen? Fehlanzeige.

Wer sich nicht von dem etwas besseren Layout täuschen lässt, erkennt, dass hier nur neu gestrichen wurde – darunter herrscht dieselbe gepflegte und gewollte Langeweile wie auf der Hirschberger-Internetseite.

So gesehen sind 20.000 Euro nicht „teuer“, wie Ausschussmitglied Arndt Weidler meinte, so gesehen sind 20.000 sauteuer, um nicht zu sagen, rausgeschmissenes Geld.

Auch ein frisch gestrichenes Dröge bleibt dröge.

Aufgehübschtes Vereinsverzeichnis - gucken Sie zum Vergleich oben auf die Darstellung auf der Hirschbergseite. Neues Design - gleich langweiliger Inhalt und Mehrwert.

Andersrum betrachtet ist die Gemeinde Hirschberg sogar gut dran mit der verstaubten Homepage – niemand erwartet von solch einer Seite tatsächlich einen innovativen Kommunikationsansatz, der sich auf der Höhe der Zeit befindet – was so dröge daherkommt, kann ruhig auch dröge Informationen haben.

Die Seite von Edingen-Neckarhausen hingegen ist ein Etikettenschwindel – zu Recht werden viele Bürger sich darüber ärgern und nie mehr wiederkommen. Wobei auch das egal ist, denn tatsächlich hat dort wohl niemand den Anspruch, die Leute wirklich auf die Seite locken zu wollen.

Tatsächlich muss man zu dem Urteil kommen, dass es sich um eine Schmuckseite handelt, mit der Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat sich das gute Gefühl teilen, richtig „modern“ zu sein. Ob das einen Nutzen für den Bürger hat? Egal – auch wenn es mit Steuergeldern bezahlt wurde.

Übrigens: Die Gemeinde Heddesheim plant ebenfalls einen neuen Auftritt für den alle genannten Kritikpunkte auch gelten, da die Firma ISI, des Alt-Gemeinderats Martin Winkler (CDU) die beiden Gemeindeauftritte früher realisiert hatte. Die Kosten in Heddesheim: 12.000 Euro.

Gemeinde will „Transparenz“ beim Seniorenzentrum schaffen

Guten Tag!

Hirschberg, 06. April 2010. Heute wurde durch die Gemeinde Hirschberg eine Pressemitteilung zum geplanten Seniorenzentrum herausgegeben. Wir dokumentieren den Text.

Wir werden im Laufe des Donnerstags, 08. April 2010 weiter zum Thema berichten. Wie gewohnt hintergründig und analytisch. Außerdem wird es einen Kommentar zum Thema geben.

Aus Sicht der Redaktion ist die Pressemitteilung der Gemeinde nämlich ein Grund zur Recherche: Inhaltlich sind alle Informationen bekannt. Wieso also gibt es diese Pressemitteilung? Welche Notwendigkeit hat sie?

Sofern Sie mithelfen wollen, schreiben Sie gerne an die Redaktion: redaktion (at) hirschbergblog.de

Wir vermuten, dass die Gemeindeverwaltung zur „Beruhigung“ der Situation beitragen will – zumindest der Konflikt mit dem TVG hat für „Irritationen“ gesorgt.

Redaktion hirschbergblog

Dokumentation der Pressemitteilung der Gemeinde Hirschberg:

„In der Gemeinderatssitzung vom 30. März 2010 hat die Gemeinde Hirschberg den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Südlich der Rosengartenstraße“ (Seniorenzentrum) herbeigeführt.

Das geplante Seniorenzentrum aus der Vogelperspektive. Quelle: Gemeinde Hirschberg

Ferner geht damit der Bebauungsplan, der die baurechtliche Grundlage für die Errichtung des Hirschberger Seniorenzentrums sowie die Kleinkindkrippe bieten wird in der Zeit vom 09. April 2010 bis zum 10. Mai 2010 in die Offenlage, um somit auch die Einwohner/ innen der Gemeinde Hirschberg sowie die Träger öffentlicher Belange an diesem Verfahren zu beteiligen.

Vorgebracht werden können Einwendungen, Anregungen oder auch Wünsche im Hinblick auf den Bebauungsplanentwurf, der in der Gemeinderatssitzung am 27. Juli 2010 voraussichtlich als Satzung verabschiedet werden soll.

