Sonntag, 11. September 2022

Problemfall Hauptschule

Immer mehr Haupt- und Werkrealschulen schließen sich mit anderen Schulen zusammen

Überall im Kreis stehen Hauptschulen vor dem Aus oder eine Fusion oder…. Die frĂŒhere Johannes-Kepler-Schule wurde unter der CDU-Regierung zu einer gemeinsamen Werkrealschule Karl-Drais mit Heddesheim und Hirschberg. Was aktuell unter GrĂŒn-Rot aus der Schule wird, ist unklar. Vielleicht einfach nur Geschichte.

 

 

Rhein-Neckar, 23. Oktober 2012. (red/ld) Abstellgleis Hauptschule – Aufstiegsgarant Gymnasium? Mit der Abschaffung der verpflichtenden Grundschulempfehlung bleiben den Haupt- und Werkrealschulen in der Region die SchĂŒler weg. Wenn auch im jahrgangsĂŒbergreifenden Unterricht keine Klasse mehr zusammen kommt, bleibt nur noch, sich mit einer Nachbargemeinde zusammen zu schließen: Heddesheim und Hirschberg haben es schon getan, Edingen-Neckarhausen und Ilvesheim haben sich mit Ladenburg zusammengeschlossen. Am Ende des laufenden Schuljahres wird sich die Weinheimer Karrillonschule mit dem Dietrich-Bonhoeffer-Schulzentrum zusammen schließen.

Von Lydia Dartsch

Je höher der Schulabschluss, desto besser die Job- und Ausbildungschancen. Diese Rechnung geht fĂŒr viele Eltern und ihre Kinder auf. Entsprechend bange warteten sie bisher auf die Zeugnisse der vierten Klasse:

Bloß nicht auf die Hauptschule!,

war fĂŒr viele die Hoffnung. Seit diesem Schuljahr können Eltern und SchĂŒler frei wĂ€hlen und sie wĂ€hlen vermehrt die höheren AbschlĂŒsse, wie die Mittlere Reife oder das Abitur. FĂŒr die Haupt- und Werkrealschulen ist das ein großes Problem: Ihnen fehlen die SchĂŒler, um noch Klassen bilden zu können. 28 SchĂŒler sind die Mindestvoraussetzungen fĂŒr eine Klasse. Reichen die SchĂŒler eines Jahrgangs dafĂŒr nicht aus, können die Schulen noch zwei JahrgĂ€nge zusammen legen, die dann gemeinsam unterrichtet werden. Doch in vielen Gemeinden in der Region gibt es auch fĂŒr diese Lösung nicht genĂŒgend SchĂŒler.

„Es ist ein Schulsterben. Das will niemand wahrhaben.“

Schulen zusammenschließen bleibt die letzte Lösung fĂŒr das Problem. In den Gemeinden werden Schulen ganz geschlossen:

Das ist eindeutig ein Schulsterben,

schildert Endrik Ebel vom Staatlichen Schulamt in Mannheim, das wolle nur niemand wahrhaben. Allein in Heidelberg ist die Zahl der Haupt- und Werkrealschulen in den letzten zehn Jahren von vier auf zwei gesunken. In den letzten Jahren haben sich Edingen-Neckarhausen und Ilvesheim mit der Werkrealschule Unterer Neckar in Ladenburg zusammengeschlossen. Die SchĂŒler aus Heddesheim mĂŒssen seit einiger Zeit nach Hirschberg (und umgekehrt) zum Unterricht fahren und ab nĂ€chstem Herbst gehts fĂŒr die SchĂŒler der Karillon-Schule zum Unterricht ins Dietrich-Bonhoeffer-Schulzentrum. Das hatte die Stadtverwaltung im Juli bekannt gegeben.

RĂŒcklĂ€ufig sind die SchĂŒlerzahlen zwar schon seit 30 Jahren. An den Hauptschulen wird der RĂŒckgang nun auch durch die Abschaffung der Grundschulempfehlung verstĂ€rkt. Die Entscheidung zur Zusammenschließung von Schulen treffe der SchultrĂ€ger, erklĂ€rt David Hager-Mann, Leiter des Staatlichen Schulamtes: „Das ist ein organischer Vorgang. Wenn einer den Eindruck hat, dass es so nicht mehr weiter geht, spricht man miteinander.“ Meistens suche die Schule das GesprĂ€ch mit der Gemeinde.

Höherer Abschluss = bessere Jobchancen?

Der Grund fĂŒr die Wahl der Eltern ist die Angst der Eltern, ihre Kinder mit einer Anmeldung an der Hauptschule auf das soziale Abstellgleis zu rangieren. Ebel sieht darin eine Begleiterscheinung einer sich entwickelnden Wissensgesellschaft:

In den LĂ€ndern der Wissensgesellschaft streben die Eltern fĂŒr ihre Kinder möglichst hohe BildungsabschlĂŒsse an. Die meisten schaffen das auch.

Zumindest in den NachbarlĂ€ndern sei das der Fall. Das gegliederte Schulsystem in Deutschland aber verschĂ€rft die Bedingungen fĂŒr den sozialen Aufstieg: „Da werden die Qualifikationen schon sehr frĂŒh sichtbar. Die Kinder werden schon von vorneherein abgestempelt. Das fĂŒhrt zu gesellschaftlicher Ungleichheit.“

Doch nicht jeder, der in der fĂŒnften Klasse aufs Gymnasium geht, bekommt auch das Abitur: „Wenn das Kind nicht mit dem Stoff mitkommt, geht es runter von der Schule“. erklĂ€rt Ebel: Vom Gymnasium auf die Realschule, von der Realsschule auf die Hauptschule. Die ĂŒbrigen Haupt- und Werkrealschulen könnten spĂ€testens dann an ihre Grenzen stoßen: „Wenn es keine Hauptschulen mehr gibt, wird es lustig“, meint Ebel.

Bessere Möglichkeiten an Gemeinschaftsschulen

An Gemeinschaftsschulen könnten Kinder individuell gefördert werden, ist sich Ebel sicher. Das ist im bestehenden Schulsystem nicht möglich: „Die Kinder lernen in unterschiedlichen FĂ€chern auf unterschiedlichen Niveaus“, erklĂ€rt Ebel. Gemeinschaftsschulen können diese Niveauunterschiede auffangen und „aus möglichst vielen SchĂŒlern möglichst viel herausholen“, wie es Ebel sieht. Das wollen auch die Eltern. So verzeichnet die bisher einzige Gemeinschaftsschule der Region in Bammental seit fĂŒnf Jahren einen bemerkenswerten SchĂŒlerzuwachs: „Dort haben sich die SchĂŒlerzahlen verdreifacht“, zeigt sich Ebel begeistert. Dort hĂ€tten die Eltern gemerkt, dass individualisiertes Lernen möglich sei, „und das, obwohl sie nur eine Werkrealschule sind“, so Ebel.

Wie geht es weiter mit den Werkrealschulen? Über die Zukunft des Standorts Heddesheim informiert die Gemeinde heute Abend in der Aula der Karl-Drais-Schule. In Weinheim wird der Zusammenschluss der Schule voran gehen. Die Schulleitung hat bisher nicht auf unsere Anfrage reagiert.