Da es sich bei diesem Bebauungsplan um eine Planungsgrundlage handelt, die für viele Einwohnerinnen und Einwohner fast untrennbar mit der parallel verlaufenden Planung für die zu errichtenden Gebäude (Betreutes Wohnen und Pflegeheim) verknüpft erscheint, hat sich der Gemeinderat in seiner nichtöffentlichen Sitzung am 30. März 2010 dazu entschieden auch die aktuelle Planungsvariante der Gebäude (im Vorentwurfsstadium) aus Transparenzgründen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Die Pläne werden daher sowohl über die Homepage der Gemeinde (www.hirschberg-bergstrasse.de), als auch im Rahmen der Offenlage zum o. g. Bebauungsplanverfahren zur Einsichtnahme freigegeben.

Zu sehen sind mehrere Perspektiven.

Inhaltlich gilt es festzuhalten, dass der Investor FWD Hausbau GmbH auf dem zur Bebauung geplanten Gesamtareal 27 Wohnungen für Betreutes Wohnen sowie 48 Pflegeplätze schaffen wird. Das Pflegeheim wird nach seiner Fertigstellung von der Evangelischen Heimstiftung betrieben.
Die ebenfalls im Plangebiet vorgesehene Kleinkindkrippe des Postillion e.V. soll 20 Betreuungsplätze (in insgesamt 2 Gruppen) beinhalten.

Städtebaulich betrachtet soll der Turm als historisches Bauwerk erhalten bleiben. Das Gesamtareal soll fußläufig eine Verbindung zwischen der im Norden liegenden Rosengartenstraße sowie dem im Süden liegenden Riedweg ermöglichen.

Um der logischerweise aus den Vorgaben entstehenden Größe des Gebäudes baulich entgegen zu wirken hat man sich im aktuellen Verfahrensstadium dazu entschieden im Bereich des Betreuten Wohnens (im nord-westlichen Grundstücksteil) mit kleinparzelligen Elementen (Fenstern, Loggien und Balkonen) zu arbeiten. Um zumindest in Ansätzen eine organisch gewachsene Struktur zu erzielen wurde zusätzlich mit zwei „Punkthäusern“ im Bereich des Gartens gearbeitet.
Die Dachneigung im Bereich des Betreuten Wohnens lehnt sich an die Neigungswinkel des bestehenden Turms an.

Beim Gebäude des Pflegeheims (im süd-östlichen Grundstücksteil) versucht der beauftragte Architekt durch eine gegensätzlich zueinander auf- und ablaufende Dachstruktur zu einer Auflockerung beizutragen.
Der diesem Gebäude zuzuordnende Gartenbereich (im Innenhof des „u-förmigen“ Hauses) soll entgegen dem im nördlichen Grundstücksbereich angesiedelten Garten hingegen nur den Bewohnern des Pflegeheims zur Verfügung stehen.
Unter dem Gebäude des Pflegeheims wird eine Tiefgarage liegen, die sowohl einen direkten Zugang in das Haus bzw. auf den Platz ermöglicht.

Hirschberg, den 06. April 2010

gez. Manuel Just
Bürgermeister“

Einen schönen Tag wünscht
Das hirschbergblog

Wie aus einer Pressemeldung ein „Artikel“ wird und wer hinter dem Kürzel „zg“ steckt

Guten Tag!

Hirschberg, 03. April 2010. Aufmerksame Zeitungsleser wundern sich über einen sehr fleißigen Autoren, der anscheinend für den Mannheimer Morgen, die Weinheimer Nachrichten, die Rhein-Neckar-Zeitung und viele andere Zeitungen arbeitet. Sein Kürzel: zg.

Von Hardy Prothmann

Kein Journalist hat für diesen Artikel nennenswert recherchiert - eine Pressemitteilung wurde ein wenig umgeschrieben und fertig ist ein "redaktioneller Artikel" im Mannheimer Morgen, der so tut als ob. Die durchgestrichenen Passagen fallen weg, die unterstrichenen Stellen sind Einfügungen oder Umstellungen. Klicken Sie, um das gesamte Dokument und die Veränderungen zu sehen."

Es gibt in Deutschland einen Vielschreiber, der niemals unter seinem Namen auftritt, sondern nur mit dem Kürzel „zg“.

„zg“ ist vielseitiger Schreiber: Vereine, Sport, Politik, Kultur, Wirtschaft, Verbände – kein Thema ist vor ihm sicher. Er berichtet einfach zu allem und jedem.

Noch verwunderlicher ist: „zg“ schreibt für jede Menge Zeitungen – auch für solche, die miteinander „konkurrieren“, wobei die Konkurrenz meist nur in den Außenbezirken an den Rändern der Erscheinungsgebiete stattfindet.

Und „zg“ ist meistens bestens informiert und liefert immer Informationen „aus erster Hand“.

So auch heute wieder im Mannheimer Morgen. Hier berichtet „zg“ über den genehmigten Antrag zur gemeinsamen Werkrealschule von Hirschberg und Heddesheim.

Wer genau hinschaut und die Pressemitteilung der Gemeinden zum Thema kennt, stellt fest: So fleißig ist „zg“ gar nicht. Mit ein paar Kürzungen, Umstellungen und marginalen Einfügungen macht „zg“ flugs aus einer Pressemitteilung einen „eigenen“ Artikel.

„zg“ ist das Kürzel für „zugesandte“ Texte.

Das Rätsel um den Vielschreiber „zg“ ist schnell gelöst. Es gibt ihn nicht. Das Kürzel „zg“ steht für „zugeschickt“ oder „zugesandt“.

Das bedeutet: Alle „Artikel“ (und das sind jede Menge), die das Kürzel „zg“ tragen, sind nicht von Journalisten der jeweiligen Redaktion verfasst worden, sondern in den meisten Fällen Pressemitteilungen oder Vereinsnachrichten, die ein wenig „aufgehübscht“ werden und dann so tun, als seien sie eigenständige redaktionelle Leistungen der Zeitung.

Könnte man auch sagen, hier täusche jemand eine eigene redaktionelle Leistung vor? So weit will ich nicht gehen (in Zeiten, in denen man ganz schnell für Meinungsäußerungen abgemahnt wird, muss man vorsichtig sein). Immerhin werden die „zg“-Texte ja ein bisschen bearbeitet, was aus Sicht von Zeitungen dann doch eine redaktionelle „Leistung“ darstellt. Das ist eben Ansichtssache.

Der Schein der Vielfalt.

Leider, leider, werden aber die Leserinnen und Leser nicht über dieses Verfahren aufgeklärt und können nicht erkennen, ob sie einen eigenständig recherchierten Artikel oder eine umgeschriebene Pressemitteilung vor sich haben.

Das wollen die Zeitungen nicht. Sie wollen etwas anderes erreichen: Sie suggerieren eine große Vielfalt von „eigenen“ Autoren, die aber keine eigenen sind. Es sind „als ob“-Autoren.

So auch im Text über die Werkrealschule, in den die Redaktion besonders dreist noch eingefügt hat: „…in einer Pressemitteilung“, obwohl der Text selbst zu geschätzten 90 Prozent aus eben dieser Pressemitteilung besteht. (Klicken Sie auf das Bild, um sich selbst ein Bild zu machen.)

Korrekt wäre, wenn die Zeitungen einfach drüber oder drunter „Pressemitteilung von xy“ schreiben würden – dann wüssten die Leser Bescheid, wie sie den Text einzuordnen haben.

Zeitungen tauschen aber auch gerne Artikel untereinander aus. Beispielsweise schreibt im Mannheimer Morgen über Hirschberg häufiger ein Autor, der mit „hr“ zeichnet.

Ausgeschrieben ist das Hans-Peter Riethmüller, Redakteur bei den Weinheimer Nachrichten. Umgekehrt erscheint in den Weinheimer Nachrichten auch mal „agö“, richtig Anja Görlitz vom Mannheimer Morgen.

Und im Mannheimer Morgen gibt es auch mal die Kombination WN/agö – das ist dann eine Textübernahme der Weinheimer Nachrichten mit „redaktioneller Bearbeitung“ durch agö.

Auch durch diese Praxis wird so getan als ob. Korrekt wäre ein Hinweis, dass hier Artikel aus anderen Zeitungen übernommen wurden. Wie Redaktionen ihre Leserinnen und Leser über die Inhaltsstoffe informiert, die im Produkt Zeitung drin sind, entscheiden die Redaktionen selbst.

Umgeschriebene Pressemitteilungen sind gängige Praxis.

Für Recherche bleibt keine Zeit – schließlich muss „zg“ jede Menge „Artikel schreiben“. Diese Praxis, umgeschriebene Pressemitteilungen als eigene Artikel zu verkaufen, ist Gang und Gäbe in deutschen Zeitungsredaktionen. Journalisten, die eigentlich bei einer Nachrichtenagentur angestellt sind, werden so schnell auch mal zu „Von unserem Mitarbeiter xy“.

Das hirschbergblog arbeitet anders: Natürlich übernehmen wir wie jede Redaktion manchmal Informationen aus Pressemitteilungen und anderen Informationsquellen. Das machen wir in den allermeisten Fällen durch die Nennung der Quelle deutlich. Die Informationen fügen wir neu und eigenständig zusammen und ergänzen sie durch eigene Recherche. Das Ergebnis ist ein echter redaktioneller Artikel und nicht eine Mogelpackung, die so tut als ob.

Darüber hinaus verlinken wir zu Informationsquellen oder dokumentieren die Originalpressemitteilungen – dadurch ermöglichen wir eine große Transparenz für unsere Leserinnen und Leser.